Pastoralreferent Mathias Fuchs sitzt in seiner weißen Kutte auf einer Bank in der urigen Kneipe Ziegelhütte in Bretten (Kreis Karlsruhe). Im Hintergrund läuft Musik. Das Licht ist gedämpft. Vor ihm sitzt Esther. Während er einen Segensspruch für sie spricht, berühren seine Hände sanft ihren Kopf. Esther ist gerührt und weint.
Die junge Frau hat sich dazu entschieden, ihr frisch gestochenes Tattoo segnen zu lassen. Eine Fehlgeburt und der Tod ihres Vaters kommen darin zusammen, erzählt sie. Nun ist beides als Erinnerung für immer auf ihrer Wade verewigt. "Ich habe schon ganz viel durchgemacht und meine Tattoos stehen auch für diese schweren Zeiten", erklärt sie. Es habe sie sehr berührt, Gott an ihrer Seite zu wissen und dass ihr Tattoo nun gesegnet wurde. "Das gibt mir sehr viel Kraft", sagt sie und wischt sich eine Träne von der Wange.
Tätowierung und Glaube haben Tradition
An diesem Abend spürt man, wie eng der eigene Glaube mit einer Tätowierung verbunden sein kann. Das Publikum ist buchstäblich bunt gemischt: Wer Tattoos hat, zeigt sie auch. Nicht immer sind es religiöse Symbole. Doch hinter jedem Nadelstich steckt eine Geschichte.
Für Mathias Fuchs vom katholischen Dekanat Bruchsal ist das keine Überraschung. Er ist einer der Organisatoren der Veranstaltung und erklärt: "Wir wollen zeigen, dass das eine jahrhundertealte Tradition im Glauben ist, dass man sich tätowieren lässt."
"Tiefgründige Menschen haben Tattoos"
Wenn sich Menschen tätowieren lassen, geht ihnen etwas buchstäblich unter die Haut, sagt er. "Die Tattoos haben eine Bedeutung. Sie spielen auf ein Lebenseregnis an, eine Erfahrung. Und das in den Segen von Gott zu stellen, dass dieser Gott mit uns ist, das versuchen wir zusammenzubringen heute Abend."
Auch Holger findet diese Kombination spannend. Er hat mehrere Tattoos, einige davon mit religiösem Bezug. "Tiefgründige Menschen haben Tattoos und tiefgründige Menschen sind auf der Suche. Und finden vielleicht in der klassischen Kirche nicht mehr das, was sie suchen." Diese beiden Welten miteinander zu verbinden, passt seiner Meinung nach gut zusammen.
Theologe: "Kirche und Tattoos gehören zusammen"
Kirche und Tattoos gehören schon seit Jahrhunderten zusammen, erklärt Theologe und Schriftsteller Paul Campbell aus Wien. Er ist zur Veranstaltung nach Bretten gekommen, um sein Buch zu dem Thema vorzustellen. "Die Kirche hat eine ganz lange Tradition des Tätowierens. Die Jerusalemer-Pilgertätowierung gibt es schon seit über 700 Jahren."
Auch im Mittelalter habe es Mönche und Nonnen gegeben, die sich tätowieren ließen, weil sie die Leiden Christi nachspüren wollten, führt er weiter aus. Auch als Erinnerung an eine spirituelle Reise werden Tattoos gestochen. "Die Tätowierung ist eine der ältesten sakralen Kunstformen."
Tattoo stechen in der Kneipe
Der Höhepunkt des Abends ist für die meisten die Verlosung eines kostenlosen Tattoos. Kathrin ist die glückliche Gewinnern. Auf einer kleinen Bühne in der Kneipe lässt sie sich noch am selben Abend tätowieren.
Sie hat sich für einen Schriftzug auf ihrem Handgelenk entschieden. Dafür hat sie sich das englische Wort für Vertrauen ausgesucht. "Mein Glaube hat mir mein Leben gerettet und deswegen der Schriftzug 'faith'." Ihr neues Tattoo sei eine Erinnerung an die guten Zeiten, sagt sie. "Da ist was, wenn es mal wieder ein bisschen dunkel um einen wird." Und damit spricht sie an diesem Abend wohl vielen aus der Seele.