Für die einen ist es ein Kavaliersdelikt, für die anderen bleibt es eine Straftat: Schwarzfahren in Bussen und Bahnen. Der Karlsruher Gemeinderat ist dafür, das Fahren ohne Ticket zu entkriminalisieren. Das plant auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Rahmen der geplanten Reform des Strafgesetzbuches.
Aus Sicht des baden-württembergischen Städtetags sollte das Fahren ohne Ticket in Bussen und Bahnen ein Straftatbestand bleiben. "Sonst zahlen die Rechtschaffenen für die mit, die gegen Regeln verstoßen. Jeder, der schwarz fährt, tut dies auf Kosten desjenigen, der neben ihm sitzt und gezahlt hat", sagte Susanne Nusser, Verkehrsdezernentin des baden-württembergischen Städtetags, der Deutschen Presse-Agentur.
Mehr Belastung für Kommunen
Schwarzfahren als Kavaliersdelikt zu betrachten und als Ordnungswidrigkeit herunterzustufen, würde die Probleme den Kommunen zuschieben. Statt Staatsanwaltschaften und Gerichten müssten dann Bußgeldstellen Verfahren führen. "Das würde einen großen Aufwand bedeuten. Das wollen wir nicht", so Nusser. Würde man Schwarzfahrern nicht verfolgen, würden den Städten im Land nach Schätzung Nussers hohe zweistellige Millionenbeträge entgehen. Geld, das nach Ansicht des Landkreistags dringend gebraucht wird, um die Verkehrswende voranzutreiben.
Die Verkehrsbetriebe und der Landkreistag gehen zudem davon aus, dass bei einem Anzeigenverzicht die Schwarzfahrerquote steigt. Fehlende Einnahmen müssten dann von der Allgemeinheit bezahlt werden - über höhere Ticketpreise oder über den städtischen Haushalt.
Bislang Freiheitsstrafe oder Geldstrafe möglich
Wer sich eine Fahrt ohne Ticket "in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten", muss nach Paragraf 265a Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe rechnen.
Ins Gefängnis kommen jedoch die wenigsten. Nach Angaben des baden-württembergischen Justizministeriums verbüßten zum Stichtag 25. Mai 2023 im Land zwölf Gefangene eine Freiheitsstrafe wegen Erschleichens solcher Leistungen. Nach einer älteren Erhebung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) verbüßen um die drei Prozent der angezeigten Personen eine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe wegen Schwarzfahrens.
Schwarzfahren soll zu einer Ordnungswidrigkeit werden
Das Bundesjustizministerium will Schwarzfahren zu einer Ordnungswidrigkeit herabstufen. Ein Entwurf soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden. Eine Mehrheit von Linken, Grünen und SPD im Karlsruher Gemeinderat will schon vorher auf Anzeigen verzichten. Selbst wenn es künftig keine Anzeigen mehr geben würde, könnte ein Schwarzfahrer dennoch zur Kasse gebeten werden - im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit. Es gäbe dann allerdings keine Haftstrafen mehr fürs Schwarzfahren.
Niemand dürfe wegen Schwarzfahrens ins Gefängnis kommen, argumentieren die Befürworter. Wer ohne gültigen Fahrschein unterwegs ist, sei häufig arm oder in einer schwierigen Lebenssituation, betonen die Linken im Karlsruher Gemeinderat. Eine Freiheitsstrafe für Menschen, die nicht zahlen könnten, stehe dem Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts entgegen. Befürworter führen auch an, dass ein Verzicht auf Strafanzeigen Justiz und Ermittlungsbehörden entlasten würde.
Das jedoch könnte aus Sicht des baden-württembergischen Justizministeriums ein Trugschluss sein: Bei einer Ordnungswidrigkeit würden Zuständigkeiten nur auf die Verwaltungsbehörden verlagert - und für Generalstaatsanwaltschaften und Oberlandesgerichte könnte es bei Rechtsbeschwerden sogar Mehrbelastung bedeuten.
Schwarzfahrer bedeuten Millionenverlust für Verkehrsbetriebe
Ohne Ticket ist zwar nur eine kleine Minderheit in Bussen und Bahnen unterwegs, doch die Folgen sind immens: So bedeutet eine Schwarzfahrerquote von etwa drei Prozent bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) schon jetzt ein Einnahmeverlust von mehreren Millionen Euro. Bei einem Anzeigenverzicht würde nach Befürchtung der VBK die Zahl der Verstöße deutlich steigen.
Auch in Mannheim rät das Verkehrsunternehmen davon ab, die Sanktionsmöglichkeiten zu stark zurückzufahren. Fahrgeldeinnahmen seien eine wichtige Finanzierungssäule des ÖPNV. In Mannheim liegt die Schwarzfahrerquote bei einem Prozent. Die Stadt Mannheim führt den Rückgang bei Beanstandungen auch auf das Deutschlandticket zurück. Es sei ein sehr günstiges ÖPNV-Angebot.
In Heilbronn liegt die Schwarzfahrerquote bei etwa 3,5 Prozent. Dort befürchtet man, dass bei einer Entkriminalisierung die Hemmschwelle deutlich sinken und sich die Quote verdoppeln könnte.