Am Tag nach den lokalen Unwettern mit Starkregen im Hegau und in der Region Bodensee-Oberschwaben hat sich die Lage in Singen und anderen Hegau-Gemeinden im Kreis Konstanz größtenteils wieder normalisiert. Am Mittwoch wurden dort Unterführungen geflutet, es mussten Sandsäcke gestapelt und Gebäude evakuiert werden.
Rielasingen-Worblingen: Krisenstab verhindert Schlimmeres
Ein Jahrhunderthochwasser an der Radolfzeller Aach mit "einer Flutwelle, wie wir sie sie in Rielasingen-Worblingen noch nie hatten." So beschreibt Bürgermeister Ralf Baumert (SPD) am Donnerstag im SWR, was am Mittwoch auf seine Gemeinde zukam. Die Radolfzeller Aach, ein Zufluss zum Bodensee, fließt direkt durch den Ort, vorbei an Wohnhäusern, am Kinderhaus Sankt Raphael und an der Ten-Brink-Grundschule. Als im oberen Hegau, im benachbarten Singen und Gottmadingen, der Starkregen einsetzte, sei ihm direkt klar gewesen: Da kommt etwas auf sie zu. Denn all das Wasser aus dem oberen Hegau lande früher oder später in der Radolfzeller Aach.
Durch ein dreistufiges Frühwarnsystem rechtzeitig vor dem drohenden Hochwasser gewarnt, kam am Morgen erstmals in der Geschichte des Ortes ein Krisenstab zusammen. Bürgermeister und Verantwortliche von Tiefbauamt, Feuerwehr und Polizei hätten dann gemeinsam entschieden, die mehr als 200 Kinder aus dem Kinderhaus und der Schule an der Aach zu evakuieren.
Kinderhaus und Schule gerettet: Sandsäcke halten Hochwasser auf
Wenig später war klar, warum: Innerhalb kürzester Zeit stieg der Pegel der Radolfzeller Aach um knapp einen halben Meter, erzählt Baumert. Im Garten des Kinderhauses stand das Wasser, gestapelte Sandsäcke hätten jedoch glücklicherweise eine Überflutung beider Gebäude verhindert, so Baumert. Wenn auch nur knapp: "Wir hätten vielleicht noch zehn Zentimeter Freibord gehabt, dann wären zumindest der Kindergarten und der Neubau der Grundschule mit Sicherheit vollgelaufen."
Der dritte Pegel, der die Fließstrecke des Wassers erst so gut und frühzeitig voraussehbar machte und damit Baumert und seinen Krisenstab in die Lage versetzt hat, Schlimmeres zu verhindern, sei erst in der vergangenen Woche installiert worden, sagt Baumert. Entsprechend groß ist die Erleichterung auch am Donnerstag noch beim Bürgermeister. "Also Glück sagen wir mal Glück im Unglück." Es sei natürlich Sachschaden entstanden, "aber Gott sei Dank kam es zu keinen tragischen Situationen".
Ganz ähnlich fasst auch Michael Klinger (parteilos), Bürgermeister im benachbarten Gottmadingen, die Situation am Donnerstag gegenüber dem SWR zusammen: "Wir sind mit zwei blauen Augen davongekommen." Lediglich an einer Brückenbaustelle in der Ortsmitte sei der Riederbach leicht über die Ufer getreten, zwei Unterführungen und rund zwei Dutzend Keller seien vollgelaufen. Feuerwehr und Tiefbauamt beseitigten die letzten Spuren des Unwetters aus Unterführungen und von Feldwegen.
Singen: Starkregen bringt Kanalnetz in der Innenstadt an seine Grenzen
Auch in Singen kann die Feuerwehr am Donnerstag Entwarnung geben. Einige Keller werden noch ausgepumpt, doch Verletzte gebe es nicht. Am Mittwoch waren dort in Folge des Starkregens Unterführungen überflutet worden, Wasser drang durch die Decke der Singener Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof ein. Auch im Einkaufszentrum CANO kam es zu Überflutungen.
Der Leiter der Feuerwehr Singen, Mario Dutzi, erklärte im SWR, wie es zu den bis zu zwei Meter hohen Überflutungen der Unterführungen kommen konnte. Trotz eingebauter Pumpwerke in der Kanalisation: "Das Kernproblem lag darin, dass das gesamte Kanalnetz im Bereich der Innenstadt in Richtung Südstadt, wo das normalerweise abfließt, auch überfüllt war." Wenn so viel Regen in so kurzer Zeit in einem so kleinen Bereich in der Innenstadt herunterkomme, kämen auch die Pumpen unter Höchstleistung an ihre Grenzen.
"Etwas ärgerlich" für die Einsatzkräfte sei zudem gewesen, dass die Feuerwehr einige Autofahrer habe retten müssen, erklärt Dutzi. Die seien trotz des Wasserstandes in die Unterführung gefahren und seien dann in ihren Fahrzeugen eingeschlossen gewesen.
Privates Theater "Die Färbe" stand unter Wasser
Am stärksten getroffen hat das Unwetter in Singen laut Feuerwehr aber das private Theater "Die Färbe". Mehrere Stunden war die Feuerwehr dort im Einsatz, das Wasser um das Gebäude stand bis zu 80 Zentimeter hoch. Am Mittwoch sei die aktuelle Vorstellung wegen der Überschwemmung abgesagt worden, so Elmar Kühling, stellvertretender Leiter des Theaters gegenüber dem SWR, da alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Aufräumarbeiten geholfen haben.
In der Kneipe und im Heizungskeller habe das Wasser bis zur Wade gestanden, schätzungsweise eine Million Liter Wasser seien aus dem Theater gepumpt worden. Das Trocknen der Böden werde die kommenden Wochen andauern, in der Gastronomie ist deshalb mit Einschränkungen zu rechnen. Doch das Theaterspielen lässt sich das Ensemble vom Unwetter am Mittwoch nicht nehmen: Ab Donnerstagabend finden die Vorstellungen wieder statt - vorerst in der Ausweichspielstätte "Basilika".