Die "große Wiese" von Karl-Eugen Bleyler aus Freiburg, wie sie im Familienjargon heißt, liegt versteckt hinter den Gärten der Nachbarhäuser. Sie ist unbebaut. Ein stilles Refugium zur Erholung und zum Spielen für die Kinder mitten in der Stadt. Bisher zahlt Bleyler 85 Euro Grundsteuer dafür pro Jahr. Wenn es bei dem geplanten neuen Grundsteuermodell in Baden-Württemberg und den geltenden Hebesätzen der Stadt Freiburg bleibt, muss er ab 2025 für die Wiese 9.200 Euro Grundsteuer zahlen - das wäre mehr als das Hundertfache.
Neue Grundsteuer bemisst sich aus Bodenwert
Mit der Grundsteuerreform des Landes Baden-Württemberg wird die Grundsteuer allein aus dem Bodenwert des Grundstücks bemessen. Das bedeutet: Beim neuen Steuermodell spielt es keine Rolle mehr, wie das Grundstück bebaut ist, also ob ein bescheidenes Einfamilienhaus, eine Villa oder ein zehnstöckiges Mietshaus drauf steht.
Bleyler gibt Grundsteuer wohl an Mieter weiter
Der Freiburger Hausbesitzer Bleyler hadert mit dem neuen Steuermodell. Seine Wiese ist ohne Zufahrt eingeschlossen zwischen den Nachbargärten. Er kann und darf dort kein neues Haus bauen. Und die Stadt Freiburg will die großen Gärten in der Gegend aus Klimaschutzgründen unbedingt erhalten. Die höhere Grundsteuer wird er deswegen an die Mieter in seinem Gründerzeithaus weitergeben müssen. 175 Euro wären das pro Monat für jeden Mieter.
Grundsteuerreform Bescheid zur Grundsteuer: Das müssen Sie beachten
Nach Abgabe der Grundsteuererklärung erhalten jetzt viele Grundstückseigentümer Post vom Finanzamt. Wie Sie mit dem Bescheid zum Grundsteuerwert umgehen sollten, erklären wir hier.
Neues Grundsteuermodell soll Wohnungsbau ankurbeln
Auch viele andere Grundstücksbesitzer sind unzufrieden mit den neuen Regeln und wehren sich dagegen. Landesweit liegt die Einspruchsquote nach Schätzungen von Finanzämtern im Land zwischen 25 und 40 Prozent. Viele Eigentümer befürchten eine drastische Erhöhung ihres Grundsteuer-Beitrags. Der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg führt gemeinsam mit anderen Verbänden mehrere Musterklagen gegen die Grundsteuer an. Sie kritisieren, dass Eigentümer bei gleich großen Grundstücken die selbe Grundsteuer zahlen müssen, egal ob dort eine Villa oder ein alter Schuppen steht.
Die Befürworter dagegen sehen Vorteile in der Reform. Die neue Regelung ziele darauf ab, den Wohnungsbau zu fördern, sagt etwa Gisela Splett (Grüne), Staatssekretärin im Finanzministerium in Stuttgart. Durch die Änderung des Steuermodells werde es teurer werden, Grundstücke unbebaut zu lassen. Beim Finanzamt Freiburg-Land zeigt man sich mit dem neuen Modell zufrieden: Die Beamten müssten nicht wie in anderen Bundesländern jedes Haus einzeln bewerten. "Es ist natürlich in Anbetracht der Umstände eine gute Lösung, weil wir mit weniger Daten arbeiten können", sagt der Leiter des Finanzamts Freiburg-Land, Thomas Züfle.
Gerichte entscheiden, wie es mit der Reform weitergeht
Jetzt liegt die Sache erstmal beim Finanzgericht Baden-Württemberg. Für den Fall, dass es die neue Grundsteuer rechtlich nicht beanstandet und damit den Einsprüchen nicht stattgibt, hat der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg bereits beantragt, dass Revision zugelassen wird. Über die Verfassungsmäßigkeit muss letztlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Daten zu den Grundstücken sind veraltet
Auch die neue Kalkulation der Grundsteuer geht übrigens auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück. Denn zuletzt berechneten die Finanzämter den Immobilienwert auf Grundlage veralteter Daten. In Westdeutschland werden die Grundstücke nach ihrem Wert aus dem Jahr 1964 berücksichtigt, im Osten sogar auf der Basis von Daten von 1935.