Heidelberger Studentenverbindung

Warum sich die umstrittene "Burschenschaft Normannia" umbenennen will

Stand
Autor/in
Kai Laufen

Die umstrittene Heidelberger Studentenverbindung "Burschenschaft Normannia" will offenbar ihren Namen ändern. Das geht aus internen Schreiben hervor, die dem SWR vorliegen.

Groß, blond und wild - das sind offenbar attraktive Attribute in Kreisen von Studentenverbindungen. Julius Caesar beschrieb so einst die Kimbern, einen germanische Volksstamm, dessen Siedlungsgebiet er "Cimbria" nannte. Mehr als ein Dutzend Studentenverbindungen tragen die Kimbern heute als Bestandteil ihres Namens - nun soll eine weitere hinzukommen. Denn die Heidelberger "Burschenschaft Normannia" will sich in "Burschenschaft Cimbria" umbenennen.

So zumindest geht es aus internen Papieren der umstrittenen Burschenschaft hervor, die dem SWR vorliegen. Sie stammen von der Autonomen Antifa Freiburg, die in den vergangenen Wochen detailreich über interne Vorgänge in Studentenverbindungen berichtet hat. Sie zeigen, wie die Burschenschaft daran scheiterte, den antisemitischen Vorfall vor rund drei Jahren und dessen Vorgeschichte aufzuarbeiten.

Antisemitischer Vorfall bei "Burschenschaft Normannia"

Im August 2020 war es bei einer Feier in dem Heidelberger Verbindungshaus der "Burschenschaft Normannia" zu einem antisemitischen Vorfall gekommen. Ein damals 25-Jähriger soll antisemitisch beleidigt und mit Gürteln geschlagen worden sein. Im Dezember vergangenen Jahres verurteilte das Heidelberger Amtsgericht drei von vier Angeklagten zu je acht Monaten Haft auf Bewährung, ein vierter Mann wurde freigesprochen. Zuletzt hatten drei der Angeklagten Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Dieser Vorfall sorgte für große mediale Aufmerksamkeit im In- und Ausland. In der Folge löste die Burschenschaft zunächst ihre sogenannte "Aktivitas" auf, also den Teil der Burschenschaft, in dem Studierende organisiert sind. Die Zahl der verbliebenen sogenannten "Alten Herren" halbierte sich im Laufe der folgenden zwei Jahre.

"Glorifizierendes Bekenntnis zum Nationalsozialismus"

In einem aktuellen Schreiben vom Mai dieses Jahres bittet ein führender Vertreter der Heidelberger Studentenverbindung die übrigen "Alten Herren" um Unterstützung: "Die Bundesbrüder vor Ort, die den Wiederaufbau wagen wollen, brauchen jetzt unsere Rückendeckung, um zumindest den Ansatz einer Möglichkeit eines Wiederaufbaus zu haben." Die Umbenennung markiert also offenbar einen Tiefpunkt in der Geschichte der "Burschenschaft Normannia". Allerdings nahm diese Entwicklung schon vor dem antisemitischen Vorfall ihren Lauf, wenn man den Worten eines damaligen Mitglieds der "Aktivitas" glauben darf.

Im August 2019, also ein Jahr vor dem antisemitischen Vorfall, hatte dieser sich per Email an die "Alten Herren" der Burschenschaft gewendet: "Der größte Missstand innerhalb des Bundes und der Aktivitas ist leider der im letzten Jahr massiv aufkeimende Rechtsextremismus und das offene, glorifizierende Bekenntnis zum Nationalsozialismus, das über Privatsache sogar hinausging, und den Bundesbrüdern, die sich nicht als solche sehen, aufgezwungen werden."

Der Brandbrief benannte auf mehr als zwei Seiten eine ganze Reihe einschlägiger Vorfälle und Zusammenhänge. Ob und wie die "Alten Herren" auf diese Schilderungen eines "Aktivitas" reagierten, lässt sich den Unterlagen, die dem SWR vorliegen, nicht entnehmen. Eine schriftliche Anfrage dazu blieb von der "Normannia" unbeantwortet.

Burschenschaft Normannia
Das Haus der "Burschenschaft Normannia" unweit des Schlosses in Heidelberg.

Ein Teil der Verantwortlichen wollte die Dinge offenbar nicht so weiterlaufen lassen, sondern zumindest aufklären. Der damalige Vorsitzende der "Alten Herren" rief seine Mitstreiter in einer Email vom Februar 2021 dazu auf, entsprechende "Leitlinien" zu unterschreiben: "Wenn das nicht aufgearbeitet wird und wir uns nicht durch ein klares Statement (Leitlinien) von Straftaten und Extremismus distanzieren, die mit burschenschaftlichen Idealen, auf die wir uns so gerne berufen, nicht in Einklang zu bringen sind, sehe ich in der Tat schwarz für unsere Gemeinschaft."

Eine der "Leitlinien" war das Bekenntnis zur "besonderen Verantwortung Deutschlands für die Opfer des Nationalsozialismus". Doch dem wollten offenbar nicht alle "Korporierten" nachkommen. Manche traten stattdessen aus der "Burschenschaft Normannia" aus. Die entsprechende Leitlinie höre "sich nach Begleichung einer monetär nicht zu begleichenden Schuld an", begründet ein "Alter Herr" seinen Austritt aus der Burschenschaft im März 2021: "Der Terror der NS- Herrschaft ist bei weitem nicht einzig auf dieser Welt, der Terror hat viele grausame Facetten. Jedoch wird noch immer die für jetzt in Deutschland lebende Urbevölkerung der Schuldkult aufrecht erhalten. Die Tätergeneration ist um die 100 Jahre alt. Wir sollen wohl ewig im Staub krauchen."

Belastendes Erbe für die Kimbern

Der damalige "Alte Herr" und AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth begründete in einer Email an seine "lieben Bundesbrüder" im Mai 2021 seine Weigerung, die "Leitlinien" zu unterschreiben mit dem Hinweis auf Punkt drei, nach dem die Mitglieder der Burschenschaft Normannia nicht in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung oder Partei aktiv sein dürften. Die AfD war zu diesem Zeitpunkt vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft.

Auf SWR-Anfrage teilte Wirth mit, er sei nicht mehr Mitglied der Normannia. Er fühle sich den "burschenschaftlichen Idealen und Grundsätzen (…) nach wie vor verpflichtet", wollte aber die "Leitlinien" nicht unterschreiben, da es sich "schlicht um Selbstverständlichkeiten" handle. Wirth betont: "Durch die Satzung der Normannia und den burschenschaftlichen Dreiklang ’Ehre, Freiheit, Vaterland’ ist ohnehin jeder Normanne an den sinngemäßen Inhalt dieser Leitlinien gebunden. Dafür bedarf es keiner weiteren Erklärung. Anders gesagt: Als Mitglied einer Organisation, welche sich für einen freiheitlich, demokratischen Rechtsstaat, bereits lange bevor dieser in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht war, eingesetzt hat, brauche ich mich nicht zu diesen Grundsätzen mit einer Unterschrift bekennen."

Es sei ohnehin klar, dass eine Person, die einen unfreiheitlichen, antidemokratischen Unrechtsstaat anstrebt, schon qua Satzung und aufgrund der gelebten Tradition der Burschenschaft kein Mitglied der Normannia sein kann, so der AfD-Bundestagsabgeordnete und ex-Normannia-Burschenschafter Christian Wirth.

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