Es gibt neuen Ärger um die Grundsteuerreform im Land. Dabei geht es um die Frage, wie viel ein Grundstück wert ist. Im nördlichen Landkreis Calw ist bei Tausenden von Grundstücken die Berechnungsgrundlage geändert worden. "Wir müssen hier korrigieren, ob gewünscht oder nicht gewünscht vom Gesetzgeber", sagte der Vorsitzende des zuständigen Gutachterausschusses der Stadt Calw, Tobias Volle, dem SWR. Ansonsten sei die Steuergerechtigkeit in Gefahr.
Konkret geht es um den sogenannten Bodenrichtwert von Grundstücken. Er ist mit verantwortlich dafür, wie hoch die Grundsteuer ausfällt. Der Bodenrichtwert gibt den durchschnittlichen Lagewert des Bodens in Euro pro Quadratmeter in einem bestimmten Gebiet - einer Bodenrichtwertzone - wieder. Ermittelt wird er durch einen Gutachterauschuss der jeweiligen Kommune.
Neue Bodenrichtwertzonen im nördlichen Kreis Calw
Der Bodenrichtwert wird laut Gutachter Volle bei sogenannten Mischgrundstücken zum Problem. Ein Teil des Grundstücks ist dann bebaut, der andere kann wegen Verboten oder zum Beispiel wegen einer Hanglage nicht bebaut werden. Trotzdem gilt oft für die ganze Fläche ein hoher Bodenrichtwert.
Volle und seine Kolleginnen und Kollegen vom Gutachterausschuss Calw hatten sich deshalb entschlossen, die Bodenrichtwertzonen im Nachhinein anzupassen. Die Frist dafür war eigentlich seit Anfang 2022 verstrichen. So kann ein Grundstück inzwischen auch in mehrere Zonen mit einem höheren und einem niedrigeren Bodenrichtwert aufgeteilt sein. Volle geht davon aus, dass das Problem auch in anderen Regionen - insbesondere im ländlichen Raum mit vielen Grundstücken mit großem Garten - aufgetreten sei.
Volle: "Gehöriger Handlungs- und Zeitdruck" bei Stichtag
Der Stichtag zur Überprüfung der Bodenrichtwerte Anfang 2022 habe die Gutachterausschüsse im Land "unter einen gehörigen Handlungs- und Zeitdruck gesetzt", sagte Volle. Die Gutachterausschüssen hätten sich zu dem Zeitpunkt in einer Umstrukturierungsphase befunden, seien teilweise noch auf der Suche nach Personal gewesen. In Calw habe man erstmal Tabellen mit Zahlen zu den Bodenrichtwerten in übersichtliche Karten übertragen müssen.
Die Gutachterausschüsse hätten sich bemüht "den Stichtag zu halten und damit schleichen sich dann zwangsweise Fehler ein, weil man sich gar nicht jeden Bereich und jedes Grundstück so im Detail anschauen konnte", so Volle. Inzwischen ist es möglich, dass die Gutachterausschüsse ihre korrigierten Bodenrichtwerte und -zonen an die Finanzämter melden. Ein entsprechendes Onlineportal ist seit August 2023 wieder freigeschaltet.
Müssen andere Gutachterausschüsse nachziehen?
Calw ist kein Einzelfall. Der Präsident der Steuerberaterkammer Stuttgart Uwe Schramm bestätigte dem SWR, dass es auch andernorts Probleme gebe. Dass im nördlichen Landkreis Calw das Raster geändert worden sei, könne seiner Meinung nach "eine Diskussion auslösen, inwieweit andere Gutachterausschüsse nachziehen müssen". Schramm geht davon aus, dass ein paar Tausend Grundstücke im Land neu bewertet werden könnten.
Aus Sicht der Finanzverwaltung seien das möglicherweise Einzelfälle bei mehr als fünf Millionen neu zu bewertenden Grundstücken in Baden-Württemberg. "Für den einzelnen Steuerbürger ist aber sein Fall immer ein wichtiger Fall", sagte Schramm. Denn jeder Steuerbürger wolle ja gerecht besteuert werden. Er könne sich vorstellen, dass am Ende Gerichte darüber entscheiden, wo der Bodenrichtwert neu ermittelt werden müsse.
Bemessungsgrundlage "so genau wie möglich"
Schramm hält es für notwendig, die Raster der Bodenrichtwertzonen feiner zu ziehen. "Wir haben ein Massenverfahren und da braucht man schon durchschnittliche Werte", sagte der Steuerberater. Auf der anderen Seite falle die Grundsteuer jährlich an. Deshalb sollte die Bemessungsgrundlage "so genau wie möglich sein". Hinzu komme, dass sich das Modell in Baden-Württemberg ausschließlich auf den Bodenrichtwert stütze und der Gebäudewert keine Rolle spiele.
Es gibt in Deutschland kein einheitliches Modell für die Grundsteuer. Der Bund hatte ein Modell vorgeschlagen, das insgesamt neun Bundesländer übernommen haben. Darin werden neben dem Bodenrichtwert und der Grundstücksfläche auch andere Kriterien wie zum Beispiel die Wohnfläche, die monatliche Nettokaltmiete oder das Baujahr des Gebäudes berücksichtigt. Baden-Württemberg hat einen Sonderweg eingeschlagen. Hier sind bei der Berechnung der Grundsteuer nur der Bodenrichtwert und die Grundstücksfläche entscheidend.
Finanzministerium: Keine "massenhaften Korrekturen"
Das Landesfinanzministerium sieht in Calw keinen Präzedenzfall. Man gehe nicht davon aus, dass es "flächendeckend zu massenhaften Korrekturen" kommen werde, teilte eine Sprecherin auf SWR-Anfrage mit. Wie viele Korrekturen die Gutachterausschüsse meldeten, werde ganz unterschiedlich sein. "Es gibt Gutachterausschüsse, die tausende Flurstücke neu bewerten und solche, bei denen es sich um ein paar Dutzend oder auch gar keine Korrekturen handelt", so die Sprecherin weiter.
Sie verwies auch darauf, dass allein die Gutachterausschüsse der Kommunen für die Bodenrichtwerte zuständig und damit auch verantwortlich seien. Wenn Bodenrichtwerte korrigiert würden, ändere das Finanzamt den Grundsteuerbescheid automatisch. "Die Bürgerinnen und Bürger müssen hierfür nicht aktiv werden", teilte die Sprecherin mit.
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