Fabian Gaukel (Volt) konnte es zuerst gar nicht fassen. Das Ende der Ampel-Koalition hat den jungen Kommunalpolitiker aus Karlsruhe völlig überrascht. Klar, die Regierung steuerte schon länger auf einen Bruch zu. Aber dass es am Ende so schnell geht, war für den 28-Jährigen mit dem markanten Vollbart und der Schildmütze nicht zu erwarten: "Ich habe abends gelesen: Scholz entlässt Lindner. Dann habe ich erst mal gedacht: Geht das überhaupt einfach so?"
Nach Ampel-Aus hilft Erfahrung gegen Krisenfrust
Gaukel sitzt mit einem doppelten Espresso im "Milano", einer Raucher-Bar in der Karlsruher Südstadt. Es ist die Stammkneipe von seinem Gegenüber: Lüppo Cramer (Karlsruher Liste)
Der 76-Jährige ist politisch gesehen ein "alter Hase". Er sitzt seit mehr als 40 Jahren im Karlsruher Gemeinderat, zunächst für die Grüne Liste, dann für die Karlsruher Liste. Seine Erfahrung schützt ihn jetzt vor zu viel Tristesse.
Zwei Generationen von Kommunalpolitikern, beide müssen erst mal verarbeiten, was da gerade in Berlin passiert ist - und was auch in Karlsruhe und Umgebung für politische Reaktionen gesorgt hat.
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Die Ampelkoalition in Berlin ist gescheitert. So reagieren Abgeordnete aus Karlsruhe, Pforzheim und Bruchsal auf das Aus. Die Forderungen nach zeitnahen Neuwahlen werden laut.
Lüppo Cramer hat politische Krisen in Erinnerung
Lüppo Cramer hat natürlich schon turbulentere Zeiten erlebt. Geprägt durch die 1968er-Bewegung wohnte er sogar mal in einer WG, in der der spätere RAF-Terrorist Christian Klar aus- und einging. Auch er persönlich kennt Brüche. Der gelernte Drucker trat 1982 im Karlsruher Gemeinderat aus der von ihm mitgegründeten Grünen Liste aus.
Im selben Jahr beendete auf Bundesebene das Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) die sozialliberale Koalition, was Cramer als "Verrat" durch die FDP betrachtete. Er erinnert sich natürlich auch an Gerhard Schröder (SPD), der zwei Mal die Vertrauensfrage stellte - und 2005 damit schließlich auch die 16 Jahre andauernde Merkel-Regierung einleiten sollte.
Während Lüppo Cramer an seiner Cola nippt, unterbricht ihn Fabian Gaukel, der aufmerksam zugehört hat: "Wenn ich eine Frage stellen darf: Fandest du die politische Zeit unter Merkel damals besser?" Manche hätten die Stabilität ja auch als Stillstand empfunden, sagt der Informatiker.
Junger Politiker aus Karlsruhe sieht Chance durch Koalitions-Ende
Dass die Ampel-Koaltion jetzt mit einem Knall zu Ende ging, sieht Gaukel daher auch als Chance: "Wenn die sich bis zum Ende der Legislaturperiode durchgequält hätten, glaube ich auch nicht, dass es gut geworden wäre."
Im Juni hatte es der 28-Jährige mit seiner Partei Volt geschafft, aus dem Stand 5,8 Prozent bei den Kommunalwahlen in Karlsruhe zu erreichen. Jetzt muss er schon wieder über einen vorgezogenen Bundestagswahlkampf nachdenken: "Es passiert gerade alles so schnell."
Sorgen wegen Neuwahl in Deutschland
Sorgen machen sich beide über das Erstarken von extremeren Kräften, AfD und BSW. Das sei anders als bei früheren politischen Brüchen, meint Lüppo Cramer. "Dieses Mal stellt sich schon auch die Frage: Wie geht es weiter?" Vielleicht nach einer vorgezogenen Neuwahl sogar mit einer länger andauernden Minderheitsregierung? Das wäre selbst für das Politik-Urgestein eine neue Erfahrung.