In der Kita "Villa Johannis-Paulus" in der Karlsruher Südstadt herrscht für viele Eltern seit einem Monat Notstand: Statt der bisherigen Ganztagsbetreuung gibt es für ihre Kinder jetzt nur noch Betreuung bis 15.30 Uhr - und das auf unbestimmte Zeit, heißt es vom Träger. Man könne die Betreuung wegen Personalmangel nicht mehr gewährleisten, so die Erklärung.
Angekündigt wurde die Umstellung kurz vor Ostern - mit einer Frist von etwas über zwei Wochen. "Eine Frechheit", sagt Carla Krauß, die ihre eineinhalbjährige Tochter in der Kita hat.
Mutter muss Schließzeit auf dem Spielplatz überbrücken
Wie für viele Eltern sind die neuen Öffnungszeiten für Carla Krauß nicht mit ihrer Vollzeitstelle vereinbar. Sie forscht am KIT am Rückbau nuklearer Anlagen - ein Job, der selten bis 15 Uhr zu erledigen ist. Stattdessen nimmt sie sich in letzter Zeit Unterlagen von der Arbeit mit auf den Spielplatz, wo sie mit ihre Tochter nach der Kita oft hingeht.
Eltern in Karlsruhe fühlen sich im Stich gelassen
Auch wenn sie das frühe Abholen ihrer Tochter mit Unterstützung ihres Partners einigermaßen hinbekommt, ist die Situation für sie als Familie auf längere Zeit nicht tragbar. Andere Eltern, die ihre Kinder dort in der Kita haben, sind richtig verzweifelt, weiß Carla Krauß.
Von den Angestellten der Kita hat sie viel Engagement erlebt, von der Trägerseite fühlt sie sich dagegen im Stich gelassen: "Der Träger zeigt auch wenig Präsenz. Man kriegt diese Nachrichten per Mail und das wars", erklärt Carla Krauß.
Finanziell kann sie die Situation zwar abfangen, trotzdem ärgert es sie, dass die Kita wegen der gekürzten Betreuungszeiten bisher nicht weniger Geld eingezogen hat.
Viele Mütter können nicht mehr in Vollzeit arbeiten
Bei vielen Familien haben die Mütter die Nachmittagsbetreuung übernommen und können damit nicht mehr in Vollzeit arbeiten. Die Kürzungen auf unbestimmte Zeit führen hier zur Rückkehr zu traditionellen Rollenbildern, kritisiert Carla Krauß. Sie ärgert sich darüber, dass das von manchen Frauen so hingenommen wird: "Die Frauen neigen dazu, diese Betreuungsarbeit so abzutun als: 'Das krieg ich hin'. Anstatt zu sagen: 'Nein, das ist zu viel, ich werde hier überlastet'."
Evangelische Landeskirche bedauert gekürzte Öffnungszeiten
Träger der Kita "Villa Johannis-Paulus" ist die Evangelische Landeskirche. Sie hat im Stadtgebiet Karlsruhe mehr als 40 Einrichtungen. Davon haben aktuell vier Einrichtungen ihre Öffnungszeiten dauerhaft verkürzt.
Dekan Thomas Schalla spricht den betroffenen Eltern sein Mitgefühl aus, verweist aber auf rechtliche Vorgaben, nach denen ein sogenannter Betreuungsschlüssel eingehalten werden muss: das Verhältnis von Erziehern und Erzieherinnen zu Kindern.
Dekan: Personalproblem in Kitas ist Aufgabe der Politik
Dass die Eltern sich innerhalb kürzester Zeit auf die geänderten Öffnungszeiten haben einstellen müssen, bedauert er. Die auslösenden Faktoren für den Wegfall von Personal, etwa durch Schwangerschaften oder Krankheit, seien unvorhergesehene Umstände, auf die man schnell habe reagieren müssen.
Eine Lösung des Problems sieht Schalla als eine Aufgabe der Politik, weil es um Rahmenbedingungen für Personal im gesamten Bildungsbereich gehe. Er fordert deutliche Investitionen in den Bildungsbereich, zu dem Kindergärten und Kitas mit der frühkindlichen Bildung zählen.
Aufsichtspflicht wird teilweise verletzt Personalmangel in BW-Kitas immer dramatischer
Seit Jahren sorgt Fachkräftemangel in baden-württembergischen Kitas für Probleme. Laut einer Umfrage des VBE unter Kita-Leitungen hat sich die Situation weiter verschlechtert.
Kriterien für Erzieher-Jobs bei kirchlichen Trägern
Viele Kita-Träger in Karlsruhe berichten von Unsicherheiten durch den Fachkräftemangel. Bei kirchlichen Trägern kommen laut Dekan Schalla noch zwei weitere Faktoren dazu: Zum einen müssten Bewerber, die zur Einrichtung passende Konfession haben - also etwa evangelisch getauft sein, um in einem evangelischen Kindergarten arbeiten zu dürfen.
Der zweite Faktor sei das besondere Arbeitsrecht der Kirche: So dürfen Mitarbeitende nicht einfach so streiken wie etwa Mitarbeitende im öffentlichen Dienst. Hier sieht Schalla Perspektive für Reformen: