Am Morgen des 22. Oktobers 1940 standen vor der Wohnungstür tausender Jüdinnen und Juden in Baden, der Pfalz und dem Saarland Polizei und Gestapoleute. Sie forderten sie auf, ihre Koffer zu packen - mit nicht mehr als 50 Kilogramm Gepäck und brachten sie an örtliche Sammelstellen. Von dort aus wurden sie mit dem Zug in ein Internierungslager nach Gurs deportiert. Viele von ihnen starben später in nationalsozialistischen Konzentrationslagern.
Eine Delegation aus Baden und der Pfalz hat auch in diesem Jahr wieder gemeinsam mit den französischen Nachbarn an die Deportation erinnert. Auf dem Deportenfriedhof im südfranzösischen Gurs fand am Sonntagnachmittag eine Gedenkveranstaltung statt. Unter besonderen Vorzeichen: Erst vor wenigen Tagen waren in Gurs antisemitische Flugblätter aufgetaucht. Der Krieg im Nahen Osten ist Thema in allen Reden - denn seit der Shoah sind nie wieder so viele Jüdinnen und Juden gewaltsam umgekommen wie in den vergangenen 14 Tagen.
Gedenksteine für jüdische Opfer enthüllt
Am Montag wurde auf dem südfranzösischen Friedhof dann ein Denkmal für die dort bestatteten deutschen Jüdinnen und Juden enthüllt. Das Land Baden-Württemberg, das Land Rheinland-Pfalz, die israelitische Religionsgemeinschaft Baden sowie die Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs Gurs hatten die Stelen in Auftrag gegeben.
Rita Althausen aus Mannheim sagte für die Religionsgemeinschaft, auch heute mache sich wieder Antisemitismus breit. Ihm müsse entschieden entgegengetreten werden. Ihr Vater wurde 1940 nach Gurs verschleppt, konnte aber über Spanien nach Palästina flüchten. Für die Region Pyrenäen-Atlantik sprach Präfekt Julien Charles. Er erinnerte daran, dass mehr als 60.000 Menschen in Gurs interniert worden sind.
Staatssekretärin: Erinnerungskultur müsse wachgehalten werden
Staatssekretärin Sandra Boser aus dem Wahlkreis Lahr (Landkreis Offenburg) sagte am Sonntag, die Erinnerung an die mehr als 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland müsse wachgehalten werden. Die Erinnerungskultur sei ein wichtiges politisches Statement und mache deutlich, dass es nach den Verbrechen der Nationalsozialisten keine Debatte um einen Schlussstrich geben dürfe. Dies gelte erst recht in einer Zeit wachsender Ausgrenzung und neuem Antisemitismus in Deutschland.
Auch Schülerinnen und Schüler aus Südbaden in Gurs
Neben Sandra Boser sprachen Stefan Schlatterer als Oberbürgermeister von Emmendingen und Rami Suliman als Vorsitzender der israelitischen Religionsgemeinschaft Baden sowie Sprecher französischer Organisationen. Auch eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus Baden und der Pfalz war anwesend bei der Gedenkfeier. Sie hatten sich zuvor im Unterricht mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und ihrem Rassenwahn beschäftigt. Sie sind davon überzeugt, dass die Erinnerung wachgehalten werden und die Gesellschaft neuen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus im Auge behalten muss.