Viel Zustimmung zu Empfehlungen

Bürgerforum empfiehlt modernisiertes G9 - Kretschmann verspricht Prüfung

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Anne Jethon

Sollen die Gymnasien in Baden-Württemberg zu G9 zurückkehren? Mit dieser Frage haben sich zufällig ausgewählte Bürger beschäftigt - mit einem eindeutigen Ergebnis.

Das Bürgerforum zur Zukunft des Gymnasiums empfiehlt der Landesregierung eine Rückkehr zu einem neunjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg. "Lernen, Kreativität und Entwicklung sind Prozesse, die Zeit benötigen. Deshalb brauchen wir ein modernisiertes G9 mit Wahlmöglichkeiten für G8", sagten die Sprecherinnen und Sprecher des Forums, Tuğba Veli, Ursula Dow und Sébastien Gambin, am Montag in Stuttgart.

48 Empfehlungen für die Landesregierung in BW

Anfangs 64 und am Ende 55 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger hatten seit Ende September in mehreren Sitzungen darüber beraten, wie lange die Schullaufbahn im Gymnasium künftig dauern soll. 89 Prozent stimmten dafür, G9 als Normalform an den allgemeinbildenden Gymnasien einzuführen. 93 Prozent der Bürgerinnen und Bürger forderten für das überarbeitete G9 kreative Unterrichtsformate, 95 Prozent sprachen sich für mehr Praxisbezug aus. Insgesamt erarbeiteten die zufällig ausgesuchten Bürgerinnen und Bürger 48 Empfehlungen an die Landesregierung.

Laut Bürgerforum solle es aber kein Zurück zum alten G9 geben. Um das zu erreichen, sollen moderne pädagogische Konzepte angewandt werden. Das große Defizitthema Digitalisierung müsse mit Fortbildungen für Lehrkräfte, einer besseren Ausstattung und technischem Personal abgefedert werden, so die Sprecherinnen und Sprecher der Zufallsbürger.

Alle 55 Teilnehmenden seien sich einig gewesen, dass Schülerinnen und Schüler mehr Zeit zum Lernen, üben und Vertiefen des Stoffs brauchten. Im Bürgerforum sei man auch zu dem Schluss gekommen, dass eine Reform des gesamten Schulsystems nötig sei, vom Kindergarten über die Grundschule bis hin zu allen Schularten.

Derzeit ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium Standard. Es war einst eingeführt worden, um die Schülerinnen und Schüler international wettbewerbsfähiger zu machen. G9 gibt es nur noch als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen.

Über eine Rückkehr zu G9 wird seit langem diskutiert und gestritten. Grün-Schwarz hatte aber im Koalitionsvertrag vereinbart, keine Strukturdebatten führen zu wollen. Dennoch zeigte sich die Landesregierung unter dem Druck der Debatte erstmals Mitte Juni offen für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Man habe sich innerhalb der Koalition darauf geeinigt, diese Frage im Bürgerforum beraten zu lassen - mit offenem Ergebnis, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) damals mitgeteilt.

Kretschmann: Koalition wird sich Ideen genau anschauen

Kretschmann und sein Stellvertreter, Innenminister Thomas Strobl (CDU), dankten am Montag den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bürgerforums für ihre Arbeit. Durch diese stehe die Debatte nun auf einem breiteren Fundament. "Meine Koalition wird sich die Empfehlungen und den Bericht des Bürgerforums nun genau anschauen und wir werden uns intensiv mit den Argumenten und Ideen auseinandersetzen", versprach Kretschmann.

Der CDU-Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel fordert, das Bildungssystem in Baden-Württemberg auf den Prüfstand zu stellen. "Wir brauchen für unser Bildungssystem ein ganzheitliches Update", sagte Hagel am Montag in Stuttgart. Die Schulen in Baden-Württemberg müssten wieder Spitze werden. "Ich werbe dafür, dass wir uns alle wesentlichen Bildungsbereiche anschauen und auf diese Vision ausrichten", sagte Hagel. Die Frage, ob das Gymnasium künftig acht oder neun Jahre dauere, sei ein wichtiger Baustein, "gleichwertig neben anderen Bausteinen".

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Parteien im Landtag stimmen Empfehlungen von Bürgerforum zu

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch forderte die Grünen auf, ihre "Blockadehaltung" aufzugeben. "Sie können und dürfen sich dem Willen der Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr verschließen. Sonst wäre dieser ganze Prozess eine reine Farce gewesen." Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte, man werde sich mit der Stellungnahme "ernsthaft auseinandersetzen".

Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht Handlungsbedarf bei Grün-Schwarz. "Nun gibt es für den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und seine Grünen keine Ausreden mehr. Es wird Zeit für Veränderungen in der Schulstruktur - Koalitionsvertrag hin oder her", sagte Rülke. Die AfD geht davon aus, dass die Landesregierung nun nicht mehr um eine Grundsatzdebatte herumkommt. "Der nächsten Generation zuliebe wird es höchste Zeit für diese Debatte", sagte Rainer Balzer, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion.

Der Landeselternbeirat plädierte dafür, bei der Debatte um eine Rückkehr zu G9 nicht nur auf die Kosten zu schauen. "Bildung ist eine Investition in die Zukunft und kein Kostenpunkt. Baden-Württemberg muss insgesamt mehr Geld in den Bildungsbereich investieren", forderte dessen Vorsitzender Sebastian Kölsch.

Landesregierung berät am Dienstag zum weiteren Vorgehen bei G9

Die Spitzen der Koalition werden sich voraussichtlich am Dienstag zum weiteren Vorgehen beraten. Kretschmann, der eine Rückkehr zu G9 persönlich ablehnt, hatte unlängst gesagt: "Jedenfalls kann man nicht gegen den Volkswillen auf Dauer regieren."

Die Staatsrätin für Zivilgesellschaft Barabara Bosch wird das Ergebnis des Bürgerforums am Dienstag der Landesregierung vorstellen. Die müsse sich die Vorschläge ansehen - das sei die klare Erwartung des Bürgerforums so ihre Sprecherinnen und Sprecher.

Elterninitiative will Rückkehr zu G9 mit Volksantrag erzwingen

Unter Druck ist die Landesregierung in der Frage durch einen äußerst erfolgreichen Volksantrag, mit dem eine Elterninitiative die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium erzwingen will. Dafür hatten die Initiatorinnen und Initiatoren mehr als 100.000 Unterschriften eingesammelt und an den Landtag übergeben.

Mit dem Antrag muss sich nun das Parlament voraussichtlich im kommenden Jahr befassen. Lehnt es den Gesetzentwurf der Initiative ab, können die Initiatorinnen und Initiatoren ein Volksbegehren beantragen. Dann müssten sie erneut Unterschriften sammeln, in dem Fall aber von einem Zehntel der Wahlberechtigten, derzeit rund 770.000.

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