Protest vor einer Apotheke in Karlsruhe

Weniger Bürokratie und mehr Geld gefordert

Protesttag: Die meisten Apotheken bleiben am Mittwoch in BW geschlossen

Stand
Autor/in
Philipp Pfäfflin
Bild von Philipp Pfäfflin

Apothekerverbände haben für Mittwoch zu einem bundesweiten Protesttag aufgerufen. In Baden-Württemberg bleiben deswegen mehr als 2.000 Apotheken zu. Es gibt nur wenige Ausnahmen.

Ein Großteil der Apotheken in Baden-Württemberg bleibt am Mittwoch ganztägig geschlossen. Der Apothekerverband BW geht von einer Streikbereitschaft von "80 , eher 90 Prozent" seiner Mitglieder aus. Eine zentrale Protestveranstaltung soll es nicht geben. Stattdessen wollen Apothekerinnen und Apotheker im direkten Gespräch vor Ort - beispielsweise auf Plätzen in Stuttgart-Weilimdorf oder Esslingen - über ihre Situation informieren.

Warum bleiben die Apotheken am Mittwoch zu?

Für den ganztägigen Protesttag gebe es mehrere Gründe, heißt es beim Apothekerverband Baden-Württemberg. Die Apothekerschaft hätte schon seit einigen Jahren mit immer höheren Betriebskosten zu kämpfen, die nun aus dem Ruder liefern, beklagt Rouven Steeb, Vizepräsident des Verbands. Es sei "fünf vor zwölf", die Kosten liefen aus dem Ruder, so Steeb.

Ein erheblicher Zusatzaufwand entstehe beispielsweise durch Lieferengpässe. Zwar finde man für jeden Einzelfall immer noch Lösungen, aber das Suchen von Ersatzmedikamenten oder anderen Verpackungsgrößen koste Zeit. Dafür fehle das Personal und "am Ende des Tages eine passende Vergütung".

"Wir müssen uns immer mehr mit betriebswirtschaftlichen Dingen rumschlagen, die eigentlich gar nicht unserem Berufsbild entsprechen. Das kann nicht sein."

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Apotheker: Bürokratie nimmt immer mehr zu

Neben den steigenden Kosten macht den Apotheken nach eigenen Angaben auch immer mehr Verwaltungsaufwand zu schaffen. Christoph Gulde von der Solitude-Apotheke in Stuttgart-Weilimdorf macht seinen Beruf eigentlich sehr gern. Doch seit Jahren habe er immer weniger mit Kundinnen und Kunden zu tun, wohl mehr als die Hälfte der Zeit verbringe er im Büro, schätzt er. So wie er bemängeln die meisten Apothekerinnen und Apotheker in BW eine "ausufernde Bürokratie."

Christoph und Sohn John Gulde beteiligen sich am Protesttag der Apotheken
Der Stuttgarter Apotheker Christoph und sein Sohn John Gulde beteiligen sich am bundesweiten Protesttag. Sie setzen sich für weniger Bürokratie und eine bessere Bezahlung ein.

Apotheker Gulde selbst ist in einer privilegierten Situation. Die Apotheke sei abgezahlt, er sei schuldenfrei, sagt er im Gespräch mit dem SWR. Auch einen Nachfolger hat er schon: Sein Sohn John will die Apotheke übernehmen. Doch nicht allen gehe es so: "Kollegen, die erst vor kurzem eine Apotheke gekauft haben, die mit einer Million verschuldet sind, die haben es nicht einfach. Ich möchte, dass dieser schöne Beruf auch wieder schön wird, vor allen Dingen für unseren Nachwuchs und damit auch für die Kunden."

Apothekensterben: Verband warnt vor weiteren Wegen

"Der Apotheker-Beruf wird immer unattraktiver. Viele Apotheken arbeiten unrentabel und einige müssen am Ende schließen, weil sie keinen Nachfolger finden", so Felix Maertin, Vorsitzender der Gruppe Karlsruher Apotheker. In den vergangenen zehn Jahren hätte sich viel Ärger und Frust angestaut. Grund seien einerseits gestiegene Zwangsrabatte an die Krankenkassen und andererseits der jahrelange Stillstand bei den Honoraranpassungen.

Bundesweit schließt laut Apothekerverbänden im Schnitt jeden Tag mehr als eine Apotheke dauerhaft. In Baden-Württemberg sei ein ähnlicher Trend zu beobachten, so Verbandsvizepräsident Steeb. Derzeit gebe es landesweit rund 2.260 Apotheken. Im Jahr 2014 waren es noch rund 350 mehr. Insgesamt 550 sind laut Verband in den vergangenen 25 Jahren verloren gegangen. Wenn sich nichts drastisch ändern sollte, könnte auch in Baden-Württemberg tatsächlich die flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährdet sein, befürchtet Steeb.

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Forderung: Höhere Honorare für verschreibungspflichtige Medikamente

Inflation, Fachkräftemangel und Lieferengpässe - damit hätten auch andere Branchen zu kämpfen, heißt es beim Apothekerverband. Doch anders als zum Beispiel Handwerksbetriebe könnten Apotheken ihre Preise nicht einfach anpassen. Das gilt für verschreibungspflichtige Arzneimittel, bei denen eine Verordnung die Preise regelt. Rezeptfreie Medikamente sind davon ausgenommen. Deswegen fordern die Apothekerverbände eine Anhebung der Honorare für verschreibungspflichtige Arzneimittel von 8,35 Euro auf 12 Euro pro Packung.

"In den letzten 20 Jahren wurde dieses Honorar nur einmal angehoben - und das auch nur um drei Prozent."

Die gesetzlichen Krankenversicherungen sehen das anders: Deren Spitzenverband argumentiert, das Honorar steige unaufhörlich, weil Apotheken zusätzlich zur Pauschale für jedes Medikament drei Prozent vom Einkaufspreis erhalten.

Ablehnung von Lauterbach, Zustimmung von Lucha

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies diese Forderungen bereits zurück. Für höhere Honorare der Apotheker sei im Moment "kein Raum", sagte der SPD-Politiker zuletzt der "Bild am Sonntag".

Das sieht der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha anders. Der Grünen-Politiker hält eine angemessene Vergütung der Apotheken für "unerlässlich". Apotheken bräuchten geeignete Rahmenbedingungen, um Patientinnen und Patienten trotz Lieferengpässen ausreichend und schnell mit Arzneimitteln versorgen zu können, sagte Lucha. Wenn Apotheken schließen, gefährde dies die Versorgungssicherheit. Er kritisierte in diesem Zusammenhang, die Bundesregierung unternehme zu wenig gegen den Abrechnungs- und Dokumentationsaufwand für Apotheken. "Wenn dieser Personenkreis weiter stranguliert wird, dann hört er halt auf und dann haben wir nichts gewonnen", sagte er.

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