Bei der "Schwäbischen Zeitung" hat ein Kündigungsangebot an die Belegschaft für Verunsicherung und schlechte Stimmung gesorgt. Der Schwäbische Verlag (SV Gruppe) mit Sitz in Ravensburg will dieses und nächstes Jahr je 20 Stellen abbauen bzw. umverteilen, unter anderem in den Redaktionen der "Schwäbischen Zeitung". Allen Mitarbeitern des Konzerns, zu dem mittlerweile mehrere Tageszeitungen gehören, wurde eine Prämie angeboten, wenn sie selbst kündigen.
Das Zeitungsgeschäft sei unter Druck, heißt es von der Geschäftsführung. Die Zustellkosten seien stark gestiegen. Deshalb müsse man effizienter arbeiten. Bei der "Schwäbischen Zeitung" seien deswegen technische Veränderungen gemacht worden. Zum Beispiel komme bei der Erstellung des Layouts oder bei der Fehlerkorrektur mittlerweile ein KI-Assistenzsystem, also künstliche Intelligenz, zum Einsatz. Auch die Erstellung von Standard-Meldungen laufe teilweise automatisch. Daher sei weniger Personal nötig.
Es gebe einen "Bedarf an Reduktion", so der Geschäftsführer Lutz Schumacher. Außerdem befinde sich die "Schwäbische Zeitung" in einem Transformationsprozess hin zum Digitalen. Das Kündigungsangebot sei allen 3.800 Mitarbeitern des Konzerns gemacht worden, zu dem auch Zeitungen wie der "Nordkurier" und der "Zollern-Alb-Kurier" gehören. Durch Zukäufe anderer Zeitungen gebe es insgesamt im Unternehmen einen Personalüberhang, so Schumacher.
Kündigungsangebot sorgt für Verunsicherung
Der Stellenabbau und das Kündigungsangebot sorgen in der Belegschaft der "Schwäbischen Zeitung" für Verunsicherung. Das berichten mehrere Mitarbeiter, die mit dem SWR gesprochen haben. Sie wollen anonym bleiben. Der Betriebsrat hält die Austrittsprämie für keine gute Idee. "Natürlich kündigen vor allem diejenigen, die die besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben", so der Betriebsrat.
Langjährige Mitarbeiter der Zeitung berichten von einem Vertrauensverlust in die Geschäftsführung. "Die Stimmung ist katastrophal", sagen sie. Viele Kolleginnen und Kollegen machten sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz und seien verunsichert. Deswegen hätten schon einige das Austrittsangebot angenommen und gekündigt.
Die Geschäftsführung gibt selbstkritisch zu, die Art der Kommunikation sei unzureichend gewesen. Man hätte begleitend mehr zu dem Austrittsangebot sagen müssen, so Lutz Schumacher. In persönlichen Gesprächen versuche er, das wieder aufzufangen. Wie viele Beschäftigte der "Schwäbischen Zeitung" das Kündigungsangebot angenommen haben, dazu lagen zum Zeitpunkt des Gesprächs noch keine genauen Zahlen vor. Bisher habe es vereinzelt Kündigungen bei der "Schwäbischen Zeitung" gegeben, so Schumacher.
Sorge um publizistischen Kurs der Zeitung
Doch das Vertrauen in die Geschäftsführung und die Chefredaktion leidet schon länger. Es geht um die inhaltliche Ausrichtung und den Kurs der Zeitung, die sich selbst als "unabhängige Tageszeitung für christliche Kultur und Politik" bezeichnet. Durch den ehemaligen Chefredakteur Jürgen Mladek, der vor Kurzem überraschend gestorben ist, gebe es eine Offenheit für rechtspopulistische Themen, berichten Mitarbeiter anonym. Mladek wechselte 2022 vom "Nordkurier", der in Mecklenburg-Vorpommern erscheint, zur "Schwäbischen Zeitung". Dieser Trend sei auch nach dessen Tod weiter spürbar und betreffe vor allem die Mantel-Redaktion, die für die überregionalen Themen zuständig ist.
In das sogenannte Editorial Board, das vor wenigen Monaten die Chefredaktion ersetzte und für die Inhalte der Gesamtredaktion zuständig ist, rückte kürzlich Philippe Debionne nach, der in Berlin sitzt. Auch zu ihm hätten viele Mitarbeiter der "Schwäbischen Zeitung" wenig Vertrauen. Ein Redakteur beschreibt ihn als affin für Rechtspopulismus und die "Querdenker"-Szene. "Es geht ihm nur darum, die AfD und die CDU hoch zu schreiben. Es geht immer gegen die Ampel-Regierung", so die Beobachtung des Zeitungsredakteurs. Früher habe die Zeitung mehr Pluralismus zugelassen.
Leserschaft verärgert über neuen Stil der Zeitung
Zuletzt erschien zum Beispiel ein Interview mit dem früheren Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen in der "Schwäbischen Zeitung". Viele Redakteure und Redakteurinnen seien empört darüber gewesen.
Ein ähnliches Beispiel sei ein Interview mit dem Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian Krah, das wenige Tage vor der Europawahl veröffentlicht wurde. Auch die Leserschaft der "Schwäbischen Zeitung" spürt die Veränderung. Eine Abonnentin aus Lindau ist enttäuscht und besorgt über den neuen Stil. "Die Zeitung mutiert zur Förderin der [in Teilen] (Anm. d. Red.) rechtsextremen AfD und rangiert immer mehr auf dem niedrigen Niveau der Bild-Zeitung", schreibt die Leserin. Zum Beispiel seien in einem Artikel über eine Wahlkampfveranstaltung der AfD typische Narrative der Partei kommentarlos übernommen worden.
Auch im Online-Auftritt der "Schwäbischen Zeitung" spüren die Mitarbeiter eine Veränderung. Sie befürchten, dass in Zukunft nur noch sogenannte Clickbaiting-Artikel erscheinen, die möglichst viele Klicks erzielen sollen. "Wir spüren, dass wir mehr Zeit und Aufwand in die Recherche von boulevardesken Themen stecken sollen, wie zum Beispiel Unfälle oder Polizeimeldungen", sagt ein Mitarbeiter. Da bleiben tiefergehende Recherchen für andere Themen auf der Strecke. Zum Beispiel steht seit dem Messerangriff in Mannheim, bei dem ein Polizist getötet wurde, das Video von der Tat unverpixelt und ungeschnitten auf der Seite. "Sogar die Bild-Zeitung hat das Video geschnitten und mit einer Warnung versehen. Es ist unmöglich. Man sollte einen Menschen nicht beim Sterben zeigen", empört sich ein Redakteur.
Geschäftsführer: Wir setzen auf nachhaltige Reichweite
Geschäftsführer Lutz Schumacher sieht darin eine redaktionelle Entscheidung, in die er sich nicht einmische. Insgesamt habe man für den Online-Auftritt der Zeitung die Strategie geändert. Die Artikel sind jetzt frei zugänglich, es gibt keine Bezahlschranke mehr. "Wir möchten eine nachhaltige Reichweite aufbauen, wir wollen uns nicht an einer Klick-Schlacht beteiligen", versichert er. Die Marke "Schwäbische.de" stehe für einen Qualitätsanspruch.
Kündigungswelle bei der "Schwäbischen Zeitung"
Viele Mitarbeiter machten sich Sorgen um die Zukunft der Zeitung und könnten das nicht mehr mittragen, so ein Redakteur gegenüber dem SWR. In den vergangenen Monaten habe es – bereits vor dem Austrittsangebot – eine Kündigungswelle gegeben. Drei Mitglieder der Mantel-Redaktion und eine Lokalchefin etwa hatten gekündigt. Auch die Mitarbeiter, die anonym mit dem SWR gesprochen haben, spielen mit dem Gedanken, zu gehen. "Allerdings möchte ich das Feld auch nicht einfach den anderen überlassen", sagt ein Mitarbeiter.
Geschäftsführer Lutz Schumacher sagt zum publizistischen Kurs seiner Zeitung, er wolle die Breite der Gesellschaft abbilden und ansprechen. Es würde "reflexartig eine Diskussion geführt, ihr wollt euer Spektrum verlagern". Er sehe die Zeitung in der Mitte der Gesellschaft verankert.
Bisher würde sich der neue Kurs der Zeitung ausschließlich im Mantel-Teil der Zeitung abbilden, sagen die Mitarbeiter. Die Lokalteile könnten weiter unverändert arbeiten. "Da redet uns bisher keiner rein." Allerdings befürchtet ein Redakteur, dass die Regionalteile langfristig keine Priorität mehr haben. Schon jetzt würden die Lokalteile der Zeitung dünner, was auch daran liege, dass Personal fehle, weil Mitarbeiter gekündigt hätten und Personal abgebaut wird. Geschäftsführer Lutz Schumacher versichert dagegen, die Lokal- und Regionalteile sollen erhalten bleiben. Inhaltlich soll die Zeitung nicht unter dem Stellenabbau leiden. Auch an der Printausgabe der Zeitung wolle man trotz der Schwierigkeiten so lange wie möglich festhalten. "Wir gehen davon aus, dass die Printausgabe noch zehn Jahre erscheinen kann."
Sorge um Zukunft der Zeitung
"Es ist traurig, was mit der Zeitung passiert", so ein Redakteur. Viele könnten sich nicht mehr so wie früher mit der "Schwäbischen Zeitung" identifizieren.
Viele fragen sich, was mit dem neuen Kurs der Zeitung bezweckt werden soll und sind ratlos. "Es ist uns völlig schleierhaft. Unsere Zeitung erscheint in einer überwiegend konservativen Region, aber nicht in einer AfD-Hochburg." Der Redakteur ist sich sicher: "Langfristig werden wir Leserinnen und Leser verlieren."