Mangel an Personal und Geld

Bundestag stimmt über Krankenhausreform ab: BW kritisiert Finanzierung

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Samantha Ngako
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Nicole Freyler
Nicole Freyler

In den Krankenhäusern gibt es zu wenig Personal und es mangelt am Geld. Eine Krankenhausreform soll nun Abhilfe schaffen. Heute berät der Bundestag über eben diese. Kritik gibt es aber jetzt schon - auch aus BW.

Der Bundestag stimmt am Donnerstag nach langen Vorarbeiten über die umstrittene Krankenhausreform ab. Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollen die Situation der Krankenhäuser in Deutschland verbessern - sie entlasten, eine bessere Versorgung gewährleisten und eine stärkere Spezialisierung durchsetzen.

Die Krankenhäuser im Land sind längst behandlungsbedürftig, viele kämpfen ums Überleben und sind so nicht zukunftsfähig, sagt der Gesundheitsökonom Jan-Marc Hodek von der Hochschule Ravensburg-Weingarten. "Wir haben hier sicherlich eine teilweise lebensbedrohliche Situation für einige Klinikträger", so Hodek.

BW: 199 Krankenhäuser an mehr als 230 Standorten

In Baden-Württemberg gibt es dem Sozialministerium zufolge derzeit 199 Krankenhäuser an über 230 Standorten. Von ihnen kommt heftige Kritik. Die Finanzlage sei dramatisch und weiter ungelöst, mahnt Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Er sagt, das Gesetz sehe bisher "keinerlei Linderung für die dramatische Finanzlage der Krankenhäuser in Deutschland und in Baden-Württemberg" vor. 85 Prozent der Krankenhäuser in Baden-Württemberg erwarteten für 2024 ein Defizit.

"In der Summe haben die Krankenhäuser in Baden-Württemberg aktuell ein Defizit von 900 Millionen Euro pro Jahr. Und das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen. Das heißt, die Kliniken müssen dann reagieren, oder ganze Abteilungen schließen, oder werden eventuell übernommen, oder gehen in Insolvenz", so Scheffold, der auch Landrat des Alb-Donau-Kreises ist. Im Gesetz würde ein Inflationsausgleich fehlen, gleichzeitig würden zu viele Leistungen gestrichen werden. Lauterbach plant mehr ambulante Behandlungen und eine stärkere Spezialisierung.

Wir haben persönlich eine solche Ignoranz - und ich würde auch sagen Arroganz - noch nie erlebt von einem Bundesminister. Dass er alles, was an Vorschlägen, an Eingaben, kommt, faktisch komplett ausblendet.

Auch der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha von den Grünen sieht noch Verbesserungsbedarf bei der Klinikreform. Finanzielle Mittel für Baden-Württemberg würden nicht ausreichen, betonte er vergangene Woche im Landtag. "Davon ist abhängig, ob wir im Interesse des Landes im Bundesrat zustimmen können, oder nicht. Ich kann doch nicht diese Millionenbeträge aus dem Land fließen lassen", so Lucha.

Viel Kritik kommt zudem von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Sie befürchtet, dass durch die Reform die Versorgung im ländlichen Raum leiden werde.

Vergütung mit Fallpauschalen soll geändert werden

Die bisherige Vergütung mit Fallpauschalen soll mit der Reform geändert werden. Kliniken sollen 60 Prozent der Vergütung schon für das Bereitstellen bestimmter Angebote bekommen.

Die Lage der Krankenhäuser habe sich zuletzt durch Corona, Inflation, höhere Gehälter und zu wenig Investitionen der Länder zugespitzt, so Gesundheitsökonom Hodek. "Auch hier in Baden-Württemberg haben wir ein ökonomisches Grundproblem. Die Kliniken sind nicht ausgelastet." Nach den neusten Zahlen des Statistischen Bundesamtes seien im Bundesdurchschnitt und auch in Baden-Württemberg nur 71 Prozent der Betten in Kliniken ausgelastet. "Da stehen gerade Kapazitäten frei, die werden nicht mehr so benötigt wie vor einigen Jahren noch, weil die Medizinwelt sich dreht", so der Gesundheitsexperte.

Die Idee ist, fahr' ein paar Minuten länger - treffe dafür auf eine bessere Infrastruktur.

Krankenhausreform als Chance für mehr Qualität?

Der Gesundheitsexperte Hodek hält die Reform für grundsätzlich richtig und sieht sie als Chance für mehr Qualität - auch wenn Häuser geschlossen werden. Nur schnelle Erfolge wird es seiner Ansicht nach nicht geben: "Wir dürfen jetzt nicht erwarten, dass jetzt kurzfristig die Welt eine andere ab Jahreswechsel sein wird."

Fest steht: Das letzte Wort in Sachen Krankenhausreform wird am Donnerstag nicht gesprochen. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich im November mit der Reform befassen. Bis dahin will Lucha nach Angaben seines Ministeriums noch viele Gespräche in Berlin führen. Die Krankenhausreform soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

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