Am Sonntag enden die Visa der Menschen aus der Türkei und Syrien, die nach den Erdbeben im Februar in der Türkei und Syrien durch ein vereinfachtes Visumverfahren nach Deutschland eingereist sind. Die Türkische Gemeinde Baden-Württemberg fordert, dass die Einreiseerlaubnisse verlängert werden. In den türkischen Krisengebieten lägen teilweise noch viele Trümmer und viele Häuser seien noch nicht einmal abgerissen.
Türkin aus Aalen bereits auf dem Heimweg in zerstörtes Gebiet
Mithat Basaran aus Aalen (Ostalbkreis) ist besorgt. Am Freitag befindet sich seine Schwester, die 67-jährige Nazha Yildiz, bereits auf dem Weg in ihre Heimatstadt Antakya (Türkei). Bei den Erdbeben im Frühjahr wurde die Stadt wenige Kilometer südlich der syrischen Grenze fast vollständig zerstört. Mithat Basaran besuchte die Stadt erst vor wenigen Tagen, um zu sehen, welcher Ort seine Schwester erwartet. "Ich hatte drei Wochen Urlaub, aber nach fünf Tagen habe ich es nicht mehr ausgehalten."
Das Haus, in dem seine Schwester gelebt hatte, sei noch nicht einmal abgerissen. "Es gibt Container und Zelte, dort ist es extrem heiß. In den Zelten herrschen über 40 Grad", sagte Mithat Basaran im SWR-Interview. Er fürchtet, dass seine Schwester durch den Anblick ihrer zerstörten Heimat traumatisiert wird. "Meine Schwester ist nach dem dritten Tag geflüchtet. Seitdem hat sie noch nicht gesehen, wie es vor Ort aussieht", Mithat hält inne: "Es erwartet sie etwas Schlimmes."
Ämter in Baden-Württemberg seien nicht zuständig
Familie Basaran fühlt sich von der deutschen Regierung im Stich gelassen. Mithat Basaran habe sich an unterschiedliche Stellen gewandt und sowohl Kontakt mit der Landeshauptstadt Stuttgart als auch mit den Ämtern in Berlin gehabt. Nicht nur um das Visum seiner Schwester, sondern auch die von Angehörigen anderer Familien verlängern zu lassen. Immer wieder habe er die Antwort erhalten: "So ist nun mal das Gesetz, da können wir nichts machen."
Warum Nazha nun in eine zerstörte Heimat zurückreisen muss, kann bei Familie Basaran niemand verstehen. "Sie lebt bei uns. Wir kümmern uns um sie. Sie kostet den Staat keinen Cent, für sie muss kein Wohnraum gefunden werden. Es gibt keinen vernünftigen Grund, aus dem sie nicht bei uns bleiben kann."
Auswärtiges Amt Berlin: "Nun reicht das normale Visaantragsverfahren"
"Eine Verlängerung der Visaerleichterung ist nicht geplant. Wir haben einen starken Rückgang von Visa für Betroffene der Erdbeben festgestellt. Aus unserer Sicht reicht nun das normale Visaantragsverfahren, um den Wünschen der Betroffenen Genüge zu leisten", hieß es aus dem Auswärtigen Amt.
Aus Sicht von Mithat Basaran ist das eine Ausrede: "Die Befürchtung ist, dass die Geflüchteten nicht in ihre Heimat zurückkehren werden. Aber das ist absolut falsch. Von denen möchte niemand in Deutschland leben. Die Menschen hatten zu Hause große Häuser, ihre Familien und eine Heimat. Wenn ihre Heimat wieder bewohnbar ist, wollen sie zurück. Aber das ist eben noch nicht der Fall." Kritik an der Visa-Vergabe im Anschluss an die Erdbeben gab es bereits früh.
Türkische Gemeinde BW fordert flexible Lösung
Eine Verlängerung der Visa fordert auch die Türkische Gemeinde Baden-Württemberg in Stuttgart. "Wir sind dankbar, dass es eine Erleichterung gab. Wir hatten gehofft, dass wir alles innerhalb von sechs Monaten schaffen, leider war das nicht möglich", erklärte Gökay Sofuoğlu aus dem Vorstand des Vereins.
"Eine erneute Verlängerung wäre eine riesige Erleichterung für die Menschen. Dann wäre etwas mehr Sicherheit, um die Abläufe zu koordinieren", sagte Sofuoğlu. Die türkische Regierung habe kürzlich neue Schritte in der Koordination genommen. "Damit wüssten die Leute, die zurückreisen müssen, worauf sie sich in ihrer Heimat einstellen müssen."
Antakya: Weit entfernt vom Wiederaufbau
An Wiederaufbau sei in Antakya noch längst nicht zu denken. "Viele einsturzgefährdete Häuser wurden noch nicht abgerissen. Große Teile der Stadt sind noch voller Schutt und Trümmer", erklärte Mithat Basaran, der die Stadt kürzlich besuchte. Für die Opfer der Erdbeben seien Notunterkünfte in Form von Containern und Zelten aufgestellt worden.