Tausende am Mittwoch bei Protesttag in Stuttgart

Branche warnt vor Apothekensterben - Apotheken in BW aus Protest geschlossen

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Zu geringes Honorar, zu viel Bürokratie: Die Apothekerinnen und Apotheker machen auf ihre Situation aufmerksam und gehen auf die Straße. Das wirkt sich in ganz Baden-Württemberg aus.

Aus Protest gegen die Lage in der Branche bleiben hunderte Apotheken in Baden-Württemberg und auch in Bayern am Mittwoch geschlossen. Mehrere Tausend Apothekerinnen und Apotheker aus beiden Bundesländern haben auf dem Stuttgarter Schlossplatz mit einem Pfeifkonzert und Parolen demonstriert. Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass die Branche ihrem Ärger Luft macht.

Warum protestieren die Apothekerinnen und Apotheker?

Vor allem ächzen die Apothekerinnen und Apotheker im Land nach eigenen Worten unter Bürokratie und ärgern sich über zu geringe Vergütung. Auch sind ihnen die Pläne für Gesundheitskioske ebenso ein Dorn im Auge wie die Medikamentenengpässe.

Viele verschriebene Arzneimittel seien oft nicht lieferbar und müssten aufwendig ersetzt werden, so der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands, Hans-Peter Hubmann. Beispielsweise indem die Apothekerinnen und Apotheker den verschriebenen Antibiotikasaft aus Tabletten selbst herstellten. Das koste Zeit, die nicht angemessen vergütet werde, beklagte Hubmann. "Ich kann nicht immer mehr arbeiten für das gleiche oder gar inflationsbereinigt weniger Geld."

Wie verlief die Kundgebung in Stuttgart?

Um 12:05 Uhr begann die Kundgebung auf dem Schlossplatz in Stuttgart. Mehrere tausend Apothekerinnen und Apotheker aus ganz Baden-Württemberg und Bayern sind dazu angereist. "Unser Protest beginnt nicht umsonst um 12:05 Uhr, denn unsere aktuelle Situation ist mehr als besorgniserregend", so Tatjana Zambo, die Präsidentin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg. Die Zahl der Apotheken sei auf den niedrigsten Stand seit 40 Jahren gefallen, das Versorgungssystem werde kaputtgespart. "Dem wollen wir uns mit unserem Protest entgegenstellen", sagte Zambo.

Es ist für unseren Berufsstand nicht mehr 5 vor 12, sondern schon 5 nach 12.

Es ist nicht die erste Aktion in Baden-Württemberg: Bereits im Juni und im September hatte die Branche auf die Situation aufmerksam gemacht. Auch damals hatten sich zahlreiche Betroffene beteiligt, viele Apotheken waren an den Tagen geschlossen.

Was bedeutet der Protest für die Kundinnen und Kunden?

Tausende Apotheken sind geschlossen, aber nach Angaben des Landesapothekerverbandes ist die Versorgung mit Arzneimitteln gesichert. Notdienstapotheken sind geöffnet. Der Verband empfiehlt aber, planbare Medikamente am Donnerstag danach zu kaufen.

So bleiben beispielsweise in Tübingen etwa die Hälfte der Apotheken geschlossen. In der Reutlinger Innenstadt beteiligen sich sogar alle Apotheken aktiv am Streik. Auch rund um Ulm und Ostwürttemberg sind viele Apotheken zu.

Wie ist die Lage rund um Apotheken in Baden-Württemberg?

Nach Angaben der Landesapothekerkammer gibt es in Baden-Württemberg noch 2.264 Apotheken (Stand: 30. Juni). Und es werden immer weniger. Die Zahl der Apotheken in Baden-Württemberg sinkt seit Jahren stetig. Im Jahr 2014 waren es im Land noch gut 2.600, Ende des letzten Jahres immerhin noch rund 2.300.

Die sogenannte Apothekendichte - also die Zahl der Apotheken je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner - war zum Jahresende 2022 mit 21 geringer als im Bund (22). Vor allem auf dem Land sind viele Wege zur nächsten Apotheke lang geworden. Auch die Versorgung im Notdienst sei ausgedünnt, beklagt der Landesapothekenverband (LAV). "Das Versorgungsniveau ist als gerade noch ausreichend zu beschreiben", sagte dazu ein Sprecher des LAV.

Zu Schließungen von Apotheken kommt es aus mehreren Gründen. Zum einen spiele der Standort und die Ärztedichte eine Rolle. Zum anderen sei die wirtschaftliche Situation schlecht, Apotheken seien in vielen Fällen nicht mehr auskömmlich, heißt es bei Kammer und Verband. Apotheker müssten steigende Betriebskosten stemmen. Die staatlich geregelte Vergütung aber sei in den vergangenen 20 Jahren nur einmal angehoben worden.

Wie steht es um den Nachwuchs?

Laut Verband verzeichnet die Branche einen erheblichen Nachwuchsmangel. Nach dem Studium entschieden sich die Apotheker vielfach lieber für einen gut bezahlten Job in der Industrie. Mit den Gehältern dort könnten Apotheken nicht mithalten, betont der LAV.

Wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektive scheuten sich viele auch, sich mit einer Apotheke selbstständig zu machen. "Betriebe, die zum Beispiel aus Altersgründen abgegeben werden sollen, finden keine Käufer oder Nachfolger, weil die wirtschaftliche Perspektive nicht gesichert ist", teilte der Sprecher mit.

Wie bewertet die Landesregierung den Protest?

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) stärkt den Apothekerinnen und Apothekern den Rücken. Die niedergelassenen Apotheken bräuchten eine angemessene Preisstruktur sowie deutlich weniger bürokratische Vorgaben, sagte der Grünen-Gesundheitsminister dem SWR. Die Länder hätten bereits im Sommer einen Forderungskatalog für eine Apothekenreform aufgestellt, um die flächendeckende Arzneimittelversorgung sicherzustellen. Der Bund müsse in einen offenen Dialog mit den Ländern und den Apothekern eintreten, um die Honorarstrukturen anzupassen und Überregulierungen abzubauen, so Lucha, der auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz ist.

Gerade in Zeiten hoher Inflation drohe eine sinkende Zahl an Apotheken. "Wir sehen die wohnortnahe Arzneimittelversorgung über die Apotheken vor Ort massiv in Gefahr", warnte Lucha. "Immer mehr Apotheken schließen aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, die Apothekenzahl befindet sich auf einem historischen Tiefstand." Das System der Inhaber geführten Apotheken habe sich über Jahrzehnte in Deutschland bewährt. "Apotheken bilden einen wichtigen Teil des Gesundheitsversorgungssystems in Deutschland", sagte Lucha. Mit ihrer Hilfe könnten Menschen Arzneimittel erhalten und beraten werden. Das sei besonders in Krisenzeiten wichtig.

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