In Karlsruhe haben sich am Mittwoch Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik und der Automobilwirtschaft getroffen, um nach Wegen aus der Krise zu suchen. Denn schlechte Nachrichten aus der Autobranche gibt es inzwischen wöchentlich.
Die Autobauer und die Zulieferer befinden sich im größten Veränderungsprozess ihrer Geschichte. Einerseits geht es um die Umstellung auf Elektromobilität. Andererseits wird das Auto durch immer mehr Technologie und Systemfunktionen zum "Computer auf vier Rädern". Um einen Technologiefortschritt zu erlangen, sollen Hersteller künftig enger bei der sogenannten Free- and Open-Source-Software zusammenarbeiten.
Kretschmann fordert stabile politische Verhältnisse und wirtschaftliche Reformen
Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in der vergangenen Woche in den USA und dem Ampel-Aus in Deutschland sprach Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) von einer Zäsur, die auch Auswirkungen auf die Automobilbranche haben werde. "Baden-Württemberg muss auch in Zukunft Automobilstandort bleiben, mit überzeugenden Produkten und sicheren Arbeitsplätzen", sagte er.
Dafür brauche es stabile politische Verhältnisse und wirtschaftliche Reformen. Dazu gehörten erhebliche Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, Rahmenbedingungen, die international wettbewerbsfähig sind, und eine innovationsfreundliche Regulierung auf EU-Ebene, um die gesetzten Ziele erreichen zu können.
Hoffmeister-Kraut: "Es geht jetzt um alles"
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sprach von schmerzhaften Anpassungsprozessen bei der Transformation der Branche. Mehrere Unternehmen hätten zuletzt substanzielle Stellenstreichungen angekündigt. Der Hochlauf der E-Mobilität laufe nicht nach Plan.
Jetzt kommt es laut Hoffmeister-Kraut darauf an, dass die Unternehmen bei Investitionen am Standort Baden-Württemberg festhalten. "Es geht jetzt um alles", sagte sie in Karlsruhe.
Politik und Wirtschaft unterzeichnen gemeinsame Absichtserklärung zu Open-Source-Software
Auf der Veranstaltung haben der Ministerpräsident sowie Spitzen aus der Wirtschaft eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, um die Zusammenarbeit bei Free- and Open-Source-Software in der baden-württembergischen Automobilwirtschaft zu stärken. Ministerpräsident Kretschmann erhofft sich davon konkrete Standortvorteile für die hiesige Automobilbranche.
Mitunterzeichner Lutz Meschke, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Porsche, ist sich sicher, damit Synergien nutzen und Standards etablieren zu können. Auch Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius, Bosch-Chef Steffen Hartung sowie IHK-Präsident Christan O. Erbe und Professor Thomas Hirth vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unterschrieben die Absichtserklärung.
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen profitieren
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben Forschende überschlagen: In der Architektur eines Fahrzeugs befinden sich heute bis zu 150 elektronische Steuergeräte und 100 Millionen Codezeilen. Sie empfehlen schon lange, Software in der Automobilbranche zu standardisieren und Open-Source-Lösungen zu nutzen. Doch welche Vorteile hat gemeinsame Open-Source-Software genau für Autobauer und Zulieferer?
Alle Unternehmen verwenden erst einmal denselben Quellcode und passen diesen dann auf ihre Bedürfnisse an. Damit werden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen unterstützt. Der Zugriff auf freie Software ist für sie finanziell eine immense Entlastung. Zudem haben Unternehmen die Möglichkeit voneinander zu lernen. Im internationalen Wettbewerb haben dann alle hiesigen Unternehmen einen Vorteil.
FZI Karlsruhe: Open-Source-Software hat viele Vorteile
Auch am Forschungszentrum Informatik (FZI) in Karlsruhe forscht man längst an Open-Source-Software im Automobilbereich. Ingenieur Marc Heinrich weiß, Software im Auto wird immer wichtiger. Im Prozess passgenaue Software zu entwickeln, sei es ein immenser Vorteil, wenn bereits eine Grundlage an Open-Source-Software vorliegt. So müsse man nicht jedes Mal das Rad neu erfinden.
"Viele Probleme haben andere schon gelöst." So bestehe auch die Möglichkeit, Software-Komponenten untereinander auszutauschen.
Wenn die Schnittstellen allgemein genug gestaltet sind, so Heinrich, endet die Anwendung der Software nicht beim Auto. Sie kann dann auch etwa in Shuttles oder Bussen eingesetzt werden. Auch die Verkehrssteuerung wie eine Ampel kann integriert werden.
Man könne sagen, dass am Ende Fahrzeuge und Ampeln dieselbe Sprache sprechen. Beim autonomen Fahren erhöhe das unter anderem maßgeblich die Sicherheit.