Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) hat den Entwurf der Krankenhausreform erneut scharf kritisiert und weitere Nachbesserungen vonseiten der Länder angekündigt. Das Bundeskabinett hatte die Reform am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Die Bundesländer würden den Entwurf noch "maximal bearbeiten", sagte der Minister bei einer Debatte zur Lage der Krankenhäuser am Mittwoch im Landtag in Stuttgart. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe die Länder nicht gehört und nichts von ihren Vorschlägen übernommen. Die Länder würden daher im Bundesrat ihre Interessen bei der Krankenhausreform vertreten.
Lauterbach hat das Gesetz zwar nicht mehr so angelegt, dass es im Bundesrat zustimmungsbedürftig ist - die Länder können dort aber den Vermittlungsausschuss anrufen und damit das Verfahren ausbremsen. Zuvor kommt das Gesetz nun in die Beratungen im Bundestag. In Kraft treten soll es Anfang 2025, die konkrete Umsetzung soll dann Schritt für Schritt in den Jahren danach folgen.
Krankenhausreform: Keine Pauschalen mehr für Behandlungsfälle
In Berlin gebe es die Vorstellung, man könne zentralistisch entscheiden, was vor Ort gut sei. Man halte die Länder für hinterwäldlerische Wegelagerer, die sich Geld schnappen und unter dubiosen Gesichtspunkten verteilen würden, so Lucha im Landtag. "Dieses zentralistische Urmisstrauen, wir würden vor Ort Schindluder treiben, ist weder angemessen noch zielführend." Wenn die Länder bestimmte Ausnahmebedingungen wünschten, dann nur, um vor Ort eine sinnvolle Behandlung umsetzen zu können.
Zuvor hatte Lucha in der "Augsburger Allgemeinen" Lauterbach mehrfachen Wortbruch vorgeworfen. Der Minister habe bei der Reform "den Weg der Verständigung mit den Ländern verlassen und hält sich nicht mehr an gemeinsame Absprachen", kritisierte Lucha. Er leitet seit langem die Verhandlungen aufseiten der Bundesländer. Parteiübergreifend forderten alle 16 Länder-Gesundheitsminister Änderungen, fügte er hinzu und drohte mit einer Blockade der Gesetzespläne im Bundesrat durch den Vermittlungsausschuss.
Die Reform soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle ändern. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen zudem genauer definierte "Leistungsgruppen" sein. Sie sollen bestimmte Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben absichern.
SPD: Lauterbachs Reform ist Meilenstein
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Florian Wahl, verteidigte die Pläne Lauterbachs. Er sprach von einem Meilenstein. "Wir sichern mit dieser Krankenhausreform die Krankenhäuser im ländlichen Raum und machen Schluss mit der Kommerzialisierung, indem wir mit den Vorhaltepauschalen neue Strukturen schaffen", sagte Wahl.
Er warf der Landesregierung vor, ihren eigenen Job nicht zu machen. Die Finanzierung von Krankenhäusern ist in Deutschland zweigeteilt: Die Betriebskosten, also alle Kosten, die durch die Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, werden von den Krankenkassen bezahlt. Die Investitionskosten etwa für Neubauten oder neue Geräte tragen die Bundesländer. Dieser Aufgabe komme die grün-schwarze Landesregierung seit Jahren nicht nach, sagte Wahl: "Das reicht vorne und hinten nicht."
CDU: Krankenhäuser in BW haben effiziente Strukturen
Die finanzielle Lage der Kliniken sei nicht hinnehmbar, sagte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Teufel in Richtung Bundesregierung. Und das, obwohl Baden-Württemberg seine Hausaufgaben gemacht habe. Man verfüge seit Jahrzehnten über effiziente Krankenhausstrukturen und habe die niedrigste Bettendichte und die niedrigsten Krankenhauskosten je Einwohner im Bundesvergleich.
CDU-Fraktionschef Manuel Hagel hatte zuvor mehr finanzielle Unterstützung des Bundes gefordert. Auch er kritisierte Lauterbachs Pläne. Die Reform sei handwerklich missraten und stelle die Häuser vor allem in Baden-Württemberg vor massive Schwierigkeiten. "Sie wird eine Schließungswelle auslösen", warnte er.
Krankenhausgesellschaft warnt vor Kliniksterben
Zuvor hatte die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) mehrfach Hilferufe an die Politik gerichtet, unabhängig von Lauterbachs Krankenhausreform. 85 Prozent der Kliniken in Baden-Württemberg befürchteten in diesem Jahr hohe Defizite, warnt die BWKG. Laut Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzender der BWKG, fehlen in ihren Wirtschaftsplänen allein im laufenden Jahr 900 Millionen Euro.
Weil auch die Ergebnisse des vergangenen Jahres schlechter als befürchtet ausgefallen seien, fehlten den Kliniken in den Jahren 2023 und 2024 mehr als 1,5 Milliarden Euro. 2022 schrieben laut BWKG knapp 59 Prozent der Krankenhäuser in Baden-Württemberg rote Zahlen. 2020 hatte noch fast jedes zweite Haus Gewinne gemacht. Drei Kliniken in Baden-Württemberg befinden sich derzeit im Insolvenzverfahren: zwei in Heidelberg, eine in Wertheim (Main-Tauber-Kreis).
900 Millionen Euro Defizit im laufenden Jahr Kliniksterben befürchtet - Krankenhäuser in BW rufen erneut um Hilfe
Ein Loch von 900 Millionen Euro klafft in den Büchern der Kliniken in BW allein im laufenden Jahr. Ohne Hilfe droht laut Krankenhausgesellschaft vielen Häuser das Aus.