Der Kot der Nilgans ist an vielen Orten in der Region Stuttgart zu einem Problem geworden. Die Ufer-Idylle in Parks und Grünanlagen, Flächen an Beckenrändern von Schwimmbädern - sie sind voller Hinterlassenschaften der invasiven Tierart. Die Verunreinigungen durch den Dreck der Vögel nerven viele - auch überall da, wo Menschen ihre Freizeit nahe beim Wasser verbringen. Im vergangenen Sommer gab es eine große Diskussion über den Umgang mit Nilgänsen, nachdem der frühere Geschäftsführer des Freibades F3 in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) auf eigene Faust Jagd auf Nilgänse gemacht hatte.
Kot verschmiert Maschinen auf Golfplatz in Ludwigsburg
Wie viel Aufwand betrieben werden muss, um das Problem des Nilgans-Kots in den Griff zu bekommen, zeigt auch ein Beispiel aus Ludwigsburg: Auf dem Golfplatz Monrepos hat man versucht, die Lebensbedingungen für Nilgänse weniger attraktiv zu machen. "Wir haben mehrere Kilometer Zaun verlegt", sagt Mark Frederik Elsäßer, der Geschäftsführer des Golfclubs.
Ausbreitung hält an Was bringt die Jagd auf Nilgänse?
Nilgänse breiten sich in Deutschland immer weiter aus. Ihre Ausscheidungen verschandeln Grünflächen, ihr Verhalten gilt als aggressiv. Wie sollten wir mit Nilgänsen umgehen?
Viel gebracht habe das aber nicht, denn die Gänse seien "ortstreu" und würden sich schnell anpassen. Nur dank des Jägers, der auf dem Gelände im Eigentum des Hauses Württemberg gezielt wegen der Nilgans unterwegs sei, habe man die Population im Griff. Zehn bis zwölf Tiere habe man allein im letzten Winter geschossen.
Trotz des Jägers seien immer noch viele Nilgänse auf dem Areal und man habe mit dem Kot der Tiere viel zu tun. Die Maschinen des Greenkeepers seien ständig verdreckt. Bei Turnieren müsse man schon mal die Bälle umlegen, weil Flächen voller Nilgans-Kot seien. Deshalb werde weiter geschossen. Ab Mitte April sei die Jagd auf Jungtiere wieder erlaubt, heißt es aus Ludwigsburg.
Bellende Hunde helfen wenig
Auch wenn in einem 140-seitigen Leitfaden des Regierungspräsidiums Stuttgart andere Maßnahmen als Abschuss vorgeschlagen würden: Das meiste sei astronomisch teuer und helfe wenig, so Golfplatz-Chef Elsäßer. Um die Vögel zu vertreiben, wird zum Beispiel Hundegebell empfohlen. Sehr aufwändig sei das, sagt der Geschäftsführer. Zudem seien die meisten Jagdhunde darauf abgerichtet, die Vögel zu schnappen - und nicht, sie lebend zu vertreiben.
In Fellbach wurde genau dies im Sommer erfolgreich angewandt - sonst wären hier die Nilgänse im Spätsommer geschossen worden:
Theoretisch auch Drohnen-Einsatz möglich Fellbacher Nilgänse aus Schwimmbad vertrieben
Erst sollten die Nilgänse im F3-Bad abgeschossen werden, dann wurden Hunde eingesetzt - bislang mit Erfolg. Die Stadt bemängelt: Es fehlt ein Konzept zur Gänse-Bekämpfung.
Nilgänse lernen offenbar schnell
Klaus Lachenmaier vom baden-württembergischen Landesjagdverband hält deshalb Hunde, die nicht für die Jagd abgerichtet sind, für besser geeignet. Aber er räumt auch ein: Nilgänse würden schnell lernen, dass Hunde, die nur bellen, nicht zubeißen. Außerdem wird empfohlen, Eier der Nilgänse anzustechen. Doch auch das sei zu teuer. Denn nur mit speziellen Steige-Fahrzeugen komme man an die Nester auf Bäumen. Auch in Fellbach sagt man, es sei zu aufwendig und zu teuer, die Gelege der Nilgänse zu präparieren.
Vorwurf: Nilgänse fliegen von Stuttgart nach Fellbach
Auch Fellbachs Baubürgermeisterin Beatrice Soltys kritisiert viele Vorschläge von Naturschützern und höheren Behörden gegen die Tiere: Sie seien oft nicht praktikabel oder kaum finanzierbar. "Wir arbeiten mit vielen ehrenamtlichen Jägern, aber die haben nicht täglich Zeit, Nilgänse zu vergrämen oder zu jagen", gibt Soltys zu bedenken. Zudem würden Jäger immer wieder angefeindet, berichtet sie.
Außerdem lernten die Nilgänse sehr schnell: "Die merken sich sogar die Autos der Jäger." Die Vögel wüssten sehr schnell, wann wirklich geschossen werde und ließen sich vom Gebell der Hunde nicht dauerhaft vertreiben. "Die fliegen kurz auf die Bäume neben dem Freibad und kommen dann gleich zurück."
Im Fellbacher Außenbereich letzte Saison über 100 Nilgänse abgeschossen
In den letzten Monaten und Jahren habe die Zahl der Nilgänse stark zugenommen - trotz der Jagd auf Nilgänse in Fellbach. Stadtjäger und Jagdpächter hätten in der letzten Jagdsaison über 100 Nilgänse geschossen. Das gehe aber nur im Außenbereich und nicht im Freibad, da das ein "befriedeter Bereich" sei.
In Fellbach wollte man in diesem Jahr vorsorglich mehr Tiere schießen dürfen - auch nach Beginn der Schonzeit im Februar. Der Antrag wurde aber abgelehnt. Erst ab Mitte April ist die Jagd wieder erlaubt - und dann nur auf Jungtiere. Wie zu hören ist, soll dann geschaut werden, ob das die Nilgans-Zahlen merklich reduziert - und erst dann könne man zusätzliche Abschuss-Genehmigungen für ältere Tiere erneut beantragen.
Nilgänse breiten sich in Richtung Südosten aus
In Stuttgart gibt es vor allem am Max-Eyth-See und im Schlossgarten immer wieder Beschwerden über zu viel Kot von Nilgänsen. Die Ornithologin Friederike Woog vom Naturkundemuseum und ihr Team beobachten, dass die Zahl der Nilgänse weiter zunimmt, egal, wie intensiv man gegen sie vorgeht. Die invasive Art breite sich langsam vom Nordwesten Deutschlands in Richtung Südosten aus.
Vor kurzem wurden am Max-Eyth-See und in den Anlagen des Schlossgartens entlang des "Grünen U" insgesamt 176 Nilgänse gezählt, davon 10 Familien mit insgesamt 46 Jungvögeln. Noch sei es aber zu früh, um daraus Rückschlüsse auf die tatsächliche Größe der Nilgans-Population zu ziehen, so die Wissenschaftlerin. Sie beobachtet, dass möglicherweise mehr Paare brüten, aber dafür weniger Eier legen und Küken schlüpfen.
Fellbach fordert Unterstützung aus Stuttgart
Die Tiere vom Max-Eyth-See und dem Neckarufer fliegen rüber nach Fellbach, davon sind die Behörden dort überzeugt. Deshalb fordern sie, dass Stuttgart mehr gegen Nilgänse unternimmt und fühlen sich mit dem Nilgans-Problem allein gelassen. Schon vor Jahren war ein Plan für ein Management der Nilgänse versprochen worden, doch bisher liegt er nicht vor. Von Seiten der Stadtverwaltung hieß es: "Weil die Vögel nicht an den Grenzen der Stadt Halt machen, arbeiten wir in Abstimmung mit den Nachbarkommunen und dem Regierungspräsidium weiter an einem Wildtier-Managementplan."
Bisher ist unklar, wer sich über die Stadtgrenzen hinweg um das Thema kümmert. Das Regierungspräsidium sagt, die Gemeinden seien für ihre betroffenen Gebiete zuständig. Die Kommunen wiederum wünschen sich eine überörtliche Koordinierung der Anstrengungen gegen die Nilgans. Aus Fellbach heißt es, nur wenn man in Stuttgart Nilgänse vergräme und auch jage, könne man die Art in Schach halten. Und nur im Verbund mit Stuttgart und anderen Gemeinden im Kreis Ludwigsburg und dem Rems-Murr-Kreis könne man die Belastung durch Nilgänse reduzieren.
Abschuss von Nilgänsen für NABU kein Tabu
Tierschützer lehnen die Jagd auf Nilgänse eher ab. Die meisten bevorzugen sanftere Maßnahmen wie langes Gras oder Zäune in Ufernähe, um Areale für Nilgänse weniger einladend zu machen. Der Naturschutzbund (NABU) spricht sich aber nicht grundsätzlich gegen die Jagd auf Nilgänse aus. Wenn, dann sollten sie aus Gründen der Nachhaltigkeit aber vom Menschen gegessen werden, heißt es.
Das befürwortet auch der Landesjagdverband, der Schulungen zur Jagd auf Wildvögel und auch ihre Zubereitung anbietet. In der letzten Saison für die Jagd auf Nilgänse 2022/23 seien in ganz Baden-Württemberg 2.041 Nilgänse geschossen worden, so der Landesjagdverband. Und die seien sicher gegessen worden, vermutet Klaus Lachenmeier, Referent für Wildtiermanagement beim Jagdverband, "denn die schmecken ausgezeichnet". Das Fleisch sei deutlich magerer als das von Zuchtgänsen. Er liebe Gänsebraten aus eigener Jagd, sagt Lachenmeier.
PETA nimmt Nilgänse in Schutz
Die Tierschutz-Organisation PETA lehnt die Jagd auf Nilgänse hingegen grundsätzlich ab. Wenn alle anderen Maßnahmen versagten, müsse der Mensch eben lernen, mit dem Kot klarzukommen, findet der Stuttgarter PETA-Fachreferent Peter Höffken. Es sei nicht vertretbar, Wildtiere zu töten, nur weil der Kot störend sei.
Zum Schutz der Wildvögel plant PETA den Angaben zufolge neue Kampagnen. Die Organisation ruft immer wieder dort zu Protesten auf, wo die Nilgans in größerem Umfang geschossen wird. Beim Golfplatz Neckartal in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) beispielsweise habe man heftig protestiert, berichtet Höffken.
Dem Fellbacher Freibad rät die Tierschutzorganisation zum Kauf eines Kotsaugers, wie er nach Angaben von Höffken bereits in Heidelberg erfolgreich verwendet worden sei. Von Fellbacher Behörden hört man umgekehrt kritische Töne zu PETA und den Ansichten der Organisation. Die Naturschützer könnten sich aber gerne vor Ort engagieren, sagt Fellbachs Baubürgermeisterin Soltys. Im Fellbacher Freibad seien Ehrenamtliche hoch willkommen - und dort sei es ohnehin nicht möglich, die Tiere zu jagen.
Golfplatz-Betreiber hoffen auf Waschbär, Fuchs und Co
In Ludwigsburg auf dem Golfplatz Monrepos setzen die Betreiber dagegen nicht nur auf Jagd durch Menschen, sondern versuchen es auch mithilfe der natürliche Feinde der Nilgans. Dazu gehört auch der Waschbär, der ebenfalls eine invasive Art ist und sich wie Nilgänse seit einigen Jahren in Deutschland ausbreitet. Die Golfplatzbetreiber bauen kleine Holzstege, damit Waschbären und andere Raubtiere, sogenannte Prädatoren, besser zu Inselchen gelangen, auf denen Nilgänse brüten.
Andernorts wird auch der Zugang zu Nilgans-Nestern freigelegt, damit Füchse, Marder und andere Eierjäger es leichter haben. Doch die Stuttgarter Vogelexpertin Friederike Woog hat Zweifel, ob das viel bewirkt. Denn Nilgänse brüten - anders als Graugänse - weit verteilt, häufig auf Bäumen. Damit sind sie sowohl für Menschen als auch für andere Tiere schwierig zu erlegen.