Im Prozess um einen selbst ernannten "Life-Coach" aus Walldürn (Neckar-Odenwald-Kreis) hat das Landgericht Mosbach zu Beginn des Prozesses am Donnerstag die Öffentlichkeit für den gesamten Verlauf des Verfahrens ausgeschlossen. Das hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklägerinnen beantragt. Nur das Urteil wird öffentlich bekannt gegeben.
In der Anklageschrift seien die Sexualstraftaten des mutmaßlichen Täters sehr detailliert beschrieben, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Mosbach, Thorsten Zetsche dem SWR. Auch die Namen der betroffenen Frauen seien genannt.
Anklageschrift ist fast 400 DIN A4-Seiten lang
Der Angeklagte, ein 38-Jähriger, soll als selbst ernannter "Life-Coach" seine Angebote dazu genutzt haben, Kontakt zu jungen Frauen aufzunehmen, um sie später in seinem Haus festzuhalten, zu erniedrigen und immer wieder zu missbrauchen. Die Anklagepunkte lauten: Geiselnahme, besonders schwere Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung.
Fast 400 DIN A4-Seiten lang ist die gesamte Anklageschrift, auf 180 Seiten davon beschreibt die Staatsanwaltschaft Mosbach ihre konkreten Vorwürfe gegen den 38-Jährigen aus Walldürn. Allein das Verlesen der Anklage wird mindestens zwei Verhandlungstage in Anspruch nehmen, schätzt eine Gerichtssprecherin.
Frauen sexuell missbraucht, Männer und Kind misshandelt
Zwischen September 2019 und Oktober 2022 soll der 38-Jährige laut Staatsanwaltschaft insgesamt sieben Frauen mehrfach sexuell missbraucht und körperlich misshandelt haben. Drei der Frauen hat er demnach als Geiseln festgehalten. Weitere zwei Frauen, sein eigenes Kind und drei Männer habe er körperlich misshandelt.
Einer der betroffenen Männer ist der 24-jährige Bruder des Angeklagten, gegen ihn ist ebenfalls Anklage erhoben worden. Er wird als Mittäter beschuldigt.
Heimlicher Notruf: Freundin alarmiert Polizei
Ein nächtlicher Notruf hatte am 18. Oktober 2022 die Ermittlungen ins Rollen gebracht: Eine Frau hatte sich aus dem Haus des Angeklagten im kleinen Walldürner Ortsteil Altheim per Handy heimlich an eine Freundin gewandt, diese hatte daraufhin die Polizei alarmiert.
Die Beamten trafen im Haus des Angeklagten vier Frauen an, zunächst galten drei davon als Opfer. Im Zuge der Ermittlungen jedoch zeigte sich schnell, dass der Kreis der möglichen Opfer größer sein könnte. Vermuteten die Ermittler noch im Februar 2023 insgesamt vier Opfer, geht es jetzt beim Prozess vor dem Mosbacher Landgericht um insgesamt 13 geschädigte Personen.
Selbst ernannter Coach und Psycho-Trainer
Der mutmaßliche Haupttäter war in den vergangenen Jahren unter anderem als "Life-Coach" tätig, veröffentlichte zahlreiche Videos und veranstaltete Online-Seminare zu verschiedensten Themen. Seine Videos "Fünf Minuten Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung" haben im Internet mehrere tausend Aufrufe. In einem seiner Kurz-Videos rät er unglücklichen Menschen: "Lerne, Dich zu kontrollieren!"
Die Staatsanwaltschaft ist im Gegensatz dazu überzeugt, dass es dem 38-Jährigen darum gegangen sei, andere zu kontrollieren: Er habe über seine Coaching-Angebote insbesondere junge, verunsicherte Frauen gesucht und ihnen einen vermeintlichen Halt angeboten. Die Frauen seien dann zu einem sogenannten Boot-Camp, einem Trainingslager, nach Walldürn eingeladen worden. Hier wurde laut Anklage der Widerstand der Frauen "durch verbale Erniedrigungen und routinemäßige schwere Gewaltanwendungen" gebrochen, um sie mehrfach sexuell zu missbrauchen.
Warum hatte sich zuvor keins der Opfer an die Polizei gewandt?
Für den Prozess sind insgesamt fast 40 Verhandlungstage bis Ende September angesetzt. Anwälte der Nebenklage haben angekündigt, dass sie zu Prozessbeginn beantragen wollen, die Öffentlichkeit während des gesamten Verfahrens auszuschließen.
Im Verlauf des Prozesses soll auch geklärt werden, ob bei den Geschehnissen in Walldürn-Altheim Drogen im Spiel waren und warum sich bis zu jenem 18.Oktober 2022 keines der Opfer an die Polizei gewandt hatte.