Wissenschaftler des Heidelberger Krebsforschungszentrums haben herausgefunden, dass ein Epilepsie-Medikament Kindern mit einem seltenen, dem Autismus ähnelndem Gendefekt helfen könnte. Der Gendefekt MYT1L wirkt sich negativ auf die Reifung der Nervenzellen im Gehirn aus. Um die Wirkung des Epilepsie-Medikaments endgültig nachzuweisen, braucht es eine Studie, die rund eineinhalb Millionen Euro kosten soll.
Die siebenjährige Clara Herfort aus der Region Heilbronn hat den seltenen Gendefekt. Als sie auf die Welt kam, schien alles normal. Doch mit ein paar Monaten fing sie an, schrill zu schreien, bewegte sich kaum, war insgesamt entwicklungsverzögert. Hinzu kamen Verhaltensauffälligkeiten. Doch bis zum vergangenen Jahr wusste ihre Familie nicht einmal, was Clara fehlt. Dank einer umfangreichen genetischen Analyse fanden die Ärzte bei der Siebenjährigen die seltene Krankheit.
Symptome ähneln dem Autismus
Die Symptome von MYT1L ähneln dem Autismus. Maja Hempel vom Universitätsklinikum Heidelberg erklärt, bei MYT1L-Patienten fehle die Feinjustierung im Gehirn. Die Entwicklungsstörung betreffe die sprachliche, kognitive und motorische Entwicklung der Patienten. Kinder mit dem seltenen Gendefekt hätten immer einen erhöhten Erregungszustand. Das habe die Krankheit mit dem reinen Autismus gemeinsam.
Epilepsie-Medikament soll helfen
Forschende aus Heidelberg haben herausgefunden, dass ein Epilepsie-Medikament MYT1L-Symptome lindern kann. Dazu wurden Mäuse mit dem Gendefekt untersucht. Jetzt wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch Menschen mit MYT1L untersuchen. Das verwendete Epilepsie Medikament ist bereits ausreichend getestet und auf dem Markt verfügbar, erklären die Forschenden.
Die Familie von Clara Herfort will an einer Studie dazu teilnehmen. Die Finanzierung sei allerdings schwierig, weil das Medikament bereits auf dem Markt ist und es sich um eine seltene Erkrankung handelt, betonen die Verantwortlichen. Allerdings gäbe es keine verlässlichen Zahlen. Laut den Forschenden lassen neue genetische Untersuchungen vermuten, dass MYT1L bei Weitem nicht so selten ist wie gedacht. Claras Eltern und andere betroffene Familien wollen sich deshalb gemeinsam für die Studie stark machen. Diese würde rund 1,5 Millionen Euro kosten.
Medikament kann möglicherweise auch gegen Autismus helfen
Da MYT1L Ähnlichkeiten mit dem klassischen Autismus aufweist, hoffen die Forschenden auch hier, Erfolge mit dem Epilepsie-Medikament zu erzielen. Allerdings gebe es dazu im Moment noch keine Erkenntnisse. Die Forschung beschränke sich noch spezifisch auf MYT1L, erklärt Moritz Mall vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.