Lücken in den Weinbergen von Mittelbaden

Winzer aus Sasbachwalden: "Wir arbeiten lieber im Weinberg und nicht am Schreibtisch!"

Stand
Autor/in
Mirka Tiede
SWR-Reporterin steht in einem Großraumbüro

Viel Papierkram und hohe Kosten machen den Weinanbau unattraktiv. In Mittelbaden kommt bei den Winzern kaum Nachwuchs nach. So entstehen immer wieder Lücken in den Weinbergen.

Wer aktuell in Sasbachwalden (Ortenaukreis) in die Weinberge blickt, dem dürften immer mal wieder Lücken auffallen. Weil der Nachwuchs fehlt, werden viele Weinberge nicht mehr bewirtschaftet. Ein Problem, das sich laut Ulrich Theileis, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands, quer durch alle Weinanbaugebiete in Baden-Württemberg zieht.

Ulrich Theileis, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands:

Genossenschaftsverband: Nachwuchs hat weniger Lust im Weinanbau zu arbeiten

Seiner Meinung nach fehlt den jungen Menschen in dem Beruf die Perspektive. Es gebe in Deutschland einen wirtschaftlichen Standortnachteil zum Beispiel durch die viele Regulatorik und den Mindestlohn.

Durch die vielen Hürden mache der Beruf auch keinen Spaß mehr. Es fehle bei vielen die Lust und Laune, den Weinanbau aufzunehmen. Und viele Winzer würden auch den Betrieb gar nicht mehr weitergeben wollen. "Die ältere Generation sagt, wir lassen es danach sein", erzählt Theileis im Gespräch mit dem SWR.

Wir sind nicht mehr so, dass man gerne wie früher den ganzen Tag für sein Weingut brennt und kämpft. Sondern man guckt auf die acht Stunden am Tag.

Auch Winzer Günter Lehmann von der Winzergenossenschaft Alde Gott in Sasbachwalden nervt die viele Bürokratie, mit der sich die Winzer beschäftigen müssen. Und die wird laut Lehmann nicht weniger, sondern immer mehr.

Kleine Qualitätskontrolle: Winzer Günter Lehmann von Alde Gott in Sasbachwalden probiert auf seinem Weinberg eine Traube.
Kleine Qualitätskontrolle: Winzer Günter Lehmann von Alde Gott in Sasbachwalden probiert auf seinem Weinberg eine Traube.

Wir Winzer arbeiten lieber draußen im Weinberg in unseren Reben, mit unseren Reben und nicht zu Hause am Schreibtisch.

Genossenschaftsverband: Winzer gehen unterschiedlich mit Lücken um

Die Winzer gehen laut Theileis unterschiedlich mit den Lücken um. Einige gingen das sehr fokussiert an und versuchten, die Lücken mit einer Art Flurbereinigung zu schließen. Klar geordnete Flächenkonzepte gebe es aber noch nicht. Wiederum andere seien eher passiv und hofften, dass sich die Problematik löse.

Ein Weinberg in Sasbachwalden. Viele Touristen kommen hier wegen der schönen Aussicht her.
Ein Weinberg in Sasbachwalden. Viele Touristen kommen hier wegen der schönen Aussicht her.

Die brachliegenden Flächen seien aber auch für die benachbarten Winzer ein Problem. "Wenn die gar nicht gepflegt werden, dann ist das innerhalb von einem oder zwei Jahren Wildnis", erzählt Lehmann. Die Pflanzen wucherten dann auch in die Nachbarweinberge hinein, was dazu führe, dass die Weinberge sich schlechter bewirtschaften ließen.

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Und dadurch seien auch Schädlinge und Pilzbefall auf dem Vormarsch. Die Landschaftsveränderung habe auch einen Einfluss auf den Tourismus. Denn gerade Sasbachwalden zieht viele Touristen wegen der schönen Landschaft an. "Einmal eine Brombeerhecke, die ist jetzt kein Problem. Aber wenn es natürlich noch mehr wird und nur noch Unkraut, dann sieht es gar nicht mehr schön aus", sagt der Winzer. Zu sehen ist das bereits in den Weinbergen in Bühl-Eisental (Kreis Rastatt), wo die Hecken der brachliegenden Flächen schon in die Weinberge wuchern.

Mehr als nur Brombeerhecken: In Bühl-Eisental sind die brachliegenden Flächen bereits mit Unkraut überwuchert.
Mehr als nur Brombeerhecken: In Bühl-Eisental sind die brachliegenden Flächen bereits überwuchert. Bild in Detailansicht öffnen
Die Pflanzen der brachliegenden Flächen wuchern in Bühl-Eisental in die benachbarten Weinberge.
Die Pflanzen der brachliegenden Flächen wuchern in die benachbarten Weinberge. Bild in Detailansicht öffnen
Schädlinge und Pilzbefall machen den Weinreben in Bühl-Eisental zu schaffen.
Schädlinge und Pilzbefall machen den Weinreben zu schaffen. Bild in Detailansicht öffnen

Deutsche trinken immer weniger Alkohol

Inzwischen steht auch Alkoholkonsum immer mehr in der Kritik. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat im August einen Totalverzicht von Alkohol empfohlen. "Jetzt ist Alkohol nicht gut zu reden, das muss man auch ganz klar sagen. Aber das Glas Wein ist auch ein Kulturgut", kommentiert Theileis die aktuelle Entwicklung. "Das zu verdammen, ist sicherlich nicht hilfreich." Viele Genossenschaften haben darauf reagiert und bieten inzwischen alkoholreduzierte und alkoholfreie Weine und Sekte an.

Auch Lehmann von Alde Gott in Sasbachwalden experimentiert viel mit verschiedenen alkoholfreien Weinen. Die Produktion sei aber nicht so leicht. "Es ist deutlich mehr Aufwand. Denn im Endeffekt haben wir mehr Prozesse", so der Winzer. Um alkoholfreien Wein herzustellen, müsse ein fertiger Wein entalkoholisiert werden.

Bei der Produktion müsse man auch darauf achten, dass der Wein nicht von vornherein zu viel Alkohol hat. "Erst einmal was durch die Gärung hereinbringen und nachher wieder herauszunehmen, ist kontraproduktiv." Und es brauche in einem weiteren Prozess eine Aroma-Rückgewinnung, da der Wein mit dem fehlenden Alkohol keinen Geschmacksträger mehr habe. Insgesamt habe der Winzer dann auch weniger Wein zum Verkaufen. Denn mit dem Alkohol wird dem Wein auch gleichzeitig Flüssigkeit entzogen.

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Winzer Lehmann: Wieder mehr auf regionale Weine zurückgreifen

Von den Konsumenten wünscht sich der Winzer, dass sie wieder die heimischen Produkte schätzen und nicht immer zu Wein greifen, der einmal um die halbe Welt geflogen wird. "Das ist für mich jetzt nicht besonders nachhaltig", gibt er zu bedenken. Von der Politik brauche er verlässliche Rahmenbedingungen, auf die man sich auch über mehrere Jahre hinweg verlassen könne.

Die Hauptweinlese läuft aktuell auf Hochtouren. Durch das wechselhafte Wetter rechnen die Winzer mit einem Rückgang der Erntemenge um bis zu 20 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren. Doch der Jahrgang 2024 soll trotzdem ein sehr guter werden. "Obwohl wir ein recht feuchtes erstes Halbjahr hatten, hatten wir jetzt genug Sonne", erklärt Theileis. Damit 2024 zum richtig guten Jahrgang wird, brauche es aber bis zum Ende der Weinlese Mitte Oktober noch ein paar sonnige Tage und wenig Regen.

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