Das Wärmebild eines Freiburger Start-up's liefert Daten zur Oberflächentemperatur der Erde.

Vom Breisgau über Houston ins All

Freiburger Start-up will mit Satelliten in der Landwirtschaft Wasser einsparen

Stand
Autor/in
Lukas Herzog

Mit den Daten eines Freiburger Start-ups könnten Dürren frühzeitig erkannt - und in der Landwirtschaft womöglich bis zu 40 Prozent Wasser eingespart werden.

Das Start-up constellr mit Sitz in Freiburg entwickelt kleine Satelliten mit Sensoren, die die Oberflächentemperatur der Erde messen - und mit deren Daten 40 Prozent des Wasserverbrauchs in der Landwirtschaft eingespart werden könnten. Das Potenzial hat auch das Weltwirtschaftsforum erkannt: Es zählt constellr zu den 100 vielversprechendsten Start-ups 2024. Wegen der voranschreitenden Klimakrise und der wachsenden Weltbevölkerung wird ein sparsamer Umgang mit Wasser immer wichtiger.

Wenn es um Satelliten-Technik geht, denken wohl die Wenigsten an Freiburg. Das Start-up constellr möchte das ändern. Bei der Gründung im Jahr 2019 war alles noch ganz klein. Inzwischen arbeiten über 80 Menschen bei dem Start-up. Freiburg ist nur noch ein Standort von mehreren.

Dürren erkennen: Mit Daten des Freiburger Start-ups wird das möglich

Marius Bierdel, einer der drei Gründer, sitzt im Freiburger Büro des Unternehmens vor seinem Bildschirm. Darauf ist ein Wärmebild zu sehen, wie es die Satelliten des Start-ups aufnehmen können. "Du kannst dir das ein bisschen so vorstellen, wie wenn du ein Wärmebild von deinem Haus machst, wo dann zum Beispiel rote Punkte warme Orte identifizieren und blaue Punkte kalte Orte", sagt Bierdel, während er auf den Bildschirm zeigt. 

Marius Bierdel, einer der Gründer der Firma constellr, sitzt vor seinem Computer. Auf dem Bildschirm ist ein Wärmebild zu sehen, wie es die Satelliten des Start-ups aufnehmen können.
Der Mitgründer des Start-ups constellr, Marius Bierdel, sieht große Möglichkeiten für die Landwirtschaft, Wasser zu sparen.

Die Daten des Freiburger Start-ups könnten unter anderem in der Landwirtschaft von großem Nutzen sein. Anhand der Oberflächentemperatur der Erde kann das Unternehmen erkennen, an welchen Orten eines Feldes zu viel Wasser vorhanden ist und wo mehr Wasser benötigt wird. Es kann so schon früh identifiziert werden, wo Dürre entsteht. Ein Landwirt sieht das mit bloßem Auge erst zwei Wochen später. 

In Landwirtschaft könnten 40 Prozent Wasser eingespart werden

Landwirtinnen und Landwirte könnten die Daten zukünftig nutzen, um zielgerichteter zu bewässern. "Wenn du dir vorstellst, dass in der Landwirtschaft circa 70 Prozent der Frischwasserressourcen weltweit benutzt werden und 60 Prozent davon verschwendet werden, weil überbewässert wird, dann sieht man schon, wie viel Potenzial da ist", meint Bierdel. Mit den Daten der Satelliten könnten seiner Einschätzung nach bis zu 40 Prozent Wasser in der Landwirtschaft eingespart werden. 

Dieser Sensor des Freiburger Start-ups war schon im All
Von der ISS in das Büro des Freiburger Start-ups constellr: Dieser Sensor war zu Testzwecken schon im All.

Daten des Start-ups: Hilfreich bei Klimakrise und Hunger-Katastrophen

Durch die fortschreitende Klimakrise häufen sich Dürren. Wasser wird ohnehin knapper. Hinzu kommt eine wachsende Weltbevölkerung, die ernährt werden muss. Durch den effizienteren Einsatz könnten Wasser eingespart und gleichzeitig mehr Lebensmittel produziert werden. 

Neue Technik: kleiner, günstiger, hochauflösender

Wärmebilder der Erdoberfläche sind nichts Neues. Das Start-up constellr macht aber einiges besser. Marius Bierdel erklärt, wie: "Ein Pixel, der ist bei uns 30 mal 30 Meter. Um das mal zu vergleichen: Die momentane Technologie, die flächendeckend Bilder liefern kann, liefert Bilder mit 1.000 mal 1.000 Meter. Das ist einfach viel zu grob aufgelöst." Erst mit den Daten von constellr könnten Landwirtinnen und Landwirte wirklich zielgerichtet bewässern, meint Bierdel. 

Vergleich der Daten bisheriger Satelliten mit den Daten von constellr
Daten bisheriger Satelliten sind zu ungenau für die Landwirtschaft. Die Daten des Freiburger Start-ups bieten eine bessere Auflösung. So kann zielgenauer bewässert werden.

Die Auflösung der Wärmebilder ist nicht der einzige Vorteil. Das Start-up setzt auf sogenannte Mikrosatelliten. "Die sind ungefähr so groß wie ein deutscher Kühlschrank, kein amerikanischer. Also so 40 mal 40 mal 40 Zentimeter", erklärt Bierdel.

Das macht sie deutlich günstiger in der Herstellung und ermöglicht dem Start-up, gleich mehrere Satelliten zu bauen. Mehr Satelliten im All bedeuten regelmäßigere Daten. Vorerst sollen fünf eigene Satelliten in den Weltraum. Damit kann das Start-up täglich Daten für jeden Flecken der Erde liefern. 

Der Countdown läuft: Erster Satellit ab Oktober im All

Noch hat das Start-up keinen Satelliten im All. Der erste Satellit macht sich erst im Oktober mit SpaceX auf den Weg. Ihre Sensor-Technik konnte constellr aber schon überprüfen. Ein Sensor kam bereits zu Testzwecken auf der ISS zum Einsatz. Jetzt hängt er an einer Wand im Freiburger Büro. Er ist nicht viel größer als ein Schuhkarton. Einige Stellen sind schon etwas vergilbt - der Ausflug ins All hat seine Spuren hinterlassen. 

Satellit des Freiburger Start-ups constellr
Ein Satellit wie dieser wird im Oktober in's All fliegen und von dort für das Freiburger Start-up constellr Daten sammeln.

Marius Bierdel war beim Start in Houston dabei. "Du spürst, wie deine Lunge anfängt zu vibrieren, nicht nur von deiner Aufregung, sondern tatsächlich von dem Druck des Starts. Und wie die Rakete ins All schnellt, das ist super beeindruckend und dann natürlich umso schöner, wenn du siehst, dass dein Baby da oben tatsächlich das macht, wofür du es entwickelt hast", sagt Bierdel euphorisch.   

Start-up bleibt Freiburg treu

Ob er beim Start des Satelliten im Oktober auch dabei sein wird, weiß Bierdel noch nicht. Lust hätte er in jedem Fall. Die Gefahr, dass er mit dem Start-up dauerhaft die Stadt verlässt, besteht aber nicht. Sowohl constellr als auch Marius Bierdel wollen Freiburg auf jeden Fall treu bleiben. Für Bierdel ist die Stadt seine Wahlheimat geworden. 

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