An Silvester vor einem Jahr wurden vielerorts Böller und Raketen auf Polizeibeamte und Rettungskräfte abgeschossen - unter anderem im Raum Stuttgart, aber auch in Südbaden.
Aktuell bereitet sich die Polizei im Land auf einen verstärkten Silvestereinsatz vor. Auch das Rote Kreuz in BW rechnet sicherheitshalber mit einem "Worst-Case-Szenario", appelliert aber auch an die Rücksicht der Feiernden.
Kehler Feuerwehrmann: Tinnitus nach Feuerwerk-Attacke
Ein Feuerwehrmann aus Kehl (Ortenaukreis) hat derweil noch immer mit den den Folgen der vergangenen Silvesternacht zu kämpfen. Er war mit weiteren Kollegen ausgerückt, um einen Brand im stillgelegten Hallenbad zu löschen. Obwohl die Polizei sie absichert, werden die Rettungskräfte mit Feuerwerkskörpern attackiert.
In der Jahresschrift der Stadt Kehl wird der Vorfall so beschrieben: "Ein freiwilliger Feuerwehrmann wird gezielt mit einer Handfeuerwaffe beschossen, auf die Leuchtraketen (auch Starenschreck genannt) aufgesteckt sind. Vier Schüsse werden in rascher Folge abgegeben, die Leuchtkugeln detonieren mit lautem Knall unmittelbar in seiner Nähe. Er muss ins Krankenhaus gebracht werden."
Noch heute hat der Feuerwehrmann ein ständiges Pfeifen im Ohr. Seit der Silvesternacht leidet er an Tinnitus.
Bisher keine Hinweise für konkrete Gefahr Nach Randale und Angriffen - Polizei in BW bereitet sich auf Silvester vor
Vergangenes Silvester sind Polizisten mit Raketen beschossen worden, in Konstanz wurden vier Beamte verletzt. Dieses Jahr sollen die Einsatzkräfte verstärkt werden.
Übergriffe im Raum Freiburg auf hohem Niveau
In der vergangenen Silvesternacht haben solche Angriffe auf Einsatzkräfte bundesweit und auch in Baden-Württemberg für Diskussionen gesorgt. Das Polizeipräsidium Freiburg hatte damals zwar keine Angriffe verzeichnet. Aber über das Jahr verteilt verzeichnet man dort viele Übergriffe auf Polizeibeamte; nur im Bereich des Polizeipräsidiums Stuttgart sind die Zahlen noch höher.
2022 gab es im Raum Freiburg 544 Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte. Im Vergleich zu 2021 (567 Fälle) und 2020 (579 Fälle) ist die Anzahl zwar leicht gesunken, aber weiter auf hohem Niveau. Und die tätlichen Angriffe auf Beamte sind auf 232 gestiegen. Für 2023 gibt es noch keine gesicherten Zahlen, aber es sei mit mehr Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten zu rechnen, schätzt das Freiburger Polizeipräsidium.
Nicht nur die Polizei, auch Feuerwehr und Rettungssanitäter werden zur Zielscheibe. In 28 Fällen waren 2022 Rettungskräfte Opfer von Gewalt, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Insgesamt scheinen die Fallzahlen zwar vergleichsweise gering. Doch jeder einzelne Angriff kann zu lang anhaltenden Schäden führen.
Psychische Belastung für Einsatzkräfte
Wenn diejenigen, die zur Hilfe ausrücken, angegriffen werden, kann sie das stark belasten. Neben körperlichen Schäden kann die Gewalterfahrung den Einsatzkräften auch psychisch zusetzen. Soweit, dass manche von ihnen dienstunfähig werden.
Einige dieser Fälle landen bei Psychiater Andreas Jähne, dem Ärztlichen Direktor der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura in Bad Säckingen (Kreis Waldshut). Er berichtet, dass Einsatzkräfte immer häufiger Patienten werden. Die Gewalt gegen sie nehme zu, auch wenn die Belastungsgrenze individuell verschieden sei.
Abhilfe durch Prävention und Betreuung vor Ort
In seiner Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie werden betroffene Einsatzkräfte dabei unterstützt, mit den Gewalterfahrungen umzugehen und wieder selbstsicher in den Einsatz gehen zu können. Das meiste werde seiner Einschätzung nach aber in den Einsatzstellen selbst aufgefangen. Interventionsteams und Notfallseelsorger sprechen nach belastenden Einsätzen mit den Rettungskräften, auch der polizeiärztliche Dienst betreut die Beamten.
Daneben seien auch vorbeugende Maßnahmen hilfreich, um Gewalt zu verhindern: "Da erlebe ich durch die Zusammenarbeit mit der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen eine wunderbare Ausbildung, die unsere Polizisten vorbereitet, wie sie Situationen entschärfen, wenn Gefahren absehbar sind."