Wenn das eigene Kind stirbt, bricht für Eltern eine Welt zusammen. Der schmerzliche Verlust ist nun Teil ihres Lebens und es kommen viele Fragen auf. Wie können Eltern mit dem Tod ihres Kindes umgehen?
Sternenmama: Mutter aus Karlsruhe hat Verlust ihres Kindes erlebt
Manuela aus Karlsruhe und ihre Familie haben den Verlust des eigenen Kindes selbst erleben müssen. Ihr zweites Kind starb vor zwei Jahren kurz vor der Geburt. Dieser Tag änderte ihr ganzes Leben.
"Das hatte ich nicht vorgesehen für mich", erzählt die Mutter, die mit ihrem Mann schon einen kleinen Sohn hat. Alles müsse plötzlich neu geordnet werden, sagt sie. "Es gibt ganz viel Schmerz um einen Verlust und es gibt Schmerz darum, das Kind nicht bei sich zu haben. Darum es nicht geschafft zu haben, dass das Kind am Leben bleibt."
Neben der Trauer und dem Schmerz habe sie nach dem Verlust auch Wut gespürt. "Ganz viele Emotionen können sich dann einmischen, auch eine große Wut darüber, dass es jetzt so ist, wie es ist." Und es tauchen plötzlich viele Fragen auf. Fragen, wie es weitergehen soll, ihr eigenes Leben und das Leben ihrer Familie.
Zweimal im Jahr gibt es Trauerfeiern Ein Ort für die "Die Kleinsten der Kleinen": "Sternenkinder" am Pragfriedhof in Stuttgart
Wenn das Leben endet, bevor es richtig begonnen hat: Zweimal im Jahr werden am Pragfriedhof Stuttgart "Sternenkinder" bei Trauerfeiern gemeinsam mit Angehörigen beigesetzt.
Mutter und Vater trauern oft unterschiedlich
"Den Eltern zieht es den Boden unter den Füßen weg", sagt Trauerbegleiterin Anne Haab von den ViDia Kliniken in Karlsruhe. "Das Kind, das stirbt, reißt eine riesige Lücke in das Leben der Eltern. Das ist oft auch körperlich spürbar", erklärt sie. Das Familiensystem gerate durch den Tod eines Kindes oft ins Wanken. Die Eltern müssen sich neu finden.
In ihrer Arbeit als Trauerbegleiterin hat sie beobachtet, dass die Mütter zu Beginn eher den emotionalen Part übernehmen und die Partner das Familiensystem aufrechterhalten. "Die Väter sind oft die Stabilisatoren, die sich um den Alltag kümmern", erklärt sie. Vor allem, wenn es noch Geschwisterkinder gibt.
Beides sei aber als Ausdruck der Trauer zu verstehen. Die Familie könne durch diese Rollenverteilung "überleben", wenn sich die Partner erst einmal in unterschiedlichen Phasen befinden. Im Laufe der Zeit können sich diese Rollen dann wieder verändern.
Sternenkinder: Trauergruppen als Teil der Trauerarbeit
Mit dem Verlust des Kindes leben zu lernen und ihn in das eigene Leben zu integrieren, ist laut der Trauerbegleiterin einer der größten Herausforderungen. Was den einzelnen Müttern und Vätern hilft, ist sehr individuell, sagt Anne Haab. Ein Teil der Trauerarbeit kann die Teilnahme an Trauer- oder Selbsthilfegruppen sein.
Anne Haab hat mit ihrer Kollegin Elisabeth Deutscher vom Hospiz Karlsruhe eine solche Trauergruppe ins Leben gerufen. Das Angebot sei in Karlsruhe bisher einzigartig. An fünf sogenannten Trauerabenden bekommen Eltern Impulse, können sich mit anderen austauschen, ihrer verstorbenen Kinder gedenken und können die Unterstützung der Trauerbegleiterinnen wahrnehmen.
Auch Manuela hat diese Abende besucht. "Da ist jemand, der hält es mit einem aus. Und dann sind da noch mehr Menschen, die auch grade in einem Prozess sind, wo es einen riesengroßen Verlust gab. Diesen Schmerz zeigen zu dürfen, das habe ich als heilsam wahrgenommen.“
Trauerbegleitung kann nach Verlust unterstützen
Die Trauerabende seien ein wichtiger Teil ihres Weges gewesen, sagt Manuela heute. Aber sie will auch keine zu großen Erwartungen für andere betroffene Eltern wecken. "Der Alltag ist so viel größer als der Moment in der Trauergruppe. Es braucht ein großes Netz an Unterstützung."
Auch Trauerbegleiterin Anne Haab betont, die Trauerabende würden die Trauer nicht vergessen machen. Im Gegenteil: Es sei ein Abend, wo die Trauer einfach da sein darf.
Wenn jemand nicht an einer Trauergruppe teilnehmen möchte, heißt das nicht, dass die Person etwas falsch macht. Trauerbegleiterin Elisabeth Deutscher sagt: "Man kann nicht richtig oder falsch trauern, aber man kann Trauer verdrängen. Irgendwann kommt es aber wieder zurück", erklärt sie. "Trauer ist etwas Natürliches, um einen schweren, schmerzhaften Verlust zu verarbeiten."
Trauer: Umgang mit Angehörigen ist ein Balanceakt
Wenn ein Kind stirbt, sei das immer noch ein Tabuthema, erklärt Elisabeth Deutscher. Auch, wenn sich in den letzten 10 bis 15 Jahren in der Gesellschaft schon einiges verändert habe.
Beide Trauerbegleiterinnen sind sich sicher: Wie wir in der Gesellschaft bisher mit dem Thema Kindstod umgegangen sind, spielt eine große Rolle dabei, wie Angehörige oder Freunde der betroffenen Eltern auf den Verlust reagieren. "Oft ist das Umfeld auch überfordert und weiß nicht, wie es damit umgehen soll." Es gebe auch oft keine Erfahrungswerte. Nichts, worauf man zurückgreifen könne, da jeder den Umgang für sich neu lernen müsse.
Angehörige und Freunde müssten auch einen Weg finden, die Situation mit den Trauernden auszuhalten. "Es geht nicht darum, die Tränen wegzuwischen, sondern sie auszuhalten." Trauernden Eltern helfe es, wenn Angehörige und Freunde den Verlust ernst nehmen, egal wie klein das Kind war. Auch konkrete Hilfsangebote wie Einkaufen, Kochen oder sich um die Geschwisterkinder kümmern seien entlastend für Eltern.
SWR-Reporterin Fabiola Germer hat mit Manuela gesprochen:
Nach dem Verlust: Das Leben wieder gestalten
Die Frage, wie ihr Leben nach dem Tod ihres Kindes weitergehen soll, muss sie sich auch heute immer wieder neu beantworten. Manuela hat erlebt, dass sich die Trauer mit der Zeit verändert hat. Es gibt heute den Wunsch in ihr das eigene Leben wieder zurückzugewinnen und zu gestalten. Andererseits die Frage: Darf ich das überhaupt?
Heute ist ihr bewusst: "Was ich bei mir selbst erlebt habe, ist, dass ich ein Selbstverständnis entwickelt habe: Ich habe ein Kind hier, ein sehr lebendiges Kind. Und ich habe ein Kind, das verstorben ist. Ich bin Mama von zwei Kindern."