Nachdem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Hoffnungen auf eine schnelle Rückkehr des neunjährigen Gymnasiums gedämpft hat, reagieren die Initiative "G9 jetzt! BW" und der Philologenverband (PhV) Baden-Württemberg mit Unverständnis. "Wir wundern uns sehr, dass Herr Kretschmann so hohe Kosten für ein G9 ins Spiel bringt", teilt Anja Plesch-Krubner von der Elterninitiative dem SWR mit.
Noch deutlicher wird der Lehrerverband: "Die Äußerungen von Ministerpräsident Kretschmann machen eines klar: Das von ihm einberufene 'Bürgerforum G9' war als reines Feigenblatt gedacht", so Ralf Scholl, Landesvorsitzender des PhV BW.
Landesrechnungshof nennt deutlich niedrigere Zahlen
Kretschmann hatte bei einer Pressekonferenz gesagt, dass im teuersten Szenario rund 3.400 Lehrerstellen für eine Rückkehr zu G9 nötig seien, das mache mehr als 300 Millionen Euro jährliche Mehrkosten aus - hinzu kämen einmalig 200 Millionen Euro für den Schulausbau, so Kretschmann.
Das weicht laut Plesch-Krubner deutlich von dem ab, "was am Tag zuvor in einer Sitzung des Bürgerforums vom Landesrechnungshof in Abstimmung mit dem KM (Kultusministerium, Anmerkung der Redaktion) als teuerste Lösung präsentiert wurde". Dort sei von Kosten in Höhe von bis zu 190 Millionen Euro die Rede gewesen - für ein Modell, das an jedem Gymnasium in BW einen G8-Zug vorsehe.
Winfried Kretschmann dämpft Erwartungen Mehr als 100.000 Unterschriften für G9 - wieso eine schnelle Rückkehr aber nicht realistisch ist
Eine stolze Zahl hatten die Initiatoren zuletzt präsentiert: Über 100.000 Menschen unterstützen den Wunsch nach dem neunjährigen Gymnasium. Doch so schnell geht es wohl nicht.
Im Vorschlag der G9-Initiative sei das darüber hinaus weniger aufwendig gelöst worden. "Die Kalkulation für das Konzept in unserem Gesetzentwurf mit gut 100 Millionen Euro wurde hier übrigens auch grundsätzlich bestätigt", so Plesch-Krubner weiter.
Für den Lehrerverband ist es "schlicht empörend"
Scholl bestätigt, dass diese Zahlen vom Rechnungshof genannt wurden. "Unter absolut unrealistischen Bedingungen kam der Landesrechnungshof auf 290 Millionen Euro Mehrkosten jährlich", sagt er und ergänzt: "Diese Variante wurde deshalb im Bürgerforum überhaupt nicht diskutiert."
Stattdessen habe der Landesrechnungshof die Berechnungen der G9-Initiative bestätigt. Es sei daher "schlicht empörend", dass "Ministerpräsident Kretschmann jetzt die Zahlen dieses völlig unrealistischen Szenarios in die Öffentlichkeit trägt und noch auf 'über 300 Millionen Euro' aufrundet".
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Als "zu hoch" bezeichnet Scholl auch die Angaben von 1.700 zusätzlichen Deputaten für G9. Notwendig seien "bei realistischen Annahmen 1.230 bis 1.330 zusätzliche Lehrerstellen". 1.700 Stellen ergäben sich nur dann, wenn man die rund 500 Stellen dazuzähle, die während der Umstellung auf G9 abgebaut werden könnten. "Das zeugt entweder von völligem Unwissen oder vom festen Vorsatz, eine Umsetzung von G9 möglichst teuer erscheinen zu lassen", so der Landesvorsitzende des PhV BW.
Initiative hofft auf Diskussionen
Auch die von Kretschmann genannten 200 Millionen Euro für den Schulhausbau stoßen bei Verantwortlichen der Initiative auf Unverständnis. Man könne sich "nicht erklären, warum ein G9 solch massive Schulhausbauten nötig machen würde", teilte Plesch-Krubner mit. "Es wäre schön, wenn man sich endlich an einen Tisch setzen würde, um diese Punkte konstruktiv persönlich und mit Experten zu diskutieren, anstatt 'Stille Post' (eigentlich ja 'Laute Post') über die Medien zu spielen."
Initiative sammelte mehr als 100.000 Unterschriften
Mithilfe des Volksantrags will die Elterninitiative die flächendeckende Rückkehr zu G9 erzwingen. Dafür sammelten die Initiatorinnen innerhalb eines Jahres mehr als 100.000 Unterschriften - deutlich mehr als die rund 39.000, die nötig waren, damit sich der Landtag mit dem Gesetzentwurf der Initiative befassen muss.
Schule in Baden-Württemberg Mehr als 100.000 Stimmen für G9-Initiative gesammelt
Deutliches Zeichen gegen das achtjährige Gymnasium: Die Initiative "G9 jetzt!" hat 106.950 Unterschriften gesammelt - mehr als doppelt so viele wie benötigt.
Die Landesregierung hatte sich Mitte Juni erstmals erstmals bereit gezeigt, sich mit einer Rückkehr zu G9 auseinanderzusetzen. Zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger sollen der Politik am Ende Empfehlungen geben.