Annely Putz und ihr Verein "Ahimsa e.V." retten Rennpferde, die zu alt oder krank für den Sport sind. Zurzeit schenkt die 56-Jährige drei ausgemusterten Vollblütern auf einer Weide im Odenwald ein zweites Leben - ganz ohne Karrierestress.
Sevi ist gerade einmal fünf Jahre alt, da ist seine Karriere schon vorbei. Sein Körper konnte der Belastung beim Rennsport nicht lange standhalten. Der Druck war zu hoch. "Als er hierher kam, war er eine komplette Baustelle. Er war sehr dünn, voller Krankheiten und anfangs super unruhig und scheu", erinnert sich Annely Putz, Mitbegründerin und Vorsitzende von "Ahimsa e.V.".
Auf Münchener Galopprennbahn holte Sevi den Sieg
Sechs Wochen vorher hatte Sevi noch ein Pferderennen in München gewonnen. Dabei legte er zunächst einen Fehlstart hin, bei Zuschauern und Trainern war er schon abgeschrieben. Doch dann galoppierte der Wallach los und rannte allen davon. Mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde überholte das englische Vollblut die Konkurrenz und überquerte als Erster die Ziellinie.
Danach trat Sevi nie mehr bei einem Galopprennen an. Er war verletzt, der Wallach hatte sich einen Sehnenschaden zugezogen. Wann das genau passierte, ist unklar. Fortan war der Vollblüter unbrauchbar für die Rennbahn. Pferdeliebhaberin Annely Putz aus Ladenburg (Rhein-Neckar-Kreis) bekam ihn zum Kauf angeboten. Sie erwarb das ausgemusterte Rennpferd für rund 5.000 Euro. "Ein Schnäppchen für Vollblüter", sagt die 56-Jährige.
Pflegefall mit fünf Jahren
Annely Putz arbeitet in Vollzeit als PR-Beraterin, doch die Tiere geben ihr den Rhythmus vor. Am späten Abend arbeitet sie, tagsüber ist die Ladenburgerin bei den drei Pferden. "Ich kann mir ein Leben ohne die Vollblüter nicht mehr vorstellen", sagt sie. Besonders hart sei es, wenn die Pferde krank zu ihr kämen.
Als Sevi im September 2021 sein neues Zuhause im Odenwald bezog, war seine Situation katastrophal. Ein erster Check der Tierärztin ergab: Magengeschwüre, ein angerissenes Knieband, schlechte Leberwerte, kaputte Hufe. Daher baute sich Annely Putz zeitweise ein Zelt auf der Koppel auf, um seinen Zustand auch nachts beobachten zu können.
"Es hat ein Jahr gedauert, bis wir Sevi auf Kurs hatten", resümiert Tierärztin Dorothea Weber. Inzwischen isst er gut, wiegt gesunde 560 Kilogramm und teilt sich mit der 24-jährigen Stute Rose einen Stall. Aber auch nach knapp drei Jahren machen das Knie und die Hufe immer noch Probleme.
Kein Einzelfall, erklärt die Veterinärin, denn die Tiere würden hochgezüchtet und trainiert, um auf den Galopp-Rennbahnen Bestleistungen zu bringen. Nach ihrem Karriereende seien die Pferde aber für den Freizeitsport ungeeignet, denn Vollblüter sind anspruchsvoll und nicht einfach zu reiten.
Das System Reitsport - ein lukratives Geschäft
Der Pferde-Rennsport ist ein Milliardengeschäft. 2023 wurden in Deutschland fast 29 Millionen Euro Umsatz mit Pferdewetten erzielt, so der Dachverband der Pferderennen "Deutscher Galopp". Über zweitausend Rennpferde wurden für die 120 Wettkämpfe im vergangenen Jahr trainiert. Laut Deutschem Tierschutzbund starben 2023 sechs Pferde auf der Rennbahn. Wie viele Tiere beim Training verendeten, ist unbekannt.
Der Verein Ahimsa e.V. sucht Paten für weitere Rennpferd-Rentner
Jeder, der ein Tier hat, weiß, wie schnell Tierarztkosten explodieren können. Annely Putz kalkuliert pro Pferd etwa 800 Euro durchschnittlich im Monat - ohne besondere Verletzungen. Nichts, was sie sich alleine leisten könnte. Um die Kosten zu finanzieren, hat sie vor zwei Jahren den Verein "Ahimsa e.V." gegründet. Sie suchen nun Paten und Sponsoren für weitere Tiere. Der Platz im Odenwald reicht für bis zu 50 ehemalige Rennpferde.
Sevi hat bei Annely Putz und ihren Mitstreitern gute Chancen auf ein langes Leben nach dem Rennsport, Vollblüter können 25 bis 30 Jahre alt werden. Auf seiner Koppel im Odenwald genießt der Wallach nun einen ruhigen Lebensabend - ohne jeglichen Karrierestress.