Dienstag, fünfte Stunde - Kunstunterricht. Der 16-jährige Efe Tipit ist gerade dabei, mit einer quietschenden Gummirolle Abdrücke von seinem Kunst-Schnitt zu drucken: schwarz gefärbte Stadtansichten. Im Ohr hat er Kopfhörer, die mit seinem Smartphone verbunden sind. Er darf Musik hören. Eine große Ausnahme an der Selma-Rosenfeld-Realschule in Eppingen (Kreis Heilbronn).
"Wenn ich jetzt während dem Kunstunterricht zum Beispiel Musik höre, finde ich, dass ich mich ein bisschen kreativer ausleben kann. Deshalb finde ich das schon ziemlich wichtig." Inspirationen von Pinterest, Instagram oder TikTok einholen ist hier aber nicht erlaubt. In allen anderen Fächern und sogar in Pausen und Freistunden ist die Regel an der Realschule klar: Das Handy bleibt in der Hosentasche - oder dem Schulranzen und wird nicht benutzt. Wenn jemand mit dem Handy in der Hand erwischt wird, können die Lehrer ihnen das Smartphone nicht abnehmen. Sonst müssten sie laut der Schule dafür haften. Wer erwischt wird, der muss am Freitagnachmittag allerdings Hausmeistertätigkeiten übernehmen oder bekommt eine andere Aufgabe für die Allgemeinheit zugeteilt.
Junge Schüler hinterfragen Handyverbot
Seit mehr als zehn Jahren wird das hier an der Selma-Rosenfeld-Realschule so gehandhabt. Und auch wenn es vereinzelt Beschwerden von Schülern gibt, halten sich die meisten daran. "Vor allem die jungen Kinder, die neu an der Schule sind, fragen aber immer wieder nach. Bei Klassensprechertreffen kommt immer ein bis zweimal die Nachfrage, warum sie das Handy zum Beispiel in der Pause nicht nutzen dürfen oder keine Musik hören dürfen."
Das Handy komplett abzugeben, wie es in einigen Schulen in Baden-Württemberg bereits gehandhabt wird, kann Efe sich nicht vorstellen. Wenn mir mein persönlicher Gegenstand weggenommen wird, finde ich das nicht so toll." Er würde sich in der Schule ohne sein Smartphone nicht mehr wohlfühlen. Auch die Angst um seine privaten Fotos, Daten, Chats treibt ihn um.
Auch wenn es im Unterricht verboten ist - in der Freizeit sind trotzdem viele am Smartphone. Die Folgen dieser, wie Efe sagt, "konstanten Handynutzung" außerhalb der Schule machen sich im Unterricht bemerkbar. Efes Kunstlehrerin Yvonne Grimm möchte das Handy nicht ganz verbieten. Man könne die Zeit nicht zurückdrehen. Deshalb dürfen die Kinder bei ihr auch Musik hören.
Trotzdem bemerkt sie in anderen Fächern deutliche Veränderungen. "Wir merken es schon durch TikTok-Videos und YouTube-Shorts, dass die Aufmerksamkeitsspanne nachlässt. Man merkt, ob die Kinder in ihrer Freizeit noch was anderes machen, Hobbys haben. Oder ob sie bis spät in die Nacht am Handy hängen." Es sei bedenklich, wenn es ihren Schülern zum Beispiel im Englischunterricht schwerfalle, sich auf längere Texte zu konzentrieren. Bisher regeln die Schulen den Umgang mit dem Smartphone selbst.
Der hessische Kultusminister Armin Schwarz von der CDU hat angekündigt, bei der nächsten Kultusministerkonferenz kommende Woche in Berlin über ein bundesweites Handyverbot an Schulen diskutieren zu wollen. Wie genau das Verbot von Smartphones aussehen soll, ist noch unklar. Schwarz sprach sich zuletzt im Morgenmagazin von ARD und ZDF vor allem für ein bundesweites Verbot an Grundschulen aus. Auch im neuen Koalitionsvertrag von Thüringen haben SPD, CDU und BSW ein weitgehendes Handyverbot an Grundschulen festgelegt. Auch in Brandenburg haben sich SPD und das BSW bei den Koalitionsverhandlungen darauf vorerst geeinigt.
Kultusministerium in BW: Generelles Handyverbot ist kritisch
Baden-Württembergs Bildungsministerin Theresa Schopper von den Grünen sieht den Vorstoß kritisch. An Grundschulen gäbe es sowieso selten Handys. Die Schulen hätten die Handynutzung schon auf dem Schirm. Ein generelles Verbot sieht sie kritisch. Es sei keine "so einfache Geschichte mit schwarz oder weiß". Allein durch die Altersstruktur an Schulen. "Wir haben bei uns Berufsschulen, wo wir Leute haben, die schon 35 sind. Und wir haben gleichzeitig Eltern, die wollen, dass sie ihr Kind auf Klassenfahrt erreichen können."
BW-Ministerin Schopper: Eltern und Lehrer in der Pflicht
Statt einem Verbot, will sie darauf setzen, Kinder durch den, wie sie sagt "Mediendschungel" zu leiten. Schon ab Klassenstufe fünf soll ab dem nächsten Schuljahr Medienkompetenz auf dem Lehrplan stehen. Generell sieht Schopper vor allem Lehrer und Eltern in der Pflicht, weniger die Politik. Sie müssten sich die Frage stellen, wie viele Stunden in den sozialen Medien für die Kinder in Ordnung sei. Denn die meiste Zeit am Handy würden sie schließlich außerhalb der Schule verbringen.
An der Schule in Eppingen ist es tatsächlich so: Während der Schulzeit halten sich viele, wenn auch schweren Herzens, an das Verbot. Sobald sie an der Bushaltestelle stehen, wird das Handy gezückt. Selbst Schülersprecher Efe gibt zu: "Nach der Schule schaue ich auch beim Mittagessen schon Tiktok-Videos. Das entspannt mich." Er koche gerne, deshalb schaut er sich vor allem Kochvideos an. Er zeigt uns eine App, die seine Bildschirmzeit protokolliert. Fünfeinhalb Stunden am Tag hat sie zuletzt gemessen. Eine Mitschülerin gibt zu: Bei ihr seien es schätzungsweise zehn Stunden am Tag, die sie vor allem mit Videos zu Nägeln oder Schminktipps verbringt. Sie wolle sich aber bessern.
Efe Tipit glaubt, ein komplettes Handyverbot sei nicht umsetzbar. Zumindest an seiner Schule habe es schon großen Streit gegeben, als man das bei einer auffälligen Klasse versucht habe. Ein gegenseitiger Kompromiss, wie er hier in Eppingen gehandhabt wird, sei ein "perfekter Mittelweg", findet der 16jährige. "Wir haben die Freiheit, das Handy zu behalten. Aber es ist nicht erlaubt es im Unterricht zu nutzen, sich damit abzulenken oder fernzuhalten. Ich denke, das ist so schon sinnvoll."