Lange Schlange vor dem Bürgerbüro Stuttgart-Mitte

Personalnot und viele Geflüchtete

Stuttgart: Dramatische Zustände bei der Ausländerbehörde

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Wer in Stuttgart aufs Amt muss, muss sehr viel Geduld mitbringen. Bei der Ausländerbehörde ist die Situation inzwischen jedoch nicht nur wegen der langen Wartezeiten höchstdramatisch.

Lange Schlangen vor den Stuttgarter Ämtern sind leider immer noch an der Tagesordnung. Die Stadt Stuttgart hat bei ihren Behörden weiterhin ein Personal-Problem. Zudem gibt es viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit ausländischen Wurzeln und viele Geflüchtete, die die Dienste der Ämter brauchen. Bei der Ausländerbehörde in Mitte führt das inzwischen zu dramatischen Szenen. Viele würden am liebsten in der Eberhardstraße übernachten:

Nicht nur die Wartezeiten sind ein Problem. Viele Bürgerinnen und Bürger werden von Security-Mitarbeitern direkt morgens abgewiesen, weil es nur wenige Tickets für die Schalter gibt. Manche Menschen müssen regelmäßig wieder weggeschickt werden, weil sie einfach zu spät dran seien, sagen Security-Leute. Sie stehen dann stundenlang in der Schlange bei Hitze, Kälte, Wind oder Regen, und am Ende müssten sie wieder nach Hause. Am nächsten Tag dann das Gleiche wieder von vorne.

Bei sehr vielen geht es aber um nichts weniger als die Existenz. Persönliche Angelegenheiten, die sie in einem bestimmten Zeitraum geregelt haben müssen: Passverlängerung, Ummeldung, Fiktionsbescheinigung, Arbeitserlaubnis, Aufenthaltstitel. Sonst drohen Abschiebung, Verlust des Jobs, eine Wohnung nicht zu kriegen, kein Geld fürs Kind zu bekommen und noch viel mehr Probleme.

"Ich verliere vielleicht meinen Job wieder ohne Dokumente"

"Ich habe einen Job bekommen und gerade den Arbeitsvertrag unterschrieben", sagt eine Frau aus Brasilien, die gerade zurückgewiesen wurde. "Jetzt braucht die Firma eine Fiktionsbescheinigung oder einen Aufenthaltstitel. Aber ich kann das Dokument nicht so schnell bekommen. Vielleicht verliere ich die Arbeitsstelle dann wieder." Und während sie das erzählt, kommen ihr die Tränen. Sie war schon mehrfach da, auch direkt um 5 Uhr. Auch ihr deutscher Freund hatte versucht, einen Termin für sie zu bekommen. Sie habe viel Geld und viel mehr investiert, um nach Deutschland zu kommen und hier bleiben zu können.

Security-Personal soll Situation beruhigen

Auch das vor dem Amt eingesetzte Security-Personal nimmt die Situation mit. Einer, der Prellbock in dieser Gemengelage ist, ist Hans Kunz. Eigentlich ein Mann, den so schnell nichts umhauen kann. Mitte 50, stämmiger Typ, sicheres Auftreten. Einer, mit dem man sich nicht anlegen will, der aber auch mal mit den Wartenden scherzt und überall versucht zu beruhigen. Kunz ist Mitarbeiter einer Stuttgarter Sicherheitsfirma. Normalerweise sorgt er für die Sicherheit bei Fußball-Spielen oder bewacht Supermärkte. "Man sieht hier Schicksale, die es so nicht geben dürfte", sagt er.

Security-Mitarbeiter Hans Kunz
Security-Mitarbeiter Hans Kunz

"Mittlerweile nehme ich es nicht mehr mit heim. Am Anfang war das anders. Man sieht hier Schicksale und Vorgänge, die so schlicht nicht sein dürften."

Untragbare Zustände für Mitarbeitende und Kunden

Seit zwei Jahren schon steht Hans Kunz gemeinsam mit drei weiteren Kollegen am Eingang zu Bürgerbüro und Ausländerbehörde. Die Schlange vor der Tür ist an den meisten Tagen mehrere hundert Meter lang, sagt er, manchmal auch länger. Nicht selten hätten Menschen schon vor der Tür campiert. Die Situation sei auch für ihn belastend. Es fehle einfach Personal, so Kunz.

"Was hier fehlt, ist Personal. Die Leute, die da sind, arbeiten bis an die Grenze. Und die Leute, die nicht da sind, kann man nicht ersetzen."

Verantwortung liegt bei der Stadt Stuttgart

Die Stadt Stuttgart ist verantwortlich für den Betrieb der Bürgerbüros und der Ausländerbehörde in Stuttgart. Auch hier weiß man: Das Problem ist kein neues. Seit Jahren wiederholen sich die Bilder, seit Jahren gibt es die langen Schlangen mit verzweifelten Menschen, die dringend auf ihre Dokumente warten. Seit Jahren schimpfen die Mitarbeitenden, sie würden von der Stadtverwaltung allein gelassen.

Auf Anfrage des SWR wollte sich die Stadt aktuell nicht zur Situation äußern und verweist auf eine Taskforce, die sich mit den Problemen befassen soll. Sie tagt alle vier bis acht Wochen, gibt die Stadt an. Dort würden konkrete Verbesserungsschritte wie Personal-Gewinnung und Ausstattung der Bürgerbüros besprochen sowie weitere Maßnahmen vereinbart.

Personalsituation nur minimal verbessert

Die Situation wird sich allerdings nur sehr langsam verbessern können. Vier andere Bürgerbüros in Stuttgart sind derzeit geschlossen. Insgesamt 41 Stellen im Ordnungsamt, das für die Bürgerbüros und die Ausländerbehörde zuständig ist, sind unbesetzt. Die Stadt braucht dringend mehr Personal. Gleichzeitig steigen die Anforderungen und die Fallzahlen vor allem für die Ausländerbehörde. Denn die Zahl der Geflüchteten ist drastisch angestiegen. Die Stuttgarter Bevölkerung ist zuletzt wieder gewachsen.

Entspannung mit Digitalisierung?

Am Mittwoch gab die Stadt Stuttgart bekannt, dass im Bürgerbüro Mitte demnächst Terminals zur digitalen Beantragung von Ausweisdokumenten erprobt würden. Bürgerinnen und Bürger könnten eine neu entwickelte Technik zur Aufnahme digitaler Bilder testen. Zudem erfassten die Geräte Fingerabdrücke für Ausweisdokumente sowie digitale Unterschriften. Stuttgart ist laut eigenen Angaben eine von bundesweit acht Behörden, in denen die neuen Geräte der Bundesdruckerei erprobt werden. Eigentlich sollte die Digitalisierung der Behörden schon weiter vorangeschritten sein.

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