Einigung von Union, SPD und Grünen

Finanzpaket steht: Kretschmann zufrieden, Kritik von der FDP

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Hannah Vogel
SWR-Redakteurin Hannah Vogel

Nach zähen Verhandlungen haben sich Union, SPD und Grüne im Bund auf ein Investitionspaket geeinigt. BW-Ministerpräsident Kretschmann steht dahinter. Die FDP im Land übt Kritik.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) begrüßt die Einigung von SPD, Union und Grünen auf ein enormes schuldenfinanziertes Investitionspaket. Er sei froh über die Einigung, teilte Kretschmann am Freitag mit. "Das beweist die Handlungsfähigkeit der beteiligten Akteure und ist ein wichtiges Signal Deutschlands an Europa, was in der aktuellen Weltlage notwendiger ist denn je." Weil die Schuldenbremse im Hinblick auf die Verteidigungsausgaben faktisch für die nächsten zehn Jahre aufgehoben sei, könne man nun an der eigenen Sicherheit arbeiten.

Die Grünen würden damit staatspolitische Verantwortung übernehmen und selbst als künftige Oppositionsfraktion eine mögliche künftige Bundesregierung stützen, sagte Kretschmann. "Das zeigt wahre Größe." Die Zeitenwende erschöpfe sich aber nicht im Finanziellen, sie müsse auch eine politische und mentale Umstellung in Politik und Gesellschaft nach sich ziehen. "Diese schwierigen Zeiten erfordern Kooperation und Verantwortungsbewusstsein aller handelnden Akteure."

Union, SPD und Grüne hatten sich zuvor nach zähen Verhandlungen auf einen Kompromiss für die geplanten Grundgesetzänderungen zur Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und zur Einrichtung eines 500 Milliarden Euro großen Infrastrukturtopfes verständigt. Davon sind 100 Milliarden Euro für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft vorgesehen, was über den bestehenden Klima- und Transformationsfond geregelt werden soll. Darauf hatten die Grünen gepocht. Weitere 100 Milliarden Euro sind für die Länder reserviert. Ebenfalls auf Druck der Grünen wurde laut Merz festgelegt, dass aus den Infrastruktur-Milliarden zusätzliche und nicht bereits geplante Vorhaben finanziert werden. Für die Umsetzung sind in Bundestag und Bundesrat Zweidrittelmehrheiten erforderlich.

BW-Ministerpräsident: Sondervermögen nicht für Haushaltslöcher

Eine wichtige Forderung der Grünen sei die Klarstellung gewesen, dass das Sondervermögen nicht für konsumtive Ausgaben oder zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden soll, sondern für tatsächliche und zukunftsfähige Investitionen in der Infrastruktur, so der Regierungschef. "So kann ein großer Sanierungsstau und Nachholbedarf aufgearbeitet werden", sagte Kretschmann im SWR. Wichtig sei auch, dass für Klimaschutz und die kommunale Wärme- und Energiewende eine beachtliche Summe aus dem Sondervermögen vorgesehen sei.

Auch die Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit der Einigung. Sie bedauere jedoch, dass nicht mehr Gelder für die Bundesländer erreicht werden konnten. "Es war auch schade, dass nur die Grünen dafür gekämpft haben und nicht die CDU- und SPD-geführten Bundesländer", sagte Brantner, die ihren Wahlkreis in Heidelberg hat. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte am Wochenende gemeinsam mit zwei Ministern aus anderen Bundesländern gefordert, den Anteil des Sondervermögens für die Länder zu verdoppeln. "Wir haben aber sichergestellt, dass jetzt überhaupt Geld an die Bundesländer und Kommunen fließen kann", sagte Brantner im SWR.

BW-Finanzminister fordert weiter mehr Geld für Länder und Kommunen

Danyal Bayaz hält auch nach der Einigung grundsätzlich an seiner Forderung nach mehr Geld fest. Man habe einen höheren Anteil der Länder und Kommunen am Sondervermögen für notwendig gehalten, teilte Bayaz am Freitag dem SWR mit. "Insofern werden wir weiter bei der Bundesregierung darauf drängen, Länder und Kommunen ausreichend zu unterstützen, da doch hier der Großteil der staatlichen Investitionen stattfindet."

Aus seiner Sicht hat die künftige Bundesregierung deutlich größere finanzielle Spielräume im Haushalt als die Ampel. "Merz hat von Grünen das bekommen, was er der Ampel nicht einmal im Traum gegönnt hätte", so Bayaz. Das bedeute für ihn jetzt aber auch eine große Verantwortung, Koalitionskonflikte nicht mit Geld zuzuschütten. "Wir brauchen weiterhin echte Strukturreformen bei Rente, Arbeit und Bürokratie."

BW-Innenminister lobt Ausgaben für Zivil- und Bevölkerungsschutz

Für Baden-Württembegs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist nun Tempo gefragt. "Die Feinde unserer Demokratie warten nicht auf uns", teilte Strobl mit. Nachdem man sich nicht mehr verteidigungspolitisch auf die USA verlassen könne, müsse man die eigene Sicherheit selbst in die Hand nehmen. Militär und Zivilschutz lassen sich dabei aus Sicht von Strobl nicht trennen. Deshalb sei es gut und richtig, dass die geplanten Ausgaben für Verteidigung nun um Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste, Cybersicherheit ergänzt würden. Dass das der Fall sei, verbucht Strobl auch als eigenen Erfolg. Er selbst habe das in den vergangenen Tagen mit Nachdruck in die Verhandlungen eingebracht, so Strobl weiter.

Auch für CDU-Generalsekretärin Nina Warken geht es in diesen Zeiten um Handlungsfähigkeit und Stabilität. "Deutschland muss in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik stark werden und auf eigenen Beinen stehen - und dafür brauchen wir die nötigen Mittel. Mehr Sicherheit, Wirtschaftswachstum, eine gute Infrastruktur als Lebensader - das gehen wir jetzt an", teilte die CDU-Politikerin aus dem Wahlkreis Odenwald-Tauber dem SWR am Freitag mit. Für die Koalitionsverhandlungen der kommenden Tage gelte gleichwohl, was man von Anfang an gesagt habe: Diese Schulden müssten auch mit einem Tilgungsplan und Einsparungen einhergehen.

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SPD-Fraktionschef: Lange Jahre der Blockade enden

Für SPD-Landeschef Andreas Stoch enden mit der Einigung "die langen Jahre der Blockade". Damit spielt er wohl auf die Kehrtwende an, die CDU-Chef Friedrich Merz in den vergangenen Tagen vollzogen hat. Im Wahlkampf hatte er sich noch gegen neue Schulden ausgesprochen. "Ich bin froh, dass dieses Investitionsvorhaben die Grundlage für die Koalitionsentscheidung bildet. Wir haben sehr lange für diesen Schritt geworben", teilte Stoch am Freitag mit. Er ist Teil des Teams, das an den Koalitionsgesprächen teilnimmt. Dass ein Kompromiss mit den Grünen zustande gekommen ist, schreibt er maßgeblich der eigenen Partei zu.

FDP: Merz winkt mit Feigenblatt, Grüne fallen um

Die FDP im Landtag übte hingegen scharfe Kritik an der Einigung. "Merz hat mit dem Feigenblatt gewinkt, die Grünen fallen wie ewartet um", teilte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Frank Bonath, mit. Dass die Grünen dieser unfassbaren Schuldenaufnahme zugestimmt hätten, führe ihr ganzes Gerede von Nachhaltigkeit ad absurdum. Nur die Ankündigung der Pläne koste den Bund schon mehrere Milliarden an Mehrzinsausgaben. "Und genau zu dem Zeitpunkt, wenn diese riesigen Summen getilgt werden müssen, gehen die letzten Babyboomer in die Rente. Es ist also völlig unklar, wer mit welcher Wirtschaftsleistung das denn dann zurückzahlen soll", so Bonath weiter.

Gemeindetag: Kommunen bekommen nicht genug Geld aus dem Finanzpaket

Auch der baden-württembergische Gemeindetag ist mit dem Finanzpaket nicht ganz zufrieden. Städte und Gemeinden bekämen zu wenig Geld. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger sagte, der für die Kommunen vorgesehene Anteil mit Blick auf das von den Städten, Gemeinden und Landkreisen verantwortete Maß der Investition sei viel zu gering. "Die Kommunen verantworten den Löwenanteil der öffentlichen Infrastruktur, zugleich ist für Länder und Kommunen gemeinsam nur ein Anteil von 20 Prozent vorgesehen." Hier seien die Länder gefordert, im Bundesrat eine für die Kommunen bessere Verteilung zu erreichen.

Steffen Jäger sieht auch die strukturelle Schieflage der Kommunalhaushalte mit dem Finazpaket nicht gelöst. Er forderte die Union und die SPD auf, sich bei den Koalitionsverhandlungen auf eine Reform der Kommunalfinanzen und einer Konsolidierung insbesondere der konsumtiven staatlichen Ausgaben und Aufgaben zu einigen. Lob kommt von Gemeindetagschef Jäger für die schnelle Verständigung von Union, SPD und Grünen. Er sprach von einem "guten Signal". Es sei sinnvoll, dass nur zusätzliche Investitionen mit den Krediten finanziert werden dürften.

Bundesverfassungsgericht weist Eilanträge von AfD und Linken ab

Die kommende Linken-Fraktion, die AfD-Fraktion und mehrere neu gewählte Abgeordnete dieser Parteien wollten mit Eilanträgen und Organklagen beim Bundesverfassungsgericht die Sondersitzungen des alten Bundestags verhindern. Im neu gewählten Parlament wäre die für das Finanzpaket erforderliche Zweidrittelmehrheit nur mit Stimmen der AfD oder der Linken möglich. Das heißt, sie könnten die geplanten Grundgesetzänderungen blockieren und würden das, basierend auf ihren bisherigen Aussagen, wohl auch tun.

Das Bundesverfassungsgericht wies die Anträge am Freitag jedoch als unbegründet zurück. Die Wahlperiode werde gemäß Artikel 39 des Grundgesetzes erst durch den Zusammentritt des neuen Bundestages beendet, hieß es in der Begründung. Bis dahin sei der Bundestag in seiner alten Zusammensetzung in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt. Wann der Zusammentritt erfolge, entscheide allein der neue Bundestag. Anhängig sind laut einem Gerichtssprecher derzeit noch drei Organstreitverfahren und vier Verfassungsbeschwerden einzelner Bürger in dieser Sache.

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