Kersten und Karin von Rosen sitzen auf einer Bank.

Welt-Alzheimertag

Diagnose Frontotemporale Demenz: "Ich muss jeden Tag Abschied nehmen"

Stand
Autor/in
Eva Röder
Eva Röder

Mit der Frontotemporalen Demenz verändert sich die Persönlichkeit der Betroffenen. Familie und Freunde wissen oft erst gar nicht, was los ist. So war es auch bei Kersten von Rosen.

Kersten von Rosen aus der Nähe von Ludwigsburg zählt zu den Menschen, auf deren Schicksal die "Woche der Demenz" (16. bis 22. September) und der Welt-Alzheimertag (21. September) aufmerksam machen wollen. Früher war er ein einfühlsamer Ehemann, sagt seine Frau Karin von Rosen, mit der er drei Söhne großgezogen hat - ein Genussmensch. Er interessierte sich für Politik, Kultur und reiste gerne. Doch er ist kurz vor der Rente, als er sich immer mehr verändert. Plötzlich hört er nicht mehr zu, hat auf fast nichts mehr Lust und die Gefühle seiner Frau scheinen ihm egal zu sein. Sein Frau ist verzweifelt und glaubt zunächst an eine Depression.

Karin von Rosen redet auf ihren Mann ein. Sie erkennt ihren liebevollen Lieblingsmenschen nicht mehr wieder. Er scheint kalt zu sein, ignoriert ihre Bedürfnisse.

"Ich hab gesagt, Du musst etwas tun, Du musst in Therapie, ich kann so nicht leben, ich will so nicht leben. Und das hat er überhaupt nicht verstanden."

Karin von Rosen überzeugt ihren Mann, zum Arzt zu gehen. Auch er bemerkt die Veränderungen, tippt auch auf Depression und überweist ihn an eine Neurologin. Sie macht sogar einen Test auf Demenz, findet aber nichts. Ihr Mann habe eine Lebenskrise, weil er in Rente geht. Zwei ganze Jahre später steht die Diagnose fest: Frontotemporale Demenz. Endlich wissen Karin von Rosen und die Familie, was los ist. Doch die Diagnose ist ein Schock. Bei einer Depression hätte Kersten von Rosen noch Medikamente nehmen können, eine Therapie machen, bei Frontotemporaler Demenz gibt es kaum Hilfe und es geht stetig bergab.

Karin von Rosen macht inzwischen eine Therapie. Freunde und ihre Söhne unterstützen sie und alle gemeinsam versuchen, mit der Krankheit umzugehen: "Vor zwei Jahren hat mein Sohn mal einen wichtigen Satz gesagt: Den Papa kriegst Du nicht mehr zurück und das muss ich akzeptieren lernen."

Kersten von Rosen sitzt auf einer Bank
Kersten von Rosen bewegt sich draußen gerne und schnell. Dass er sich mal auf eine Bank setzt, ist eher die Ausnahme.

Körperlich ist Kersten von Rosen topfit und ständig in Bewegung. Wenn er hinter seinem Haus in Richtung Feld läuft, fühlt er sich wohl, da kennt er sich aus. Er genießt es, in der Natur zu sein: " Schöne Bäume, das sind schöne Bäume", sagt er. Seine Empathie mag weg sein - ein typisches Merkmal der Krankheit - aber sein Herz ist noch da - zum Beispiel, wenn Kersten von Rosen Musik hört. Er liebt es, in die Kirche zu gehen, der singenden Gemeinde, seiner Frau zuzuhören. Er ist gerührt, wenn die Glocken läuten. Und wenn er wieder los läuft, dann stellt er sich auf dem Handy Rockmusik an von einer Playlist, die ihm sein Sohn zusammengestellt hat.

"Musik macht mir Spaß, auch beim Fahrrad fahren, wenn's bergauf geht, dann höre ich Musik, das tut mir gut."

Früher hat Kersten von Rosen gerne fotografiert, das geht nicht mehr. Auch mit dem Tischtennisspielen hat er erst vor kurzem, nach 55 Jahren im Verein aufgehört. Seine Frau sagt: "Er muss sich Stück für Stück von seinen Fähigkeiten verabschieden und wir müssen uns jeden Tag ein Stück von ihm verabschieden." Doch Karin von Rosen will so gut wie möglich leben, in der Zeit, die den beiden noch bleibt.

"Mit ihm habe ich mich immer aufgehoben gefühlt und verortet in dieser Welt. Und das fällt ja komplett weg. Ich muss ja alles neu übernehmen und wenn ich die Erfahrung mache, ich kann das auch so allein und ich kriege Hilfestellung von Freunden und von meinen Söhnen, merke ich, dass ich diesen Weg so langsam gehen kann."

Und diesen Weg gehen Karin und Kersten von Rosen weiter - jeder für sich und doch gemeinsam.

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