Zwei schwere Jugendstraftaten - die Schießerei in Leingarten und die Attacke auf eine Fahrradfahrerin - haben die Region beschäftigt, am Mittwoch sind in beiden Verfahren die Urteile verkündet worden. Doch wie geht es weiter mit Tätern, die zu Jugendstrafen verurteilt worden sind? In Creglingen (Main-Tauber-Kreis) gibt es ein Projekt, das diese jungen Menschen nicht verloren gibt.
Projekt Chance: Strafvollzug in freier Form
Reintegration der Jugendlichen in die Gesellschaft. Das ist das Ziel des "Projekts Chance" des Christlichen Jugenddorfwerkes (CJD) in Creglingen. Sogenannte "Mehrfach- und Intensivtäter" im Alter von 14 bis 21 Jahren, die zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurden, können sich für das Resozialisierungsprogramm bewerben. Statt ihre Strafe in der JVA abzusitzen, können sie sie, nach Antrag und Bewilligung, auch in freier Form im Projekt ableisten.
Ein Freifahrtschein aus dem Gefängnis? Weit gefehlt, meint Robert Ileka, Leiter des Projekts.
So manch einer bleibt lieber im Gefängnis
Das Resozialisierungsprogramm sei harte Arbeit - körperlich, wie auch emotional. Was da auf sie zukomme, das werde den Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis) ganz deutlich erklärt, wenn sie sich für das Programm bewerben.
Morgens früh aus dem Bett, Sportprogramm, Schule und intensive Betreuung. Auf jeden Straftäter kommen ein bis zwei pädagogische Mitarbeitende, die gezielt mit den Jugendlichen arbeiten. Die kommen häufig aus der Arbeitslosigkeit oder haben die Schule geschwänzt, über Jahre haben sich kriminelle Verhaltensmuster verfestigt. Respekt, Verbindlichkeit, Struktur, Kommunikation, Grenzen – all das müssen sie neu erlernen.
Sammelbecken für junge Straftäter: JVA Adelsheim
Katja Fritsche leitet in Adelsheim die einzige JVA für Jugendkriminalität im Land. Bei ihr landen die meisten Delikte jugendlicher Straftäter in Baden-Württemberg. Von 14 bis 24 Jahren, von kleineren Fällen bis zum Mord. Rund 300 Straftäter sind aktuell in der Einrichtung untergebracht.
Natürlich müsse auch die JVA dem gesetzlichen Erziehungsauftrag nachkommen. Es gibt Beschulung und verschiedene Angebote. Aber die Betreuungsmöglichkeiten seien begrenzt, gesteht Fritsche ein. Es fehle an Ressourcen und Raum für individuelle Betreuung.
Denn die Jugendlichen einzusperren heiße, sie ihrer sozialen Kontakte zu berauben und in ihrer Entwicklung einzuschränken. Ziel sei aber gleichzeitig, sie so zu fördern, dass sie nicht wieder straffällig werden. Eine herausfordernde Aufgabe, deren Ergebnis in Zahlen ernüchtert.
Jeder zweite Jugendliche wird wieder straffällig
Jeder zweite, der die JVA Adelsheim verlässt, wird wieder straffällig und kehrt zurück in den Freiheitsentzug.
Trotzdem gebe es noch sehr viel Luft nach oben, betont Fritsche, davor dürfe auch die Gesellschaft die Augen nicht verschließen. Es reiche nicht, eine Mauer um die Jugendlichen zu ziehen. Denn der Jugendstrafvollzug kennt kein "lebenslänglich", früher oder später kommen die Jugendlichen raus. Veränderung werde nur erzielt, wenn es ausreichend Menschen gibt, die Beziehungen zu den jungen Tätern aufbauen und ihnen Vorbild sein können.
Resozialisierung: Nur drei Einrichtungen im Land
So wie im Creglinger "Projekt Chance". Gerade für junge Straftäter mit erhöhtem Erziehungsbedarf, wie im Fall Bad Mergentheim, ist Fritsche dankbar um diese Ergänzung zur JVA. Sowohl sie als auch Projektleiter Robert Ileka sind der Überzeugung, dass dieser Ansatz des freien Vollzugs stärker verfolgt und ausgebaut werden müsste.
Das "Projekt Chance" im CJD Creglingen ist das einzige in der Region Heilbronn-Franken für straffällige Jugendliche. Daneben gibt es in Baden-Württemberg noch das Seehaus Leonberg (Kreis Böblingen) und das Schloss Stutensee (Kreis Karlsruhe). Finanziert wird der "Projekt Chance" e.V. durch das Justizministerium Baden-Württemberg.