Maria Fank-Wolf und Burkhard Wolf stehen im Garten ihres Hauses in Stuttgart-Kaltental.

Musterprozess vor Stuttgarter Finanzgericht

Erste Klagen gegen neue Grundsteuer in BW abgeschmettert

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Bei der neuen Grundsteuer in BW gilt nur der Wert des Grundstücks - was darauf steht, spielt keine Rolle. Weil Eigentümern deshalb massive Steuererhöhungen drohen, gibt es Klagen.

Die ersten beiden Klagen gegen die neue Grundsteuer sind vom Finanzgericht Baden-Württemberg abgewiesen worden. Die Richter gaben damit am Dienstag in Stuttgart der Finanzverwaltung Recht. Die Kläger aus Stuttgart und Karlsruhe, die vom Steuerzahlerbund und vom Verband Haus & Grund unterstützt werden, haben aber bereits angekündigt, in die nächste Instanz gehen zu wollen. Es wird damit gerechnet, dass der Streit am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird.

Das Problem mit dem Bodenwertmodell in BW

Die Klagen richteten sich in erster Linie gegen das sogenannte Bodenwertmodell in Baden-Württemberg, denn dabei zählt nur die Fläche mit den neuen Bodenrichtwerten. Was darauf steht, spielt keine Rolle. Und so kann es passieren, dass für große Mietshäuser oder Villen ab dem 1. Januar 2025 die gleiche Grundsteuer fällig wird wie für kleine Eigenheime. Wenn die Kommune den Hebesatz nicht senkt, kann das für Eigenheimbesitzerinnen und Eigenheimbesitzer mit Garten viel teurer werden.

Das Gericht erklärte am Dienstag, es sei zulässig, dass die Grundsteuer nur Grund und Boden belastet und nicht die Gebäude, die darauf stehen. Das Landesgesetz sei verfassungskonform und mit dem Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz vereinbar. Ein Sprecher ergänzte, der Gestaltungsspielraum, den das Bundesverfassungsgericht den Ländern in seinem Urteil 2018 gegeben habe, umfasse auch das baden-württembergische Modell. Die Kläger müssten die Kosten des Verfahrens tragen, so das Gericht. Es stehe ihnen aber frei, in höherer Instanz anzufechten.

Stuttgarter Kläger befürchteten massive Kostensteigerung

Das Ehepaar Maria Fank-Wolf und Burkhard Wolf aus Stuttgart ist dazu entschlossen, weiterzukämpfen. Die beiden befürchten, dass die Grundsteuer vom 1. Januar 2025 so stark steigen könnte, dass sie sich das nicht mehr leisten könnten. Wolf sagte im Gespräch mit dem SWR: "Zurzeit zahlen wir etwa 200 Euro Grundsteuer im Jahr. Und zu erwarten wäre bei gleichem Hebesatz, dass die Grundsteuer für uns dann auf einen Wert von circa 2.850 Euro steigt. Das wäre ungefähr das Vierzehnfache des bisherigen Betrages." Und damit mehr, als ihnen im Monat zur Verfügung stehe. Noch ist unklar, wo der Hebesatz künftig liegen soll. Stuttgart will ihn angeblich senken.

Das Paar hat sich vor 22 Jahren ein Eigenheim in Stuttgart-Kaltental gekauft, auch wegen des schönen Gartens in der sonst so dicht besiedelten Landeshauptstadt. Mittlerweile sind die beiden Rentner - sie war Architektin, er Maschinenbau-Ingenieur. Für das Haus mit Hanggarten mussten sich die beiden krummlegen, sagen sie. Nun sei das schön renovierte Haus aus dem Jahr 1938 quasi ihre Altersvorsorge. Doch diese werde nun bedroht - durch die neue Grundsteuer in Baden-Württemberg.

Rechtsstreit könnte in Karlsruhe landen

Die Klage wird unter anderem vom Bund der Steuerzahler unterstützt. Die zweite Klage stammt von der Hausbesitzerin Petra Kern aus Karlsruhe. Die endgültige Entscheidung wird erst in höherer Instanz fallen - also entweder vor dem Verfassungsgerichtshof BW, dem Bundesfinanzhof oder sogar dem Bundesverfassungsgericht. Damit würde die Grundsteuer wieder in Karlsruhe landen. Die höchsten Richter hatten 2018 den Anstoß für die Änderungen gegeben, weil sie die Regeln als ungerecht ansahen.

Ist die Grundsteuer eine "Enteignung durch die Hintertür"?

Hausbesitzer Wolf hat Verständnis dafür, dass es nicht bei dem niedrigen Betrag von 200 Euro im Jahr bleiben könne, man wolle ja auch mit der Steuer einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten. "Aber es darf ja nicht so sein, dass es eine Vermögenssteuer wird und da quasi durch die Hintertür eine Enteignung stattfindet." Wolf und seine Frau fühlen sich bestraft, weil ihr Garten genauso bewertet wird, wie ein vollständig bebautes Grundstück.

Fank-Wolf und ihr Mann finden, das Modell sei nicht durchdacht. Sie können zwar nachvollziehen, dass die grün-geführte Landesregierung in den Städten wegen des Wohnungsmangels eine Verdichtung und weniger Einfamilienhäuser wolle. Aber ökologisch habe diese Herangehensweise negative Folgen. "Wenn wir eine hohe Grundsteuer zahlen, dann ist unser Budget für andere Sanierungen natürlich eingeschränkt", sagt Fank-Wolf. Irgendwann müsse die alte Gasheizung ersetzt werden. Grundstücke mit Gärten müssten anders bewertet werden, schließlich sorgten die in Zeiten des Klimawandels dafür, dass Regenmassen aufgenommen würden. "Da finde ich, ist jetzt diese Grundsteuer für Gartengelände einfach kontraproduktiv."

Stuttgart will Hebesatz wohl senken

Zwar legen auch in Baden-Württemberg die Kommunen die Hebesätze erst noch fest. Die endgültige Rechnung ist für die meisten also noch unbekannt. Aber die Sorgen sind groß. Stuttgart zum Beispiel will den Hebesatz demnächst bestimmen. Es heißt, die Stadt strebe nicht an, durch die neue Grundsteuer mehr Geld einzunehmen. Es wird erwartet, dass der Hebesatz für die Grundsteuer B - also für alle Grundstücke außer der Land- und Forstwirtschaft - sinken wird.

Steuerzahlerbund erwartet Verschiebung der Belastung

Dennoch dürfte es vor allem für Eigentümer kleiner Häuser mit viel Garten eine Mehrbelastung geben. Denn: Nur in Baden-Württemberg werde bei der Bewertung des Grundstücks auf die Betrachtung der Gebäude verzichtet, moniert Eike Möller vom Bund der Steuerzahler BW. Es komme bei der Berechnung der Steuer nur auf den Bodenrichtwert und die Größe des Grundstückes an.

"Wir erwarten eine Verschiebung der Belastung innerhalb einer Kommune weg vom Mehrgeschossbau, hin zu den Ein- und Zweifamilienhäusern sowie weg von den reinen Gewerbeimmobilien hin zu den Ein- und Zweifamilienhäusern", sagt Möller. Ottmar Wernicke von Haus und Grund Württemberg und der Landeschef des Steuerzahlerbunds setzen nun auf die nächste Instanz, wahrscheinlich den Bundesfinanzhof.

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Fank-Wolf sagte dem SWR: "Wir sind enttäuscht." Auch sie setzt darauf, dass das Urteil angefochten werden kann. Sie habe kein gutes Gefühl, wenn die Steuer in Baden-Württemberg nun so umgesetzt werde. Das sei schon "brutal". Sie kritisierte, dass der soziale Aspekt in der Verhandlung keine Rolle gespielt habe. 

5,6 Millionen Eigentümer in BW sind betroffen 

In Baden-Württemberg gibt es 5,6 Millionen Hauseigentümer. Aber interessieren dürfte das auch alle Mieter, denn oft ist es so, dass die Mehrbelastung an diese weitergereicht werden kann. Derzeit nehmen die Kommunen im Land mit der Grundsteuer rund 1,8 Milliarden Euro jährlich ein.

Die Klagen werden von vier Verbänden unterstützt: dem Bund der Steuerzahler, Haus & Grund aus Baden und Württemberg sowie dem Verband Wohneigentum. Sie stoßen sich auch an der Vorgehensweise der Finanzämter. "Tatsächlich führt die ungeprüfte Verwendung der Bodenrichtwerte zu vielen Ungereimtheiten", sagte Möller. Es sei kaum möglich, die Bewertung der Gutachterausschüsse anzuzweifeln.

Kläger halten Grünen finanzielle Überforderung vor

Fank-Wolf und Wolf hoffen, dass der Klageweg zum Erfolg führen wird. Die jüngsten Wahlen hätten gezeigt, dass viele Menschen enttäuscht seien von den Grünen. Trotz der Klimaziele könnten Bürgerinnen und Bürger ihr Geld nur einmal ausgeben. "Es kommt immer mehr dazu", sagt Fank-Wolf. Und während die Grundsteuer massiv steige, würden Rente und Gehalt bei weitem nicht so stark erhöht. "Und irgendwo muss das ja ausgeglichen werden." Es sei schade, dass hier bisher kein Kompromiss möglich sei.

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