Aktienkurs mit Pfeil

Diskussion um private Investitionen

Nach Bayaz' Vorschlag zur Altersvorsorge: Lohnen sich Aktien oder ETFs?

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AUTOR/IN
Simone Steffan

Die gesetzliche Rente reicht für viele nicht mehr aus. Landesfinanzminister Bayaz empfiehlt daher für die Altersvorsorge, privat in Aktien zu investieren. Was ist davon zu halten?

Die Menschen in Baden-Württemberg sollten sich nach Meinung von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) nicht mehr nur auf die gesetzliche Rente verlassen und privat viel mehr für den Ruhestand vorsorgen. Bürgerinnen und Bürger sollten mehr in Aktien investieren, um dann später im Ruhestand von der Rendite zu profitieren. Gerhard Kegreiss aus Herrenberg (Landkreis Böblingen) hat das getan. Der 64-Jährige ist vor wenigen Wochen in Rente gegangen. Schon vor 17 Jahren hatte er sich dafür entschieden, zusätzlich in die Riesterrente einzubezahlen, einer staatlich geförderten Form der privaten Altersvorsorge. Doch was er von nun an pro Monat von der Fondsgesellschaft überwiesen bekommt, sei für ihn einfach nur eine Riesenenttäuschung, sagte Kegreiss dem SWR.

72 Euro stehen auf dem Kontoauszug. Gerechnet hatte er mit 150 bis 200 Euro, da er sich für einen Aktiensparplan entschieden hat, der üblicherweise höhere Renditen einfährt. Dass die Fondsgesellschaft es nicht geschafft habe, nach 17 Jahren mit einem Aktienfonds Rendite einzufahren, sei für ihn noch immer unvorstellbar.

Rechenbeispiel: Beim Renditen-Vergleich liegen ETFs vor Riester

Kegreiss ist sich sicher, dass er "deutlich mehr im Monat" haben würde, wenn er statt in Riester in einen ETF-Sparplan, also in ein Bündel von Aktien, investiert hätte. Eine Rechnung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg anhand seines Beispiels gibt dem 64-Jährigen Recht. Auch wenn die Rechnung angesichts der Komplexität des Sachverhalts nicht zu 100 Prozent exakt ist, so ist das Ergebnis doch deutlich. Beim selbstbesparten ETF würden heute, so die Verbraucherzentrale, nach Abzug der Kosten rund 80.000 Euro zur Verfügung stehen und damit über 40.000 Euro mehr als bei der von Gerhard Kegreiss abgeschlossenen Riester-Rente.

Verbraucherschützer stimmen Bayaz durchaus zu

Auch der Landesfinanzminister legt sein Geld eigenen Angaben zufolge in "nachhaltige, passiv gemanagte Indexfonds, kurz ETFs", an. Verbraucherschützer finden die Anlagestrategie grundsätzlich nicht verkehrt. Niklaas Haskamp von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagte dem SWR, auch er empfehle Personen, die ihr Geld anlegen wollten, Aktienfonds. Diese sollten allerdings weltweit und branchenübergreifend sein, um das Verlust- oder Schwankungsrisiko zu minimieren. Von der Anlage in einzelne Aktien rät er generell ab.

Für wen sich eine derartige private Altersvorsorge lohne, hänge von vielen Faktoren ab, sagte Haskamp. Alter, Lebensumstände, Einkommen und auch die Risikobereitschaft spielten eine Rolle. Außerdem müsse ein Neuinvestor Kursschwankungen "aushalten und sie auch aussitzen" können.

"Allein Investitionen in Aktien lösen das Problem der Altersvorsorge nicht"

Für Haskamp ist es deshalb wichtig, dass sich die Beratung am Bedarf der Anleger orientiert, was seinen Erfahrungen zufolge nicht immer der Fall ist. So stelle die Verbraucherzentrale seit Jahren regelmäßig fest, dass Banken versuchten, Kunden ein Produkt anzudrehen, das nicht zu ihnen passe. Manche Produkte kosteten zu viel und das schmälere später die Rendite. Deshalb findet er die Aussage des Landesfinanzministers zu privaten Investitionen in Aktien auch "zu pauschal". Es sei zu einfach, zu sagen, die Menschen sollten privat mehr vorsorgen und Geld in Aktien stecken. Das löse das Problem der Altersvorsorge nicht, so Haskamp.

Baden-Württemberg

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Forderung nach staatlichem Vorsorgefonds wie in Schweden

Unterstützung gibt es für die Forderung von Bayaz, parallel zur gesetzlichen Rente, eine Art Deutschlandfonds oder eine Deutschlandrente einzuführen. Das gehe in die richtige Richtung, sagte Haskamp. Der Grünen-Politiker machte sich für ein staatliches Basisprodukt stark, an dem man sich auch mit kleinen Summen wie 30 oder 50 Euro monatlich beteiligen könne. Eine private Altersvorsorge, die laut Bayaz "einfacher und günstiger sei und die die Breite der Bevölkerung erreiche".

Verbraucherschützer verlangen schon lange eine Alternative zur kapitalgedeckten Altersvorsorge, wie es sie derzeit in Deutschland gibt. Der Vorschlag der Verbraucherzentrale: Ein staatlicher Vorsorgefonds, der die umlagefinanzierte Rente um eine bedarfsgerechte und höchst effiziente kapitalgedeckte Rente ergänzt - wie etwa in Schweden. Dort gebe es einen staatlichen Fonds, der transparent, einfach und kostengünstig sei, so Haskamp. Man müsse also nicht zu einem Anbieter gehen, es entstünden keine zusätzlichen Kosten.

Niels Nauhauser, der Abteilungsleiter für die Altersvorsorge bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sagte dem SWR, die Schweden hätten den Fonds etwa zur gleichen Zeit eingeführt wie Deutschland die Riesterrente. Das Vorsorgekapital sei durch die guten Renditen in dem skandinavischen Land von neun bis zehn Prozent pro Jahr inzwischen verdreifacht worden: "Davon kann ein Riester-Sparer nur träumen."

Um das Thema private Altersvorsorge ging es auch in der SWR2-Sendung "Geld, Markt, Meinung" am 19. August 2023:

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Kritik: Viele Menschen hätten am Monatsende nichts übrig

Die Opposition in Baden-Württemberg bewertete die Vorschläge des Landesfinanzministers unterschiedlich. Die SPD-Fraktion im Landtag warf Bayaz "Neoliberalismus in Reinkultur" vor. Finanzexperte Nicolas Fink sagte dem SWR, wenn man Bayaz reden höre, bekomme man immer öfter das Gefühl, er sei ein FDP-Politiker und nicht bei den Grünen. Bayaz vergesse, dass viele Menschen momentan am Ende des Monats nicht einen Cent übrig hätten. Ähnlich sieht das der finanzpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rainer Podeswa. Er hält einen Staatsfonds dagegen für weniger risikobehaftet. Dieser sei deutlich sinnvoller als eine auf Aktien basierende Altersvorsorge, sagte der AfD-Politiker.

Die FDP-Fraktion wiederum hält einen staatlich gemanagten Fonds für "überflüssig" und findet dagegen Aktien für eine private Altervorsorge attraktiv. Für ETFs etwa fielen nur geringe Gebühren an, sagte der finanzpolitischer Sprecher, Stephen Brauer. Die CDU-Fraktion verweist darauf, dass solche Anlageformen mit Chancen und Risiken verbunden seien. Die Entscheidung müsse deshalb von den Bürgerinnen und Bürgern selbst getroffen werden. CDU-Finanzexperte Tobias Wald kritisierte außerdem, es sei nicht Aufgabe der Politik, die Entscheidung in Sonntagsreden in die ein oder andere Richtung zu lenken.

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Im Jahr 2022 besaßen laut dem Deutschen Aktieninstitut 18,3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren Anteilsscheine von Unternehmen oder Aktienfonds. Im Vorjahr waren es noch 17,1 Prozent. In Baden-Württemberg leben dabei sogar die meisten Aktienbesitzer - ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag im Jahr 2022 bei etwa 24,5 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern lag er nur bei 7,9 Prozent.

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