Riesen-Tunnel soll Stauproblem lösen

"Grüner Tunnel" in der Region Stuttgart: Unternehmen setzen sich für unterirdische Nord-Ost-Umfahrung ein

Stand

Von Autor/in Christoph Ulmer

Rund 50 Unternehmen setzen sich mittlerweile für einen gigantischen Tunnel ein. Er soll von Kornwestheim über Waiblingen-Hegnach bis nach Fellbach reichen. Kosten: 1,6 Milliarden Euro.

In der Region Stuttgart soll ein sogenannter "Grüner Tunnel" das Stauproblem lösen. Morgens und abends brauchen Autofahrer rund um Kornwestheim, Remseck am Neckar (beides Kreis Ludwigsburg), Fellbach und Waiblingen (beides Rems-Murr-Kreis) oft sehr viel Geduld. Die Staus im Nordosten Stuttgarts sind, zumindest in der Hauptverkehrszeit, auch im Vergleich mit anderen Ballungsgebieten in Deutschland auffällig hoch. Das zeigte vor Jahren schon ein Faktencheck des Landesverkehrsministeriums. Eine Initiative rund um den Unternehmer Rüdiger Stihl will das seit Jahren ändern und macht verstärkt Druck.

"Grüner Tunnel" bei Stuttgart: Initiative macht sich stark

Angetrieben von Rüdiger Stihl wächst die Initiative: Mittlerweile seien es rund 50 Unternehmen - von Bosch über Mercedes und Trumpf bis hin zu Mahle, der LBBW und dem VfB Stuttgart - die Pläne für einen weitgehend unterirdischen Nord-Ost-Ring unterstützen. Sie nennen das Ganze "Grüner Tunnel". Die aktuelle Kostenschätzung liegt bei 1,6 Milliarden Euro.

Ein mehr als zehn Kilometer langer, vierspuriger Tunnel soll entstehen, eine Tangentialverbindung zwischen Fellbach und Kornwestheim. Die Initiative hat dafür viel Geld in die Hand genommen und eine detaillierte Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Dazu kommt die Werbekampagne mit Großplakaten und Zeitungsannoncen. Stihl und die Unterstützer setzen sich zudem auch persönlich ein. Sie werden derzeit beispielsweise in den Gemeinderäten der betroffenen Städte und beim Verband der Region Stuttgart vorstellig, um für den Riesen-Tunnel zu werben.

Der Grüne Tunnel verbindet den Wunsch nach deutlicher Verkehrsentlastung mit der Versöhnung von Ökologie und Ökonomie.

Vorteile aus Sicht der Initiative

Für die Befürworter des unterirdischen Nordost-Rings sind die Vorteile klar: Weniger Stau für Pendlerinnen und Pendler, weniger Durchgangsverkehr für die Menschen in Remseck, Waiblingen, Fellbach und Kornwestheim und effizientere Warentransporte für Unternehmen der Region. Für Remseck beispielsweise prognostizieren die Befürworter eine Entlastung um 16.000 Autos pro Tag. Menschen und Waren stünden weniger im Stau und auch die Anbindung an den Güterbahnhof Kornwestheim wäre verbessert, sagen die Befürworter.

Mehr als zwei Tage Zeitverlust Stau in Baden-Württemberg: In Stuttgart stehen Autofahrer am längsten

Deutsche Autofahrer stehen im Schnitt 43 Stunden pro Jahr im Stau. In Stuttgart verliert man sogar noch mehr Zeit. Besser läuft der Verkehr in Aalen und Villingen-Schwenningen.

Die umliegenden Gemeinden sollen mit "flächensparenden Anschlüssen" an den "Grünen Tunnel" angebunden werden. Fünf Anschlüsse sind geplant. Zwischen den Tunnelportalen in Kornwestheim und Fellbach soll es demnach Tunnelabzweigungen für Remseck und Aldingen, für Waiblingen-Hegnach und die Waiblinger Kernstadt geben.

Alles nur Greenwashing? Gegner befürchten noch mehr Verkehr

Die Gegner, beispielsweise die Stadt Fellbach, stellen sich vehement gegen das Projekt. Sie fürchten trotz der Tunnel-Lösung um fruchtbare Böden wie dem sogenannten Schmidener Feld. Böden, auf denen offenbar schon vor tausenden Jahren Ackerbau betrieben wurde. Außerdem befürchten sie, dass mehr Straßen nicht die Lösung bringen, sondern einfach nur mehr Verkehr. Sie sprechen von einem "grün gewaschenen Straßenbauprojekt".

Der Straßenbau würde eine der letzten Freiflächen im Norden Fellbachs vernichten, unsere Bevölkerung über Jahre oder Jahrzehnte mit Baustellen belasten, hochwertige Böden vernichten und gefährdeten Tier- sowie Pflanzenarten die Lebensgrundlage entziehen.

"Grüner Tunnel": Planung wäre möglich

Als oberirdischer Trassenverlauf ist der Nordost-Ring im Bundesverkehrswegeplan unter "weiterer Bedarf mit Planungsrecht" verankert. Er hat volkswirtschaftlich gesehen selbst als oberirdische Trasse schon ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das Land könnte also mit den Planungen beginnen. Allerdings, eine oberirdische Trasse, das will kaum jemand mehr. Denn oberirdisch würde viel zu viel Boden zerstört, Fläche versiegelt, Naturräume auseinandergerissen.

Die Initiative rund um Rüdiger Stihl setzt sich explizit nur für eine Tunnel-Lösung ein. Nach Plänen der Initiative soll die eine Hälfte des Tunnels in offener Tunnelbauweise gebaut werden. Dafür müsste der fruchtbare Boden erst abgetragen und später wieder aufgetragen werden. Auf der anderen Hälfte soll der Tunnel bergmännisch gegraben und dann ohne größere Verwerfungen an der Erdoberfläche zurückgeführt werden.

Baden-Württemberg macht derzeit von Planungsrecht keinen Gebrauch

Allerdings macht das Land Baden-Württemberg derzeit von seinem Planungsrecht keinen Gebrauch. Der Hintergrund: Ein Nordost-Ring wurde auch nur als "weiterer Bedarf mit Planungsrecht" eingestuft. Es gibt aber Maßnahmen, die vom Bund in Baden-Württemberg im "vordringlichen Bedarf" eingestuft wurden, diese seien wichtiger. Wegen der weiterhin nachrangigen Priorisierung innerhalb der Bundesvorhaben gibt es derzeit seitens des Landes keine Planung des Vorhabens.

Die Befürworter eines Tunnels setzen ihre Bemühungen dennoch fort, intensivieren sie sogar. Sie sehen durch das bundesweite Infrastrukturpaket, für das Milliarden an Schulden aufgenommen werden sollen, neue finanzielle Möglichkeiten - nach der Landtagswahl dann.

Mehr als zwei Tage Zeitverlust Stau in Baden-Württemberg: In Stuttgart stehen Autofahrer am längsten

Deutsche Autofahrer stehen im Schnitt 43 Stunden pro Jahr im Stau. In Stuttgart verliert man sogar noch mehr Zeit. Besser läuft der Verkehr in Aalen und Villingen-Schwenningen.

Stuttgart

Die Woche in der Region Stuttgart Wochenrückblick: Oldtimer-Skandal und Verkehrschaos - Willkommen daheim

Gibt es in Zukunft keine Oldtimer mehr? Wie komm ich bei den Streckensperrungen der Bahn durch die Gegend? Wie komm ich durch die Staus am Wochenede? Das alles im Wochenrückblick.

Kommentare (10)

Bisherige Kommentare
10

Die Kommentarfunktion zu dieser Seite wurde geschlossen.

  1. Kommentar von
    Ulrich Pfeiffer
    Verfasst am

    Grüner Tunnel , das kann man als Wolf im Schafspelz verstehen. wie wäre es mit einer S-Bahn-Verbindung auf der Strecke? Autos im Ländle sind ja eh rückläufig

  2. Kommentar von
    Archie Mauchripf
    Verfasst am

    Bringt die Leute durch ein vernünftiges Angebot auch in der Fläche und pünktliche Züge auf die Bahn. Ausbau ÖPNV statt neuer Straßen

  3. Kommentar von
    Resi Kniert
    Verfasst am

    Ein Projekt für alle, die nach S21 noch nichts kapiert haben. Viel Spaß und nicht plärren, wenn ihr euch nach ein paar Jahren genauso verrannt habt!

  4. Kommentar von
    Finescu
    Verfasst am

    Ich persönlich finde diese Idee sehr gut, zeigt sie doch, dass im Land noch Kräfte existieren die Zielorientiert denken und etwas schaffen möchten. Indes, die Realität in Deutschland ist eine andere, bis dieses Vorhaben genehmigt wird und die Bauarbeiten beginnen könnten wird es ca. das Jahr 2075 sein und niemand weiß was dann sein wird.

  5. Kommentar von
    Gassi
    Verfasst am

    Das Thema ist lang schon im Gespräch - jedoch ohne Erfolg. Hauptsächlich der Schwerlastverkehr würde profitieren, denn dann bräuchten die nicht mehr über die B10 und die Prag fahren. Unter dem Strich würde das Verkehr über Stuttgart anziehen, der sonst über andere Straßen flösse.

  6. Kommentar von
    Andreas Müller
    Verfasst am

    Eine Verbindung "Nord-Ost" ist meiner Meinung nach absolut notwendig und überfällig! Und wenn Diese auch noch unterirdisch machbar ist, und somit das in Fellbach so "heilige" Schmidener Feld sogar unterquert, kann ich die Ablehnung nicht verstehen. Beim Kappelberg Tunnel und der B14, die definitiv landschaftliche Einschnitte verursachten, war die Empörung damals in Fellbach nicht so groß. Natürlich erst recht nicht in den Stadtteilen Schmiden und Oeffingen...

  7. Kommentar von
    Erik Winckler
    Verfasst am

    Dieser Wahnsinn ist eine Mogelpackung. Durch offene Bauweise wird Land zerstört, zudem dient er ausschießlich dem mobilen Individualverkehr und den egoistischen Egos alternder Industriepatriarchen. Mit Ideen aus dem 20. Jahrhundert kann man Verkehrsprobleme heute nicht lösen. Binsenweisheit: Neue Straßen ziehen neuen Verkehr an. Klar, dass autozentrierte Firmen so einen Quatsch unterstützen. Die Lösung lautet: Massive Reduktion des MIV, Intensiver Ausbau des ÖPNV und Güterverkehrs auf der Schiene. Oder warum nicht auch mal Straßen zurückbauen und das Straßennetz ausdünnen?

  8. Kommentar von
    Oki
    Verfasst am

    Tangentialverbindungen um Stuttgart herum sehe ich grundsätzlich positiv, egal ob Auto- oder Bahnverbindungen - am besten beides. Das hätte man z.B. mit dem S-Bahn-Ringschluss Flughafen - Wendlingen - Plochingen längst machen müssen, aber das war ja unerwünscht um das ach so "alternativlose" S21 nicht für die breite Öffentlichkeit als obsolet zu demaskieren.

  9. Kommentar von
    Nevermind
    Verfasst am

    Nette Idee, aber leider sprichwörtlich zu kurz gedacht. Das Ding muss an der A81 mit der Nord-Süd Verbindung anfangen und dann bis zur B10/14/29 reichen. Flickwerk gibt nur die Verlagerung von Staus ins nächste Stadtteil. Grundsätzlich wird nur das Umland den Stuttgarter Kessel vor dem absehbaren Verkehrskollaps retten können, das sollte die Landeshauptstadt endlich einmal einsehen. Und wenn wir schon mal dabei sind - die Bahngleise parallel dazu nicht vergessen.

  10. Kommentar von
    Claudia
    Verfasst am

    1. "Grüner Tunnel" - was für eine Formulierung; klingt wie "frauenfreundliches Bordell". 2. Stauproblem lässt sich lösen, wenn Autofahrer Fahrgemeinschaften bilden: doppelte Anzahl an Personen pro Auto, 50% weniger Autos, gleichbleibende Mobilität (bei weniger Flexiblität, weil man sich absprechen muss), fast keine Staus.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent. 

Südwesten

Aktuell, regional, multimedial Die SWR Aktuell-App - Nachrichten auf Handy und Tablet

Die SWR Aktuell-App bringt aktuelle und regionale Nachrichten aus dem Südwesten aufs Smartphone und Tablet. Alle Details zur App und die Links zum Download gibt es hier.

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.