Der Verband Pharma Deutschland hat vor einigen Wochen eine offizielle Warnung vor einem möglicherweise neuen Trend unter Jugendlichen veröffentlicht: Mitglieder des Verbands hatten auf Tiktok mehrere Videos entdeckt, in denen Jugendliche den bewussten Überkonsum von Paracetamol verharmlosen und bewitzeln. Daraufhin befürchteten sie eine mögliche neue Internet-Challenge. Doch was ist da eigentlich dran?
Keine Challenge im klassischen Sinne
Hannes Hönemann, Pressesprecher von Pharma Deutschland, erklärt, dass aus den Videos zwar kein eindeutiger Gedanke einer "Challenge" hervorgehe, die enorme Verharmlosung des Überkonsums von Schmerzmitteln jedoch äußerst besorgniserregend und somit eine offizielle Warnung nötig gewesen sei.
Auch Apotheker Rouven Steeb aus Bad Rappenau (Kreis Heilbronn) hat diese dringliche Warnung erreicht. Er ist Vizepräsident des Landesapothekerverbands und ebenfalls über die Situation besorgt.
Videos verharmlosen übermäßigen Konsum von Paracetamol
Mehrere Recherchen - unter anderem des ZDF - ergaben allerdings: Einen Beweis für eine tatsächliche "Challenge", bei der die Jugendlichen auch vor der Kamera Paracetamol in hohen Dosen einnehmen, gebe es nicht. Die angesprochenen Videos, die einen möglichen Missbrauch jedoch verharmlosen, gibt es und die Folgen von zu viel Paracetamol können fatal sein.
Die dazu gesichteten TikTok-Videos stammen von mehrheitlich englischsprachigen Personen. Darin zeigen diese sich fröhlich singend vor der Kamera und schreiben darüber Aussagen, die übersetzt beispielsweise lauten: "Heb' die Hand, wenn du den Mix aus Paracetamol und Ibuprofen überlebt hast." Ob sie wirklich einen Mix aus zwei Schmerzmitteln oder eine zu hohe Dosis von Paracetamol eingenommen haben, lässt sich dabei nicht belegen.
Paracetamol bei Überdosierung lebensgefährlich
Paracetamol ist zwar bei korrekter Einnahme gut verträglich, erklärt Apotheker Rouven Steeb. Eine Überdosierung jedoch hochgefährlich. Die kann schnell zu irreparablen Leberschäden und im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen. Die Apotheken vor Ort seien inzwischen über den problematischen Trend informiert und dazu angehalten, ein besonderes Augenmerk auf den Verkauf von Schmerzmitteln an jugendliche Kunden zu legen, so Steeb.

Bei einer nicht repräsentativen Umfrage am Justinus-Kerner-Gymnasium (JKG) in Heilbronn haben ein paar Schülerinnen und Schüler zwar schon mal von den Videos auf TikTok gehört, könnten jedoch den Sinn dahinter überhaupt nicht verstehen. Schmerzmittel völlig grundlos zu konsumieren, klinge einfach nur "dumm" und "idiotisch", so zwei junge Schüler des JKGs Heilbronn.
Bisher noch keine Folgen des Trends auf TikTok
Martin Uellner, Vorstand der Ärzteschaft Heilbronn, ist über die vermeintliche Challenge erschüttert, bezeichnet sie als "tödlichen Unfug". Das Gefährliche an einer Paracetamol-Vergiftung ist vor allem, dass diese sich sehr schleichend ausbreitet. Die Symptome dafür sind unspezifisch und treten oftmals erst 24 bis 48 Stunden nach dem Konsum auf.
Für Gegenmittel könnte es dann schon zu spät sein, weiß auch Mathias Burkhardt, Pressesprecher der Heilbronner SLK-Kliniken. Dort hätte es bislang aber noch keinen Fall im Hinblick auf die vermeintliche TikTok-Challenge gegeben. Das bestätigen auch weitere Apotheken und Krankenhäuser bundesweit und aus der Region.
Gefährliche Challenges bereits in der Vergangenheit
Zwar handelt es sich diesmal nicht um eine tatsächliche Challenge, die Vergangenheit zeigte aber, wie schnell sich so etwas im Netz verbreiten kann - auch wenn es mit Gefahren verbunden ist.
So beispielsweise die "Hot Chip Challenge", bei der die Teilnehmenden einen extrem scharfen Chip essen sollten, ohne das Ganze durch Milch oder ähnliches zu neutralisieren. Das Ganze hatte damals zu intensiven gesundheitlichen Problemen und teilweise gar medizinischen Notfällen geführt. Die Stadt Heilbronn verbot daraufhin sogar den Verkauf.
