KSC-Fans zünden Pyrotechnik auf der Südtribüne

Angeklagte verweigerten Zeugenaussage

Pyro-Eklat beim KSC: Prozess gegen Fanprojekt-Mitarbeiter beginnt

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Autor/in
Andreas Fauth
Ein Bild von Andreas Fauth

Der Pyrotechnik-Eklat im KSC-Stadion im November 2022 hat ein weiteres juristisches Nachspiel: In Karlsruhe startet am Dienstag der Prozess gegen drei Fanprojekt-Mitarbeiter. Sie weigern sich, als Zeugen auszusagen - und wollen ein Zeichen setzen.

Nach dem massiven Einsatz von Pyrotechnik beim Heimspiel des Karlsruher SC gegen den FC St. Pauli vor zwei Jahren müssen sich am Dienstag drei Fanprojekt-Mitarbeiter vor dem Amtsgericht Karlsruhe verantworten. Ihnen wird versuchte Strafvereitelung vorgeworfen.

Fanprojekt-Mitarbeiter verweigerten Aussagen als Zeugen

Vor Anpfiff der Partie im November 2022 hatten KSC-Anhänger Pyrotechnik abgebrannt. Der Rauch verletzte laut Staatsanwaltschaft elf Fans, einen davon schwer und nachhaltig. Bei Ermittlungen hätten sich Anhaltspunkte ergeben, dass Fans bereits am Tag vor dem Spiel im oder am Fanprojekt Karlsruhe den Pyrotechnik-Einsatz vorbereitet hätten.

KSC-Fans zünden Pyrotechnik auf der Südtribüne
Beim Abbrennen von Pyrotechnik im KSC-Stadion wurden elf Menschen verletzt.

Daher wollten die Ermittlungsbehörden die drei Sozialarbeiter des Fanprojekts als Zeugen befragen - doch diese verweigerten jede Aussage. Die folgenden Strafbefehle gegen sie in Höhe von jeweils 120 Tagessätzen akzeptierten sie nicht, weshalb es nun zum Prozess kommt.

Angeklagte spricht vor dem Prozess am Amtsgericht Karlsruhe

Eine der drei Angeklagten ist Sophia Gerschel. Sie arbeitet seit 14 Jahren als Sozialarbeiterin beim Fanprojekt Karlsruhe, dessen Träger der Stadtjugendausschuss ist. In ihrer Arbeit seien sie und ihre Kollegen auf das Vertrauen der Fans angewiesen, sagt Gerschel. Daher hätten sie nicht als Zeugen ausgesagt, um das Vertrauensverhältnis zu den Menschen, mit denen sie arbeiten, zu schützen.

Sophia Gerschel, Sozialarbeiterin beim Fanprojekt Karlsruhe, im KSC-Stadion - wenige Tage vor dem Prozess aufgenommen.
Sophia Gerschel will durch den Prozess mehr Aufmerksamkeit für Soziale Arbeit.

Wir haben das beschlossen, weil das unsere Arbeit gefährden würde.

Laut Gesetz haben Sophia Gerschel und ihre beiden mitangeklagten Kollegen kein Recht, ihre Aussage zu verweigern. Warum sie den Prozess trotzdem riskiert hat? Sie wolle darauf aufmerksam machen, dass auch alle Sozialarbeiter ein sogenanntes Zeugnisverweigerungsrecht bekommen sollten. Sollte sie vom Amtsgericht verurteilt werden, würde sie wohl auch durch weitere Instanzen gehen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

BW-Justizministerin gegen Ausnahmen für Sozialarbeiter

Die angeklagten Fanprojekt-Mitarbeiter haben ein breites Bündnis aus mehreren Verbänden, Gewerkschaften und Vereinen auf ihrer Seite. Diese fordern ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter und damit eine Reform des entsprechenden Gesetzesparagrafen. Bisher waren deren Bemühungen aber nicht erfolgreich - auch wenn sie mittlerweile selbst in der Politik Fürsprecher gefunden haben, etwa Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD).

Die Bundesregierung sprach sich dagegen Ende vergangenen Jahres in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag gegen ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter aus und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Um Straftaten effektiv verfolgen zu können, müsse "der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt werden".

Deshalb scheidet eine Ausweitung des Zeugnisverweigerunsrechtes an dieser Stelle aus meiner Sicht verfassungsrechtlich aus.

Auch die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) sieht keine Chance für eine Gesetzesänderung. Auf SWR-Anfrage teilte sie mit, damit Mitglieder einer Berufsgruppe eine Zeugenaussage verweigern dürfen, müsse ein besonderes öffentliches Interesse am Schutz des Vertrauensverhältnisses vorliegen. "Dieses besteht bei dem nicht eindeutig definierten Berufsbild des Sozialarbeiters nicht in gleichem Maße wie ... etwa bei der Tätigkeit der Schwangerschaftsberatungsstellen."

Angeklagte: Vertrauensverhältnis hat durch Ermittlungen gelitten

Sophia Gerschel erzählt, dass die Ermittlungen bereits Auswirkungen auf ihre Arbeit mit den KSC-Fans hätten: "Es entsteht eine Unsicherheit auf unserer Seite, aber auch bei denen, die soziale Arbeit nutzen." Das Verhältnis sei distanzierter als früher.

Eine Halle in der Oststadt, in der gerade die neuen Räumlichkeiten des KSC-Fanprojekts entstehen.
Hier enstehen in der Karlsruher Oststadt die neuen Räumlichkeiten des Fanprojekts.

Bei Auswärtsfahrten sitzen die Sozialarbeiter zum Beispiel nicht mehr im selben Bus wie die KSC-Anhänger. Früher habe man bei Strecken von bis zu 800 Kilometern viel Zeit für Gespräche gehabt. Die Arbeiten in einer alten Halle in der Oststadt für die neuen Räumlichkeiten des Fanprojekts sind derzeit nicht die einzige Baustelle für die Sozialarbeiter.

Acht KSC-Fans bei Pyrotechnik-Prozessen verurteilt

Die Unsicherheit bei den Fans dürfte sich durch die bisherigen Prozesse wegen des Pyrotechnik-Einsatzes im Heimspiel gegen St. Pauli nicht gerade legen. 25 KSC-Anhänger müssen sich vor dem Amtsgericht Karlsruhe verantworten. In den bisher verhandelten acht Fällen wurden die Angeklagten alle zu Freiheitsstrafen verurteilt - zwischen zehn Monaten mit Bewährung und einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung. Das führte bundesweit in deutschen Stadien zu Protestplakaten in der Fanszene.

Die Hoffenheimer Nach Einsatz von Pyrotechnik: Hoffenheimer Fans zeigen sich beim Spiel in Berlin solidarisch mit den verurteilten KSC-Anhängern.
Die Hoffenheimer Fans zeigen sich beim Spiel in Berlin solidarisch mit den verurteilten KSC-Anhängern.

Die bisher verurteilten KSC-Fans gingen alle in Berufung. Der Pyrotechnik-Eklat wird also auch noch das Karlsruher Landgericht beschäftigen. Ob auch Sozialarbeiterin Sophia Gerschel und ihre beiden Kollegen verurteilt werden, wird sich am Dienstag zeigen. Die 39-Jährige blickt dem Prozess nicht gerade freudig entgegen. Sie wird zum ersten Mal in ihrem Leben als Angeklagte in einem Gerichtssaal sitzen.

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