Fahrgäste im Regionalverkehr in Baden-Württemberg müssen länger auf die vom Land bestellten neuen Doppelstockzüge warten als bislang gedacht. Bei der Auslieferung durch den französischen Hersteller Alstom werde es zu Verzögerungen kommen, teilte das Verkehrsministerium der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart mit.
Ministerium: Statt 80 kann Alstom erst mal nur 14 Züge liefern
Eigentlich sollten 80 der insgesamt 130 bestellten Züge bis Ende Dezember 2025 zugelassen und ausgeliefert werden. Nun werden es bis dahin wohl deutlich weniger sein: "Das Land geht derzeit davon aus, dass bis zur Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 im Dezember 2025 von Alstom 14 zugelassene Doppelstockfahrzeuge ausgeliefert werden", teilte das Ministerium mit. Danach sollen monatlich weitere Fahrzeuge ausgeliefert werden.
Für die Verzögerungen sind laut Ministerium mehrere Faktoren verantwortlich. So habe sich das Vergabeverfahren um etwa ein halbes Jahr verzögert, weil ein unterlegener Mitbewerber gegen die Vergabe des Auftrags an Alstom Beschwerde eingelegt hatte. Weitere Gründe seien die Auswirkungen des Angriffskriegs gegen die Ukraine und "allgemeine Engpässe bei den Lieferketten im Produktionsprozess des Herstellers".
Züge wurden wegen Digitalisierung rund um Stuttgart 21 angeschafft
Die Züge sollten eigentlich zur Inbetriebnahme des künftigen Tiefbahnhofs in Stuttgart zur Verfügung stehen und mit modernster Signaltechnik ausgestattet werden. Hintergrund ist, dass die Region Stuttgart im Zuge von Stuttgart 21 auch zum ersten digitalisierten Bahnknoten Deutschlands ausgebaut werden soll. Züge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnen sollen dann mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren. Außerdem sollen die Stellwerke digitalisiert werden.
Fernzüge müssen Umweg fahren S21: Bahn gibt Probleme beim Digitalen Knoten Stuttgart zu
Mit dem digitalen Sicherungssystem, das im neuen Bahnknoten Stuttgart verbaut werden soll, treten immer wieder Probleme auf. Die Bahn räumt ein: Probleme sollen angegangen werden.
Das Land Baden-Württemberg hatte die 130 neuen Doppelstockzüge im Frühjahr 2022 für rund zweieinhalb Milliarden Euro bei Alstom in Auftrag gegeben, inklusive eines Wartungsvertrags. "Kein anderes Bundesland hat bisher einen Einzelauftrag dieser Größenordnung für die Bestellung von Regionalzügen erteilt", hatte das Verkehrsministerium damals mitgeteilt.
Verkehrsministerium muss nun Strecken priorisieren
Ursprünglich war vorgesehen, dass die neuen Züge auf den Regionalstrecken von Stuttgart nach Karlsruhe, Pforzheim, Heilbronn, Schwäbisch Hall, Aalen, Ulm, Friedrichshafen, Tübingen und Horb/Rottweil verkehren sollen. Wegen der Lieferverzögerungen müsse nun priorisiert werden, hieß es aus dem Verkehrsministerium. Zuerst müssten die Züge auf der Strecke Karlsruhe-Stuttgart-Ulm eingesetzt werden, weil auf dieser Strecke die Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern gebraucht werde.
Für die fehlenden neuen Doppelstockzüge habe man 28 Ersatzfahrzeuge aus der Umrüstung bestehender Fahrzeuge auf das neue ETCS-System zur Verfügung, teilte das Ministerium weiter mit. Zudem werde Alstom rund 28 weitere Ersatzfahrzeuge liefern. Schwerwiegende Auswirkungen im Nahverkehr könnten so vermieden werden.
Weil der Stuttgarter Bahnknoten 2025 nur teilweise in Betrieb gehen werde, gebe es auch einen geringeren Bedarf an Fahrzeugen mit ETCS. Die Anbindung der Gäubahn von Stuttgart nach Zürich sowie der Anschluss des Flughafenbahnhofs werden erst später in Betrieb gehen.
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Ein Lokführer hat die Züge der S-Bahn Stuttgart den "allerletzten Dreck" genannt. Im Netz bekommt er dafür Zustimmung. Von anderer Seite muss er eventuell mit Konsequenzen rechnen.
Die Qualität von Alstom-Zügen war Anfang des Jahres in der Debatte gewesen: Im Februar hatte ein Lokführer in einer Durchsage in einer Stuttgarter S-Bahn die Züge als den "allerletzten Dreck" bezeichnet. Die S-Bahn Stuttgart hatte längere Zeit technische Probleme mit Fahrzeugen der Baureihe 430.