Lebenretten liegt Julia Bornhäuser sozusagen im Blut - schon ihr Vater war Notfallsanitäter. Die 28-Jährige macht den Job mittlerweile selbst schon ein paar Jahre. Für sie ist klar: Im Rettungsdienst hat sich zwar seit ihrem Berufseinstieg vor vier Jahren einiges verbessert, einige Dinge laufen dagegen noch nicht optimal.
Dazu gehört zum Beispiel die sogenannte Hilfsfrist - also die Zeit, in der der Rettungsdienst eigentlich beim Patienten sein sollte. Gesetzlich sollen dabei aktuell 15 Minuten nicht überschritten werden. Im Falle einer Reanimation legen Experten die kritische Marke allerdings schon bei acht Minuten fest. Einer SWR-Recherche zufolge wird diese Marke im Rettungsdienstbereich Stadt- und Landkreis Karlsruhe nur etwa in jedem zweiten Fall eingehalten.
Karlsruhe schwierig - etwa durch viele Baustellen
Für Notfallsanitäterin Julia Bornhäuser ist klar: Das hat unter anderem mit den vielen Baustellen und den langen Anfahrtswegen im großen Landkreis Karlsruhe zu tun - aber auch damit, dass viele Autofahrerinnen und Autofahrer keine Rettungsgasse bilden. "Eigentlich sollte man ja die Rettungsgasse bilden, sobald der Verkehr zum Stocken kommt und nicht erst, wenn man den Rettungsdienst im Rückspiegel sieht", erklärt Bornhäuser vom Deutschen Roten Kreuz.
SWR-Datenrecherche #Notfall Rettung So lange braucht der Rettungsdienst in Karlsruhe, Pforzheim & Co.
Ob ein Mensch wiederbelebt werden kann, hängt von vielen Faktoren ab: Wie schnell wird geholfen? Wie gut sind die Leitstellen organisiert? So sieht die Realität in Karlsruhe, Pforzheim und dem Rest der Region aus.
Ersthelfer als entscheidendes Kritierium
Aber nicht nur die professionelle Hilfe sei ausschlaggebend, um die Überlebenschancen der Patientinnen und Patienten zu erhöhen. Wichtig ist laut Bornhäuser auch, dass Ersthelfer schnell mit der Reanimation - also der Herzdruckmassage - beginnen.
Das bestätigt auch der Geschäftsführer des DRK Kreisverbandes Karlsruhe, Daniel Schneider. Das Wichtigste in so einem Fall ist es laut Schneider, sofort zu helfen - auch als Laie. "Jeder kann Leben retten - es ist nur die Überwindung, das zu tun", sagt er.
First-Responder verbessern Überlebenschancen
Und noch eine Schlüsselfigur gibt es in solchen Fällen: die sogenannten First-Responder. Das sind Ehrenamtliche, die oft minutenlang vor dem Rettungsdienst beim Patienten sind. Das First-Responder-System läuft dabei parallel zu den Rettungsdiensten. Im Landkreis Karlsruhe gibt es etwa 1.500 von ihnen.
Sie haben einen medizinischen Hintergrund und bekommen über die Leitstellen Bescheid, wenn es einen Notfall in ihrer Nähe gibt. Dadurch können sie nicht nur sehr schnell vor Ort sein - sie wirken sozusagen auch dem Fachkräftemangel im Rettungsdienst entgegen. Die First-Responder tragen einen digitalen Meldeempfänger bei sich - also eine Art Piepser, der sie über Notfälle in ihrer Nähe informiert. Geld bekommen die allermeisten der Ehrenamtlichen in Karlsruhe nicht.
Somit können die First-Responder oft innerhalb von drei bis fünf Minuten vor Ort sein - und damit innerhalb der kritischen Zeit Leben retten. Laut Julia Bornhäuser sind bei etwa sechs bis sieben von zehn Einsätzen bereits solche ehrenamtlichen Helfer vor Ort, wenn der Rettungsdienst eintrifft.
Sechs neue Rettungsdienststellen für den Landkreis Karlsruhe
Der Landkreis Karlsruhe nutzt noch keine sogenannte First-Responder-App. Das soll sich laut Schneider aber ändern, sobald die Frage der Finanzierung geklärt sei. Das System der Erstehelfenden in Karlsruhe sei aber eines der ersten in Deutschland gewesen - bereits seit den 1990er Jahren mache man sich diese Art der Lebensrettung zunutze.
Und noch eine Verbesserung im Rettungssystem ist laut Schneider absehbar: Der Landkreis Karlsruhe soll sechs weitere Rettungsdienststellen bekommen. Der zuständige Bereichsausschuss hat das bereits beschlossen.
Daniel Schneider, Kreisgeschäftsführer DRK Kreisverband Karlsruhe, erklärt, wo die Versorgung noch besonders schwierig ist.
Auch Integrierte Leitstelle Karlsruhe will besser werden
Dabei gehört zur erfolgreichen Lebensrettung im Fall der Fälle nicht nur der Rettungsdienst vor Ort - auch die Leitstellen tragen dazu bei. Für den Rettungsdienstbereich Stadt- und Landkreis Karlsruhe ist dafür seit 2017 die Integrierte Leitstelle zuständig - also eine Zentrale, in der Notrufe zwischen Feuerwehr, Krankentransport und Rettungsdienst koordiniert werden. Die dadurch entstehenden Synergieeffekte haben laut dem Leiter der Integrierten Leitstelle, Stefan Seebold, schon zu einer erheblichen Verbesserung geführt.
Um die Abfrage in der Leitstelle bei Notrufen in Zukunft noch effizienter zu machen, werde man zudem eine sogenannte Standardisierte Notfallabfrage einführen, erklärt Seebold. Bisher nutzt die Leitstelle demnach die sogenannte Strukturierte Abfrage.
Den Unterschied erklärt er so: "Die Strukturierte Abfrage gibt lediglich den Rahmen vor - die Standardisierte Abfrage gibt den genauen Wortlaut vor." Hintergrund ist laut Seebold, schnellstmöglich zum richtigen Ergebnis zu kommen, um das richtige Fahrzeug und die richtigen Einheiten disponieren und alarmieren zu können.
Woche der Wiederbelebung Warum mehr Menschen überleben würden, wenn die Rettungsdienste besser ausgestattet wären
In der Woche der Wiederbelebung rückt die Reanimation näher in den Fokus. SWR-Recherchen zeigen: Hunderte Menschen mehr könnten einen Herzstillstand überleben. Wenn die Bedingungen stimmten.
Reanimation am Telefon: Lebenretten am Hörer
Im Falle einer Reanimation sei das wichtigste, dass die Ersthelfer aktiv werden, betont Seebold. Unterstützen könne dabei die Telefon-Reanimation - also eine detaillierte Anleitung der Leitstelle am Telefon. Damit könne jeder reanimieren - davon ist Seebold überzeugt. "Jeder Laie kann das, Sie brauchen diese Vorkenntnis nicht, Sie brauchen auch keine Angst zu haben, etwas falsch zu machen - Sie bekommen alles erklärt."
Wie läuft eine Telefon-Reanimation ab? Das zeigt der Ausbilder der Integrierten Leitstelle in Karlsruhe, Serkan Altintas, in diesem Video. Die Szene ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nachgestellt.
Rettungsdienstkreise nur schwer miteinander zu vergleichen
Dass die Hilfszeiten bei der SWR-Erhebung im Landkreis Enzkreis und Stadtkreis Pforzheim besser aussehen, sage nichts über Karlsruhe aus, führt Seebold aus. Man könne die Rettungsdienstbereiche etwa aufgrund ihrer unterschiedlichen Geografie, Einsatzmenge, der Verfügbarkeit der Rettungsdienste und der Erreichbarkeit der Einsatzorte nur schwer direkt miteinander vergleichen.