Nach Wechsel von den Grünen zur CDU

Interview mit Melis Sekmen: "Man muss irgendwann die Reißleine ziehen"

Stand
Autor/in
Patrick Figaj
SWR Journalist Patrick Figaj

Ein politischer Wechsel, der für Wirbel sorgte: Die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen ist jetzt CDU-Mitglied. Und keine Grüne mehr. Im SWR-Interview erzählt sie, warum.

Melis Sekmen ist bei der CDU angekommen, seit Dienstagabend ist sie Mitglied im Kreisverband Mannheim und damit nicht länger Grünen-Politikerin. Ihr Parteiwechsel hatte auf bundespolitischer Ebene für Aufsehen gesorgt. Manche gratulierten der Wirtschafts-Politikerin, andere forderten sie auf, ihr Mandat niederzulegen. Sekmen äußerte sich in den sozialen Medien, ordnete sich aber zunächst in vielen persönlichen Gesprächen in Berlin und Mannheim.

Im SWR-Interview spricht sie jetzt zum ersten Mal ausführlich über ihre Gründe, die Partei zu wechseln.

SWR Aktuell: Sie sind am Dienstagabend vom CDU-Kreisverband Mannheim aufgenommen worden. Der Vorstand hat einen entsprechenden Antrag einstimmig angenommen. Frau Sekmen, wie klingt das für Sie: Melis Sekmen, CDU Mannheim?

Melis Sekmen: Das ist jetzt für mich ein neuer politischer Lebensabschnitt. Und das ist für mich eine Entscheidung, für die es auch schon lange Zeit wurde. Ich freue mich jetzt auf das, was kommt. Ich freue mich, in den nächsten Wochen die CDU-Mitglieder kennenzulernen und natürlich auch meine politische Arbeit hier vor Ort weiter fortzuführen und auch in der Bundestagsfraktion. 

SWR Aktuell: Sie waren jahrelang Politikerin der Grünen. Wird denn die CDU Mannheim mit Ihnen auch ein Stück weit grüner?

Sekmen: (lacht) Also ich werde mich natürlich auch weiterhin für den Umweltschutz einsetzen. Das ist ganz klar und das liegt nicht nur an meiner politischen Vergangenheit. Sondern auch daran, dass mir sehr früh beigebracht wurde, dass man das, was einem geschenkt wurde, erhalten und auch schützen muss. Der Umwelt- und Klimaschutz wird mir weiterhin ein Herzensanliegen sein. Und ich werde mit allen konstruktiven Menschen in Mannheim und auch in Berlin natürlich dafür kämpfen, dass wir den auch voranbringen.

SWR Aktuell: Sie waren diese Woche in Berlin, haben erste Gespräche geführt. Auch im Kreis der CDU. Sie scheinen sich dort sehr wohlgefühlt zu haben. Wie war der Start für Sie?

Sekmen: Ich wurde sehr gut empfangen. Ich habe ja schon vorher in der Bundestagsfraktion die Abgeordneten gekannt. Von daher gab es da auch schon erste Kontakte. Es ist ja nicht immer selbstverständlich, dass man mit offenen Armen empfangen wird, und das hat mich wirklich sehr erleichtert. Das war auch nicht aufgesetzt, sondern es kam von Herzen. Das hat mir auch ermöglicht, gut durch diese Zeit zu kommen. Sie können sich vorstellen, da war sehr viel Wirbel letzte Woche. Ich bin einfach dankbar dafür, dass meine Kolleginnen und Kollegen dafür gesorgt haben, dass ich gut durch diese Woche gekommen bin. Das hat mir Halt gegeben. Und das zeigt mir, dass wir da eine sehr gute Zusammenarbeit haben werden.

SWR Aktuell: Sie sprechen den Wirbel an: Im Fußball läuft beispielsweise gerade die Transferphase. Da gibt es viele Wechsel. Vor allem Spielern, die ihrem Verein lange treu waren, wird vorgeworfen, dass sie in gewisser Weise Verrat begehen wenn sie wechseln. Ihnen wurde ähnliches vorgeworfen. Wie geht es Ihnen damit?

Sekmen: Ich kann damit gut umgehen. Ich kann das natürlich auch nachvollziehen. Ich verstehe, dass einige Menschen enttäuscht sind. Ich wünsche mir aber natürlich, dass man sich die Begründung genau durchliest. Ich habe die Grünen hier mitgeprägt und so ein Wechsel hat natürlich unterschiedliche Ebenen. Da gibt es die inhaltliche Ebene, aber auch die kulturelle Ebene. So eine Entscheidung fällt man nicht einfach von heute auf morgen.

Es ist kein Fehler, einen Platz zu verlassen, wo man den Eindruck hat, nicht mehr gestalten zu können. Weil man nicht mehr ins politische Gesamtbild passt.

Man hat als Politikerin, als gewählte Vertreterin, auch den Auftrag sich zu positionieren und zu gestalten. Das nehme ich ernst. Und wenn es so weit ist, dass man vielleicht einfach bestimmte Dinge nicht mehr vor Ort vertreten kann, muss man halt irgendwann die Reißleine ziehen und eine Entscheidung treffen. Jetzt hätte ich mir das auch deutlich einfacher machen können und sagen können, ich mache nochmal ganz gemütliche eineinhalb Jahre und ziehe mich dann zurück. Aber das ist nicht mein Anspruch an Politik. Sondern ich bin in die Politik gegangen, um umzusetzen, um zu machen und zu gestalten...

SWR Aktuell: ... um vielleicht auch schwierige Themen anzusprechen. Das ist ja etwas, was immer mitschwingt. Haben Sie das Gefühl, dass es als Politikerin immer schwieriger wird die richtigen Worte zu finden, um nicht in den nächsten "Shitstorm" zu geraten? Dass man deshalb unbequeme Themen umschifft?

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13 Jahre war Sekmen Mitglied der Grünen. Ihre Ankündigung, die Partei zu wechseln, sorgte für Aufruhr. Die Bundestagsabgeordnete wird künftig für die CDU im Parlament sitzen.

SWR4 am Dienstagabend SWR4

Sekmen: Also wir sehen ja, dass ein großer Spalt durch die Gesellschaft geht. Gerade bei den Themen wie Migration oder Integration. Aber genau deshalb ist es wichtig, dass man unbequeme Realitäten benennt. Die Leute, die sich dafür einsetzen, dass wir Migration steuern und ordnen müssen, sind keine Rassisten. Und die Menschen, die sagen, wir müssen uns für die humanitäre Verpflichtung einsetzen, sind keine Gutmenschen. Das ist eine Debattenkultur, die vergiftet einiges, finde ich. Und wir wissen alle:

Wenn wir zwei Pole haben, dann ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die beste Lösung in der Mitte.

Und genau diese Stimmen aus der Mitte müssen wir stärken. Sonst geht die AfD genau in diesen Spalt rein. Und das wollen wir nicht. Umso wichtiger ist es, dass wir eine Debattenkultur zulassen, in der wir unsere Worte achtsam wählen, in der aber auch Kritik Raum gegeben wird.

SWR Aktuell: Das wird vor allem in den kommenden Monaten auch von Ihnen als CDU-Frau die Aufgabe sein - auch mit Blick auf die Bundestagswahl. Ganz persönlich: Blicken Sie bereits so weit voraus?

Sekmen: Priorität hat für mich, meine Arbeit für die Menschen in Mannheim und für meine Wirtschafts-Themen fortzusetzen. Es wird jetzt wichtig sein, in der nächsten Zeit auch ins Gespräch zu kommen. Bei den Menschen vor Ort präsent zu sein und auch genau diese schwierigen Themen aufzugreifen, um offen darüber zu reden. Und was nächstes Jahr kommt, besprechen wir dann, wenn es so weit ist.

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