Das schwäbische Dorf Ostelsheim im Landkreis Calw hat Ryyan Alshebl am Sonntag mit einer absoluten Mehrheit von 55,41 Prozent der Stimmen zum neuen Rathauschef gewählt. Das teilte die Gemeinde am Abend mit. Der 29-Jährige war als parteiunabhängig zur Wahl angetreten. Privat sei er aber Mitglied bei den Grünen.
Sieg im ersten Wahlgang
Die Überraschung war groß, der Jubel der zahlreich erschienenen Bürgerinnen und Bürger der 2.500 Seelen-Gemeinde ebenso: Gleich im ersten Wahlgang setzte sich Ryyan Alshebl gegen seine beiden Mitbewerber durch. Seinen Sieg kommentierte Alshebl mit den Worten:
"Ostelsheim hat heute ein Zeichen der Toleranz und der Weltoffenheit für ganz Deutschland gesetzt."
Erleichterung bei Alshebl
Er sei erleichtert, erzählt Alshebl am Tag nach der Wahl. Die Entscheidung für ihn als Bürgermeister sei natürlich in seinem Sinne, erzählt er - aber auch im kollektiven Sinne. Mit ihm als Bürgermeister habe man auch ein Zeichen für ganz Deutschland gesetzt. Die Freude gehe daher über den reinen Wahlerfolg hinaus, fügt er hinzu.
"Wir können alle miteinander aufeinander stolz sein, dass war und ist alles andere als selbstverständlich."
Alshebl für Ganztagsbetreuung im Kindergarten
Sein erster Arbeitstag als neuer Bürgermeister sei am 18. Juni. Dann werde er sich etwa um eine Ganztagsbetreuung im Kindergarten kümmern. Seit der Coronavirus-Pandemie gebe es kein Ganztagsangebot mehr, erklärte Alshebl.
Mittelfristig gesehen habe man noch weitere Baustellen im Dorf - unter anderem die Gestaltung einer "neuen, lebendigen Ortsmitte".
"Das tut der Ortschaft gut"
Martin Winkle hat seine Stimme für Alshebl abgegeben. Er findet besonders die aktive und agile Art des neuen Bürgermeisters gut. Es tue der Ortschaft gut, wenn sie einen Bürgermeister bekomme, der proaktiv an Themen rangehe, sagte er dem SWR. Alshebls Geschichte sei "sehr besonders", ergänzt der Wähler.
"Man ist froh, wenn da solche Leuchtturmjungs da sind, die zeigen, es geht doch."
Erfahrung in der Verwaltung
Alshebls Geschichte ist in der Tat besonders: Vor acht Jahren war der damals 21-Jährige vor dem drohenden Militärdienst im Bürgerkriegsland Syrien aus seiner Heimatstadt as-Suwaida im Süden von Syrien über das Mittelmeer nach Europa geflohen. Über mehrere Stationen kam er schließlich in den Nordschwarzwald, lernte Deutsch, machte eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten und erwarb die deutsche Staatsbürgerschaft.
Seit sieben Jahren arbeitet Alshebl mittlerweile in der Verwaltung des Rathauses Althengstett (Kreis Calw). Sein Chef im Rathaus erkannte die Begabung des jungen Syrers und ermutigte ihn zur Kandidatur im Nachbarort. Die Erfahrungen im Wahlkampf beschreibt Alshebl als "überwiegend positiv". Als Bürgermeister habe Alshebl nun vor, nach Ostelsheim zu ziehen, sagte er.
Erster Bürgermeister in BW mit syrischen Wurzeln
Alshebl ist wohl der erste Bürgermeister mit syrischen Wurzeln in Baden-Württemberg. Laut Gemeindetag Baden-Württemberg gab es bisher keinen weiteren Bewerber mit syrischen Wurzeln um ein Bürgermeisteramt. Bei der Wahl am Sonntag setzte sich der 29-Jährige gegen die parteilosen Kandidaten Marco Strauß und Mathias Fey durch.
