Mit Stimmen der AfD

Unionsantrag zur Verschärfung der Migration bekommt Mehrheit im Bundestag

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Nach einer hitzigen Debatte hat der Bundestag einem Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik zugestimmt - auch mit Stimmen der AfD. Die Union hat den Antrag eingebracht.

Eine Woche nach dem Messerangriff von Aschaffenburg mit zwei Toten hat der Bundestag am Mittwoch über zwei Anträge der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik abgestimmt. Der Fünf-Punkte-Plan für mehr Zurückweisungen an der Grenze bekam eine Mehrheit - auch mit den Stimmen der AfD. Insbesondere wegen der Unterstützung der AfD zu den Plänen hatte es schon vorher eine hitzige Debatte gegeben.

348 Abgeordnete stimmten nach Angaben der Sitzungsleitung für einen entsprechenden Antrag, 344 dagegen, zehn enthielten sich. Es gilt als praktisch sicher, dass die Mehrheit nur mit den Stimmen der AfD zustande gekommen ist. Es war eine namentliche Abstimmung, das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten wird aber erst später bekanntgegeben. CDU und CSU haben nur 196 Sitze im Parlament. FDP und AfD hatten sich vor der Abstimmung für den Antrag ausgesprochen. Die AfD applaudierte nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. SPD, Grüne und Linke hatten ein Nein angekündigt, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Enthaltung. 

Scholz will nicht am Recht auf Asyl rütteln

Zum Auftakt der Debatte hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung abgegeben. Er stellte klar: "Das Recht auf Asyl ist fester Bestandteil unserer Rechts- und Werteordnung. Daran dürfen wir nicht rütteln." Er erinnerte daran, dass 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz gerade Deutschland sich zum Recht auf Asyl für politisch Verfolgte bekennen müsse. Es sei die unmittelbare Antwort auch auf das Grauen der NS-Herrschaft. "Damals waren es deutsche und europäische Juden, die an fremden Grenzen abgewiesen wurden." Das dürfe nie wieder passieren. Die Pläne der Union würden zudem das Recht der EU brechen, so Scholz.

Warnung vor Unterstützung der Anträge durch die AfD

Schon in den vergangenen Tagen hatten SPD und Grüne die Union und deren Kanzlerkandidat eindringlich davor gewarnt, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Diese hatte im Vorfeld angekündigt, den Anträgen und dem Gesetzentwurf der Union zuzustimmen.

Merz verteidigte seine Entscheidung, ein Gesetz zur Verschärfung des Asylrechts notfalls mit den Stimmen der AfD durchzusetzen. "Ja, es kann sein, dass die AfD hier im Deutschen Bundestag am Freitag erstmalig die Mehrheit für ein notwendiges Gesetz ermöglicht", sagte Merz am Mittwoch in seiner Rede im Bundestag. "Die Bilder, die wir gegebenenfalls von jubelnden und feixenden AfD-Abgeordneten sehen, die werden unerträglich sein", sagte Merz weiter. Für ihn sei es aber eine Gewissensfrage, nun wirksame Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration zu verabschieden.

"Wir sind es den Menschen in unserem Land und nicht zuletzt den Opfern der Gewalttaten der letzten Monate einfach schuldig, jetzt wirklich jeden Versuch zu unternehmen, die illegale Migration zu begrenzen, die ausreisepflichtigen Asylbewerber in Gewahrsam zu nehmen und endlich abzuschieben", sagte Merz.

Kritik von Grünen und Linken

Wirschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warf der Union einen "Bruch mit der Tradition der Republik" vor. Es werde nicht irgendeine Sachfrage entschieden, sondern es gehe um die politische Kultur, sagte Habeck. Die Linken-Politikerin Heidi Reichinnek sprach von einem "Dammbruch". FDP-Chef Christian Lindner, der schon vorher die Zustimmung seiner Partei angekündigt hatte, sagte, das Problem sei nicht, dass die AfD zustimme, sondern dass Grüne und SPD dies nicht täten. Man sei bei der Sicherheits- und Migrationspolitik nicht dort, wo man sein müsse.

AfD-Chefin Alice Weidel warf sowohl Scholz als auch Merz Versagen vor. Scholz hinterlasse ein "Migrationschaos", sagte sie. "Dieser politisch gewollte Kontrollverlust kostet Menschenleben." Merz wiederum wolle keinen wirklichen Politikwechsel. Sie kündigte an, dass ihre Fraktion dennoch für den Fünf-Punkte-Plan der Union und am Freitag für den Unions-Gesetzentwurf zur Migrationspolitik stimmen werde.

Worum geht es bei den Migrationsplänen der Union?

Der Antrag, der im Bundestag angenommen wurde, ist der vom CDU-Chef vorgelegte Fünf-Punkte-Plan. Gefordert werden darin dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern, ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente, auch wenn sie ein Schutzgesuch äußern. Ausreisepflichtige sollen inhaftiert werden und Abschiebungen müssten täglich erfolgen. Der Bund soll die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht unterstützen - es sollen Bundesausreisezentren geschaffen werden. Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann.

Pläne der CDU/CSU: Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit möglich

Der zweite Antrag für eine restriktivere Migrationspolitik bekam keine Mehrheit im Bundestag. Er trägt den Titel "Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit". Die Unionsfraktion listet hier 27 Punkte auf, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung, einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden, eine Stärkung der Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer. Auch sollen Menschen mit einer doppelten Staatsangehörigkeit die deutsche verlieren können, wenn sie schwere Straftaten oder gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Handlungen begehen.

Schließlich steht am Freitag das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion zur finalen Abstimmung. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden. Die Bundespolizei soll, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausreisepflichtige antrifft, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführen dürfen.

SWR-Rechtsexperte: Asyl-Pläne der Union rechtlich schwierig

Kolja Schwartz aus der SWR Rechtsredaktion hat die Pläne von Merz am Dienstagabend rechtlich eingeordnet. Demnach gebe es zum Teil erhebliche Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit. Die meisten Europarechtler würden betonen, dass es nicht möglich sei, Grenzen komplett zu schließen und alle, die nach Deutschland kommen wollen, zurückzuweisen. "Deutschland hat den Schengener Grenzkodex unterschrieben und der untersagt es Deutschland schon dauerhafte Grenzkontrollen wieder einzuführen. Das ist aber das, was Friedrich Merz und die CDU wollen", so Schwartz.

Friedrich Merz (CDU) möchte Anträge zur Verschärfung der Asylpolitik in den Bundestag einbringen. SWR-Rechtsexperte Kolja Schwartz sieht darin Kollisionen mit dem EU-Recht. Im Gespräch mit SWR Aktuell konkretisierte er, an welchen Stellen dies der Fall sein könnte:

Auch direkte Zurückweisungen an der Grenze sprächen gegen das Europarecht, so seine Einschätzung. "Die Dublin-III-Verordnung, die regelt, wer für das Asylverfahren zuständig ist, sagt, dass Deutschland den Flüchtling dann in das Land überstellen muss, das für das Asylverfahren zuständig ist. Das sind meistens die Länder an den Außengrenzen und nicht die Nachbarländer", so Schwartz. Deshalb seien die meisten Juristen der Meinung, dass eine einfache Zurückweisung an der Grenze nicht erlaubt sei.

Sollte sich Deutschland über das geltende Recht hinwegsetzen, müsse man damit rechnen, das Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werde, so Schwartz. "Das wäre natürlich verheerend, wenn Deutschland dann hier unterliegen würde" und Deutschland verurteilt werden würde.

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