Zwei Drittel der Jugendlichen in Baden-Württemberg machen sich Sorgen wegen des Kriegs gegen die Ukraine, Terror oder aufgrund des Klimawandels. Das geht aus der Jugendstudie 2022 des baden-württembergischen Kultusministeriums und der Uni Stuttgart hervor, die am Freitag offiziell vorgestellt wurde. Auszüge lagen dem SWR bereits vergangenen Sonntag vor.
Befragt wurden im Frühjahr 2022 rund 2.000 Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen aus verschiedenen Schularten. Man sehe an den Ergebnissen, dass der Ausbruch des Krieges auch für die Kinder ein "einschneidendes Erlebnis" gewesen sei, sagte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) zu den Ergebnissen.
Die psychische Belastung von Schülerinnen und Schülern sei sehr hoch, fast jeder Befragte trage Sorgen mit sich herum. Insgesamt 85,8 Prozent der Jugendlichen hatten angegeben, sich sehr große, große oder mittelgroße Sorgen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu machen. Auch die Themen Soziale Ungleichheit, Armut und der Klimawandel machen den Jugendlichen zu schaffen.
Jugendliche haben kaum Vertrauen in die Politik
Die Politik kommt in der Befragung nicht gut weg. Vertrauen in Politikerinnen und Politiker haben nur rund 14 Prozent der Jugendlichen, in politische Parteien gerade mal 7 Prozent. Allerdings finden 90 Prozent der Befragten die Demokratie als Staatsform gut.
Ein Teil der Befragten zeigt sich laut Studie anfällig für Populismus. Eine konkrete Prozentzahl dazu gibt es aber nicht. Rund 80 Prozent der Befragten sagen, Politiker würden sich nicht genug sie kümmern.
Neue Jugendstudie des Kultusministeriums Jugendliche in BW anfällig für Populismus
Wie ticken Jugendliche in BW? Dem geht das Kultusministerium in einer Studie nach. Die meisten 14- bis 15-Jährigen fühlen sich in der Schule wohl, doch es gibt auch Belastendes.
Als eine Antwort auf die Studie will Schopper insgesamt sechs Jugendkonferenzen im ganzen Land veranstalten. Dabei sollen die Ergebnisse der Studie mit den Jugendlichen besprochen werden. Im Sommer soll es dann eine große Fachkonferenz mit allen Ergebnissen geben. Wie diese Konferenzen gestaltet werden sollen, werde noch besprochen.
Eine der Studienleiterinnen der Uni Stuttgart, Christine Sälzer, mahnte, die Ergebnisse ernst zu nehmen. "Im Moment haben Kinder und Jugendliche wirklich eine sehr geringe Lobby", sagte die Professorin für Erziehungswissenschaften. Gleichzeitig müssten sie aber für ganz schön viel aufkommen, für das sie nichts könnten - wie Klimawandel oder Rentensystem. "Das, was sie uns mitzuteilen haben, das sollten wir auf jeden Fall sehr ernst nehmen", betonte Sälzer.
Bildungspolitiker: Ergebnisse der Studie müssen ernst genommen werden
Die Enttäuschung über die Politik sei ein Alarmsignal, betonte der SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei über die Studie. "Als Politikerinnen und Politiker müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen!" Aufgabe sei es jetzt, noch mehr zuzuhören. "Und wir müssen zeigen, dass wir die Belange der jungen Menschen ernst nehmen."
Auch bei den Grünen hat man die Studienergebnisse wahr genommen. "Dass Jugendliche in der Politik gehört werden wollen, zeigt, dass die junge Generation einen politischen Gestaltungswillen hat", sagte der Sprecher für die Jugendpolitik, Erwin Köhler. Baden-Württemberg gehe da mit der Reform des Kommunalwahlrechts mit gutem Beispiel voran. Köhler rief außerdem Abgeordnete dazu auf, Schulen zu besuchen und die Stimmen der Jugend ernst zu nehmen.
Kritik übte die AfD am Untersuchungsdesign der Studie, welches "unwissenschaftlich" sei: "Knapp ein Drittel der Schüler macht sich Sorgen um Links- und Rechtsextremismus - ohne dass hier differenziert wird."
Kinder und Jugendliche fühlen sich in der Schule wohl
Für Kultusministerin Schopper gab es ein besonders positives Ergebnis: Mehr als 80 Prozent der Befragten gaben an, sich in ihrer Klasse wohlzufühlen, fast genau so viele fühlen sich in der Schule wohl. "Das ist, glaube ich, durchaus auch ein Punkt, der nach Corona noch mal mehr wertgeschätzt wurde", sagte Schopper mit Blick auf die Schulschließungen während der Pandemie. Man habe gemerkt, dass der Lebensraum Schule genauso wichtig für viele Schülerinnen und Schüler sei wie der Lernort Schule.