Wer während der Zeit des Nationalsozialismus in Pforzheim wohnte, traf sie auf der Straße, auf der Arbeit, und manchmal waren sie sogar die eigenen Nachbarn - Zwangsarbeiter.
Etwa 5000 Menschen mussten damals im Raum Pforzheim Zwangsarbeit leisten, der Großteil Frauen. Die größte Gruppe sei aus Polen und der damaligen Sowjetunion deportiert worden, schreibt die Stadt Pforzheim online. Die zweitgrößte Gruppe kam aus Frankreich.
"Les Amis de Pforzheim" dokumentieren Schicksale von Deportierten Ausstellung über französische Zwangsarbeiter in Pforzheim
Mehr als 500 Männer und Jungen wurden 1944 aus den Vogesen nach Pforzheim deportiert. Dort mussten sie Zwangsarbeit leisten. Eine Ausstellung beleuchtet jetzt das Schicksal der Opfer.
Kaum Kontakt zu osteuropäischen Zwangsarbeitern nach dem Krieg
Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs steht die Stadt Pforzheim immer wieder im Austausch mit ehemaligen französischen Zwangsarbeitern und ihren Familien. Zu einem solchen Kontakt mit osteuropäischen Zwangsarbeitern kam es aber nie.
Ehepaar führt jahrelange Recherche über Zwangsarbeit in Pforzheim
Brigitte und Gerhard Brändle recherchieren schon seit 25 Jahren zu den Schicksalen von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen in Pforzheim. Es sei unsere Pflicht hinzugucken, den Opfern einen Namen und ein Gesicht zu geben, sagte Gerhard Brändle dem SWR.
Die Informationen haben Brigitte und Gerhard Brändle über Kontakt zu Organisationen für ehemalige Zwangsarbeiter bekommen. Andere Quellen seien Gefängnisverzeichnisse über Widerständige in der NS-Zeit und das Archiv Arholsen gewesen, sagt Gerhard Brändle.
Das Buch ihrer gesammelten Ergebnisse haben sie letzten Freitag im Gasthaus Kupferhammer in Pforzheim vorgestellt. Das Gasthaus war, wie viele andere Betriebe, damals ein Arbeitslager.
Ehemalige Zwangsarbeiter schreiben über ihre Zeit in Pforzheim
Den Hauptteil des Buches bilden 77 Antwortbriefe von ehemaligen Zwangsarbeitern und ihren Angehörigen auf Fragebögen zu ihrem Leben in Pforzheim. Viele mussten in der Rüstungsindustrie arbeiten und wurden damit gezwungen, aktiv Waffen herzustellen, die gegen ihre Heimatländer eingesetzt werden sollten. Andere arbeiteten in der Landwirtschaft oder in Privathaushalten.
Osteuropäische Zwangsarbeiter mussten Abzeichen tragen
Sie hatten Arbeitskarten und trugen Abzeichen, auf denen "OST" für Ostarbeiter oder "P" für Polen aufgedruckt war. Zwangsarbeiter aus Italien und Frankreich hätten keine Abzeichen tragen müssen, schreibt der ehemalige Zwangsarbeiter Anton Kapustjak.
Leben in vergitterter Baracke oder Privathaushalt
Viele der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen lebten in alten Baracken mit vergitterten Fenstern. Eine ehemalige Zwangsarbeiterin schreibt, dass in der Nacht selbst im Sommer alle Fenster und Türen abgeschlossen worden wären.
Wer dagegen in einem privaten Haushalt arbeiten musste, konnte sich glücklich schätzen und hatte manchmal sogar ein eigenes Zimmer. Auch das Essen war in den Familien besser als in der Fabrik. Olga Dodartschuk schreibt, sie hätte ab und zu bei einer deutschen Familie geputzt und sonst in der Rüstungsfabrik gearbeitet.
Zwangsarbeiter in Pforzheim mussten oft Gewalt hinnehmen
Die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter schreiben in ihren Briefen von geringem oder keinem Lohn. Wenige sagen, sie hätten Tariflohn bekommen und wären gut behandelt worden.
In privaten Haushalten hätte es in einigen Fällen sogar eine familiäre Atmosphäre gegeben, schreibt eine ehemalige Zwangsarbeiterin.
Viel hängt vom Arbeitgeber ab. Denn andere berichten, sie seien geprügelt und gedemütigt worden. Eine unbekannte Anzahl von Zwangsarbeiter sei aufgrund der "unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen" gestorben, schreibt die Stadt Pforzheim auf ihrer Webseite.
Entschädigung verläuft intransparent
Eigentlich sollten die ehemaligen Zwangsarbeiter eine Entschädigung bekommen. Ob das tatsächlich passiert ist, wisse niemand, sagt Gerhard Brändle.
Der Stiftungsfond der deutschen Wirtschaft habe Kooperationspartner in der ehemaligen Sowjetunion und Polen, die für die Verteilung des Geldes verantwortlich seien. Die Stiftungsinitiative dürfe aber aus Datenschutzgründen keine Angaben dazu machen, ob die Personen aus der Recherche des Ehepaars Brändle entschädigt worden sind.
Die ehemaligen Zwangsarbeiter seien sehr erstaunt gewesen, dass man sich überhaupt an sie erinnere, sagt Brigitte Brändle. Sie seien dankbar gewesen, ihre Geschichte zu teilen. Manche Antwortbriefe wären sogar mehrere Seiten lang gewesen.
Zwangsarbeit-Vergangenheit in Pforzheim ein Gesicht geben
Dem Ehepaar Brändle sei es besonders wichtig gewesen, die Betroffenen mit Namen und Foto abzubilden. Sie wollten damit zeigen, dass die ehemaligen Zwangsarbeiter auch Menschen waren, erklärt Brigitte Brändle.