Er könnte Menschen in Regionen ersetzen, die zu gefährlich sind - oder er kriecht durch Spalten, wo sonst kein Equipement hindurch passt: ein kleiner Roboter, der besonders haltbar ist. Entwickelt haben ihn Forscher aus Freiburg. Sie sind damit weltweit führend. Die stärksten Konkurrenten sitzen nach ihren Angaben an der renommierten Harvard-Uni in den USA.
Auf dem Labortisch des Freiburger Zentrums für interaktive Werkstoffe liegt ein weißer, gummiartiger Kunststoffklotz mit vier Beinen - nicht viel größer als eine Hand. Einer der fünf Forscher, die sich um den Klotz versammelt haben, schließt einen blauen Schlauch an. Man hört zischende Luft, während der Klotz langsam anfängt sich zu bewegen. Wie eine Schildkröte bewegt sich der kleine Roboter über die Arbeitsplatte.
Das Forscherteam hat den Roboter "turtle walker" getauft. Das Besondere: Er benötigt weder Motoren noch Zahnräder, um sich fortzubewegen. Der Vierbeiner wird ausschließlich mit Druckluft betrieben. Diese strömt im Korpus durch viele kleine Kanäle. Ventile öffnen und schließen sich wieder und erzeugen so die Bewegung der Beine.
Der "turtle walker"-Roboter wurde schon von einem Auto überfahren
Der Roboter ist extrem strapazierfähig. Die Forscher haben ihn bereits unter Wasser eingesetzt, mehrere Stockwerke runtergeworfen und sogar mit einem Auto überfahren. Der Roboter kann das ab. "Die Robustheit kommt daher, dass wir alles integriert haben. Wir haben hier unsere Steuerung drin, die auf Luftdruck und Ventilen basiert. Und ein sehr flexibles 3-D-Druck-Material“, sagt der Koordinator der Forschungsgruppe, Falk Tauber.
Durch seine Flexibilität könne sich der Roboter in Zukunft für den Einsatz in Erdbebengebieten eignen. "Er kann sich in engste Höhlungen quetschen und kann durch die Höhlungen durchgehen. Unsere Idee ist zum Beispiel, die Suche nach Verschütteten“ sagt Thomas Speck. Er leitet das Freiburger Exzellenzcluster "LivMatS“, welches seit Jahren an diesen Robotern forscht. "LivMatS“ steht für "Living, Adaptive and Energy-Autonomous Materials Systems“ - also lebensähnliche, an ihre Umwelt angepasste und energieautonome Materialsysteme.
Einsatz der Roboter in radioaktiv verstrahlten Gebieten oder unter Wasser denkbar
Biophysikprofessor Speck stellt sich vor, dass die Roboter in nuklear verseuchten Gebieten eingesetzt werden könnten: "Da wir keine Elektronik verwenden, ist unser Roboter da problemlos einsetzbar“. Herkömmliche Roboter bekämen unter diesen Bedingungen Probleme mit der elektromagnetischen Strahlung.
Auch unter Wasser funktionieren die Roboter. Die durch Druckluft gesteuerten Bewegungen sorgen dafür, dass sie sanfter zugreifen können als ihre Kollegen mit mechanischen Greifern. So könnten sie Proben entnehmen, etwa von Korallen, ohne diese zu beschädigen. Solche Arme könnten auch bei einer weiteren Erfindung des Forscherteams zum Einsatz kommen: Einem Roboter, dessen Gang durch die Stabheuschrecke inspiriert wurde. Diese Gangart eignet sich auch für unwegsameres Gelände. In Zukunft soll der Sechsbeiner seinen Oberkörper aufrichten und mit den vorderen zwei Beinen zugreifen können.
Konkurrenz für "Soft Robotics" sitzt in Harvard
Mit ihrer Arbeit ist das achtköpfige Team aus Freiburg international führend. Die Konkurrenz sitze in Harvard. Die Idee, die Roboter mit Luftdruck zu betreiben, ist aber ein Alleinstellungsmerkmal der Freiburger. Ihren Erfolg führen die Forscher nicht zuletzt auf das interdisziplinäre Team zurück: Forscher aus den Bereichen Physik, Maschinenbau und Biomechanik sind am Entwicklungsprozess beteiligt.
Ein besonderer Vorteil der so genannten "Soft Robotics“ ist die kostengünstige Produktion. Sie können ganz einfach in einem 3D-Drucker gedruckt werden. Die Materialkosten des "turtle walkers“ liegen bei sieben Euro.
Die Roboter sollen kompostierbar werden
Die Roboter werden aus demselben Material gefertigt, aus dem auch Autoreifen hergestellt werden. Sie sind so gut wie unkaputtbar. Für den Fall, dass einer Schaden nimmt, ist aber vorgesorgt. "Wir drucken das aus einem Material. Das Material kann nachher aufgeschmolzen und wiederverwendet werden. Es ist also recyclefähig“, sagt Speck. Man wolle zum Beispiel mit Polymilchsäure drucken. Dies sei kompostierbar und dann könne der Roboter quasi auf den Kompost geworfen werden, wenn er nicht mehr gebraucht wird. Daran arbeiten die Forscher bereits.
Noch hängen Schläuche an den Robotern, die die Druckluft in den Korpus pumpt. Das ist unpraktisch und schränkt den Einsatz ein. Zukünftig soll die Druckluft durch eine chemische Reaktion im Inneren des Roboters erzeugt werden.