Der Steuerzahlerbund erhebt schwere Vorwürfe gegen die Finanzpolitik in Baden-Württemberg. Die grün-schwarze Landesregierung habe 2019 und in den Pandemiejahren ab 2020 insgesamt 23,6 Milliarden Euro an Verschuldungsrechten angehäuft, die sie gar nicht brauche, sagte Professor Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg am Mittwoch. Er hat im Auftrag des Steuerzahlerbundes die Studie zum Thema erstellt.
Zu Beginn der Corona-Krise habe man sehr hohe Steuereinnahmen gehabt, sagte Raffelhüschen zur Begründung. Seiner Ansicht nach hätte das Land deshalb die Schuldenbremse während der Pandemie halten können, stattdessen seien zusätzliche Kredite bewilligt worden, kritisierte er. Raffelhüschen sprach von einem "24-Milliarden-Euro-Hamstervorrat".
Die Schuldenbremse gilt in Baden-Württemberg seit Anfang 2020. In Ausnahmefällen, wie unvorhergesehenen Notlagen und konjunkturellen Einbrüchen, erlaubt sie trotzdem die Aufnahme von Krediten.
Finanzministerium: schon viel Geld für Corona-Maßnahmen ausgegeben
Vom grün-geführten Finanzministerium ernteten die Finanzexperten Widerspruch. Ein Sprecher betonte, die Corona-Kredite und die aufgeschobenen Kreditermächtigungen im Haushalt seit 2019 müssten getrennt betrachtet werden. Außerdem seien die Kreditoptionen entscheidend dafür gewesen, dass "das Land in der Pandemie handlungsfähig war“, so der Sprecher. Dass das Land mit aufgeschobenen Kreditermächtigungen Geld hamstere, wies das Ministerium zurück. Die Notlagenkredite müssten im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen ausgegeben werden und das sei auch schon passiert.
Ein Großteil der Milliarden-Schulden sei zur Bewältigung der Pandemie und der Wirtschaftskrise ausgegeben worden. So habe man mit dem Geld zum Beispiel die Impfzentren bezahlt, die Kommunen gestützt und Steuermindereinnahmen abgepuffert.
Wie viel Geld von den Krediten bislang konkret ausgegeben wurde, könne noch nicht ermittelt werden, da es noch keine "Endabrechnung" aller Corona-Maßnahmen gebe. Der Sprecher verwies auf Lieferkettenprobleme oder die Forschung zu Long-Covid.
Finanzexperten fordern Verfallsdatum für nicht verwendete Kreditermächtigungen
Der Freiburger Finanzexperte Raffelhüschen warnte die Landesregierung davor, die noch nicht verwendeten Verschuldungsrechte einzulösen. Da müsste das Land heute deutlich mehr Zinsen zahlen als in den vergangenen Jahren. Für die Kreditoptionen, die noch nicht verwendet wurden, schlug Raffelhüschen eine Art Verfallsdatum vor. Ermächtigungen dürften nicht einfach von Jahr zu Jahr übertragen werden. Hier müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Der Steuerzahlerbund könnte sich eine Frist von bis zu maximal zwei Jahren vorstellen. Jedes verschuldete Recht, das nicht gezogen werde, müsste dann fallen, sagte Eike Möller vom Bund der Steuerzahler.
Das Finanzministerium lehnte den Vorstoß ab. Aufgeschobene Kreditermächtigungen könnten kein Verfallsdatum haben, denn sie seien Mittel für Verpflichtungen, die das Land eingegangen sei.
Opposition kritisiert grün-schwarze Finanzpolitik
Jahrelang habe das Land Jahresüberschüsse produziert und eingeplante Kredite nicht benötigt, diese Schuldenrechte blieben aber bestehen und häuften sich auf, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stephen Brauer. Mit Kreditrechten fast in Höhe eines halben Jahreshaushalts hebele man den Landtag als Haushaltsgesetzgeber aus.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD, Nicolas Fink warf der Landesregierung fehlende Bereitschaft vor. "Das Land hamstert munter Milliarden vor sich hin, aber an allen Ecken und Enden brennt es lichterloh", kritisierte Fink.