Sozialarbeiter wollten nicht als Zeugen aussagen

Pyro-Eklat beim KSC: Prozess gegen Fanprojekt-Mitarbeiter vertagt

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Autor/in
Rebekka Plies
Ein Bild von Rebekka Plies
Andreas Fauth
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Der Pyrotechnik-Eklat im KSC-Stadion im November 2022 hat ein weiteres juristisches Nachspiel: In Karlsruhe ist am Dienstag der Prozess gegen drei Fanprojekt-Mitarbeiter gestartet.

Am Amtsgericht Karlsruhe hat am Dienstag der Prozess gegen drei Mitarbeiter des KSC-Fanprojekts begonnen. Die drei sind angeklagt, weil sie sich geweigert hatten, in der Aufarbeitung des Pyro-Eklats vom November 2022 als Zeugen auszusagen. Nach drei Zeugenaussagen wurde der Prozess vertagt. Er soll am 28. Oktober fortgesetzt werden.

Antrag auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt

Zu Beginn der Verhandlung im Amtsgericht Karlsruhe zeichnete sich im vollen Gerichtssaal ein Katz- und Mausspiel zwischen den Verteidigern der drei Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ab. Einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens lehnte die Vorsitzende Richterin zunächst ab.

Zeugenaussage: Szenekundiger Beamter bringt wenig Klarheit

Als erster Zeuge wurde ein szenekundiger Beamter der Polizei vernommen. Er wurde zu den Ermittlungen rund um das Spiel gegen St. Pauli, aber auch zu den Vorbereitungen der KSC-Fans davor befragt. Die Verteidigung merkte an, dass er selbst an keiner Zeugenvernehmung von Tatverdächtigen und Opfern des Pyro-Eklats anwesend gewesen sei und dementsprechend zu wichtigen Sachverhalten nichts sagen könne.

Verteidigung mit zahlreichen Fragen an ermittelnden Staatsanwalt und Ex-Richter

Am Nachmittag trat ein mit den Ermittlungen befasster Staatsanwalt in den Zeugenstand. Er musste zahlreiche Fragen der drei Verteidiger beantworten, unter anderem, inwieweit Zeugenaussagen der KSC-Fanprojekt-Mitarbeiter die Ermittlungen vorangebracht hätten. Der Ton im Gerichtssaal: zunehmend angespannt. Im Verlauf wird von der Verteidigung infrage gestellt, ob es überhaupt genügend Anhaltspunkte für die Einleitung eines Verfahrens wegen Strafvereitelung gibt.

Auch der inzwischen pensionierte Ermittlungsrichter, der im Oktober 2023 die richterliche Vernehmung der drei Angeklagten durchgeführt hatte, wurde befragt. Er konnte sich nach eigenem Bekunden nur an wenige Einzelheiten zur Festsetzung des Ordnungsgelds oder Details der Vernehmungen erinnern.

Fanprojekt-Mitarbeiter verweigerten Aussagen als Zeugen

Vor Anpfiff der Partie im November 2022 hatten KSC-Anhänger Pyrotechnik abgebrannt. Der Rauch verletzte laut Staatsanwaltschaft elf Fans, einen davon schwer und nachhaltig. Bei Ermittlungen hätten sich Anhaltspunkte ergeben, dass Fans bereits am Tag vor dem Spiel im oder am Fanprojekt Karlsruhe den Pyrotechnik-Einsatz vorbereitet hätten.

KSC-Fans zünden Pyrotechnik auf der Südtribüne
Beim Abbrennen von Pyrotechnik im KSC-Stadion wurden elf Menschen verletzt.

Daher wollten die Ermittlungsbehörden die drei Sozialarbeiter des Fanprojekts als Zeugen befragen - doch diese verweigerten jede Aussage. Die darauf folgenden Strafbefehle gegen sie in Höhe von jeweils 120 Tagessätzen akzeptierten sie nicht, weshalb es nun zum Prozess kam.

Angeklagte spricht vor dem Prozess am Amtsgericht Karlsruhe

Eine der drei Angeklagten ist Sophia Gerschel. Sie arbeitet seit 14 Jahren als Sozialarbeiterin beim Fanprojekt Karlsruhe, dessen Träger der Stadtjugendausschuss ist. In ihrer Arbeit seien sie und ihre Kollegen auf das Vertrauen der Fans angewiesen, sagt Gerschel. Daher hätten sie nicht als Zeugen ausgesagt, um das Vertrauensverhältnis zu den Menschen, mit denen sie arbeiten, zu schützen.

Sophia Gerschel, Sozialarbeiterin beim Fanprojekt Karlsruhe, im KSC-Stadion - wenige Tage vor dem Prozess aufgenommen.
Sophia Gerschel will durch den Prozess mehr Aufmerksamkeit für Soziale Arbeit.

Wir haben das beschlossen, weil das unsere Arbeit gefährden würde.

Laut Gesetz haben Sophia Gerschel und ihre beiden mitangeklagten Kollegen kein Recht, ihre Aussage zu verweigern. Warum sie den Prozess trotzdem riskiert hat? Sie wolle darauf aufmerksam machen, dass auch alle Sozialarbeiter ein sogenanntes Zeugnisverweigerungsrecht bekommen sollten. Sollte sie vom Amtsgericht verurteilt werden, würde sie wohl durch weitere Instanzen gehen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

BW-Justizministerin gegen Ausnahmen für Sozialarbeiter

Die angeklagten Fanprojekt-Mitarbeiter haben ein breites Bündnis aus mehreren Verbänden, Gewerkschaften und Vereinen auf ihrer Seite. Diese fordern ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter und damit eine Reform des entsprechenden Gesetzesparagrafen. Bisher waren deren Bemühungen aber nicht erfolgreich - auch wenn sie mittlerweile selbst in der Politik Fürsprecher gefunden haben, etwa Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD).

Die Bundesregierung sprach sich dagegen Ende vergangenen Jahres in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag gegen ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter aus und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Um Straftaten effektiv verfolgen zu können, müsse "der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt werden".

Deshalb scheidet eine Ausweitung des Zeugnisverweigerungsrechtes an dieser Stelle aus meiner Sicht verfassungsrechtlich aus.

Auch die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) sieht keine Chance für eine Gesetzesänderung. Auf SWR-Anfrage teilte sie mit, damit Mitglieder einer Berufsgruppe eine Zeugenaussage verweigern dürfen, müsse ein besonderes öffentliches Interesse am Schutz des Vertrauensverhältnisses vorliegen. "Dieses besteht bei dem nicht eindeutig definierten Berufsbild des Sozialarbeiters nicht in gleichem Maße wie (...) etwa bei der Tätigkeit der Schwangerschaftsberatungsstellen."

Angeklagte: Vertrauensverhältnis hat durch Ermittlungen gelitten

Sophia Gerschel erzählte dem SWR im Vorfeld der Verhandlung, dass die Ermittlungen bereits Auswirkungen auf ihre Arbeit mit den KSC-Fans hätten: "Es entsteht eine Unsicherheit auf unserer Seite, aber auch bei denen, die soziale Arbeit nutzen." Das Verhältnis sei distanzierter als früher.

Eine Halle in der Oststadt, in der gerade die neuen Räumlichkeiten des KSC-Fanprojekts entstehen.
Hier entstehen in der Karlsruher Oststadt die neuen Räumlichkeiten des Fanprojekts.

Bei Auswärtsfahrten sitzen die Sozialarbeiter zum Beispiel nicht mehr im selben Bus wie die KSC-Anhänger. Früher habe man bei Strecken von bis zu 800 Kilometern viel Zeit für Gespräche gehabt. Die Arbeiten in einer alten Halle in der Oststadt für die neuen Räumlichkeiten des Fanprojekts sind derzeit nicht die einzige Baustelle für die Sozialarbeiter.

Acht KSC-Fans bei Pyrotechnik-Prozessen verurteilt

Die Unsicherheit bei den Fans dürfte sich durch die bisherigen Prozesse wegen des Pyrotechnik-Einsatzes im Heimspiel gegen St. Pauli nicht gerade legen. 25 KSC-Anhänger müssen sich vor dem Amtsgericht Karlsruhe verantworten. In den bisher verhandelten acht Fällen wurden die Angeklagten alle zu Freiheitsstrafen verurteilt - zwischen zehn Monaten mit Bewährung und einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung. Das führte bundesweit in deutschen Stadien zu Protestplakaten in der Fanszene.

Die Hoffenheimer Nach Einsatz von Pyrotechnik: Hoffenheimer Fans zeigen sich beim Spiel in Berlin solidarisch mit den verurteilten KSC-Anhängern.
Die Hoffenheimer Fans zeigen sich beim Spiel in Berlin solidarisch mit den verurteilten KSC-Anhängern.

Die bisher verurteilten KSC-Fans gingen alle in Berufung. Der Pyrotechnik-Eklat wird also auch noch das Karlsruher Landgericht beschäftigen. Ob auch Sozialarbeiterin Sophia Gerschel und ihre beiden Kollegen verurteilt werden, wird sich im weiteren Prozessverlauf am Amtsgericht zeigen.

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