Bei Zußdorf im Kreis Ravensburg zieht derzeit eine riesige Wanderbaustelle die Blicke auf sich. Sie erinnert an die Bohrstellen, die auf dem Höhepunkt der oberschwäbischen Ölförderung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Landschaftsbild mit prägten. Doch die zwanzig Meter hohe Stahlkonstruktion soll die Öl- und Erdgasförderung auf dem Feld Fronhofen-Illmensee nicht wieder aufleben lassen, sondern endgültig beenden. Bye-bye, "Klein-Texas" in Oberschwaben!
Bis Ende kommenden Jahres wird die Wanderbaustelle von Bohrloch zu Bohrloch transportiert, um die Förderstellen endgültig zurückzubauen. Insgesamt 13 ehemalige Erdöl- und Erdgasbohrungen bei Wilhelmsdorf, Fronreute, Fleischwangen, Guggenhausen, Ebenweiler, Altshausen und Wolpertswende werden verfüllt und renaturiert. Die Verfüllung dauert vier Wochen pro Bohrung. Die Kosten von rund 24 Millionen Euro übernimmt die Nachfolgefirma des Förderkonzerns von einst, Neptune Energy, gemeinsam mit ihren Partnern.
"Das Feld in Fronhofen gilt als ausgefördert", erklärt Silke Bender von Neptune Energy aus Hannover gegenüber dem SWR. "Unsere letzte Pflicht ist die Verfüllung der Bohrung und die Wiederherstellung der Flächen." Dazu werden die etwa faustdicken Rohre der bis zu 2.000 Meter in die Tiefe reichenden Förderstränge ausgebaut, auf Lastwagen verladen und zum Recycling gebracht. Dann wird das Bohrloch mit Zement aufgefüllt und unterhalb der Rasenkante mit einer Betonplatte versiegelt. Anschließend werde Erde aufgebracht und es sehe so aus, als wäre nie jemand dagewesen, versichert die Sprecherin der Bohrfirma.
Pferdekopfpumpen erinnern an Zeiten des oberschwäbischen Ölrausches
Mancherorts, wie zum Beispiel am Rande des Industriegebietes Mengenerstraße in Pfullendorf (Kreis Sigmaringen), stehen sie noch: Die alten Pferdekopfpumpen, mit denen zwischen 1958 und 1994 in Oberschwaben Erdgas und Erdöl gefördert wurde - industrie-romantische Relikte des kleinen Ölrausches von einst.
Damals sprach man vom "schwarzen Gold Oberschwabens". Allein die BASF-Tochter Wintershall förderte aus den Bohrlöchern bei Bad Wurzach (Kreis Ravensburg) und Rot an der Rot (Kreis Biberach) rund 1,7 Millionen Tonnen Erdöl. Als sich die Förderung wegen der fallenden Ölpreise auf dem Weltmarkt nicht mehr rentierte, rückten die Ölfirmen ab.
Aus dem Archiv: So berichtete der damalige Südwestfunk (SWF) 1964 über die Suche nach Öl in Oberschwaben:
Vergebliche Wiederbelebungsversuche von "Klein-Texas"
Seit der Stilllegung Ende der 1990er-Jahre gab es immer wieder Versuche, die Gas- und Ölförderung in Oberschwaben wieder aufzunehmen. So rückte die BASF-Tochter Wintershall 2015 mit 120 Beschäftigten und 80 Fahrzeugen bei Rottum im Landkreis Biberach an, um Probebohrungen durchzuführen. Während sich einige Landwirte und Waldbesitzer Hoffnungen auf lukrative Pachtverträge machten, stieß das Vorhaben bei weiten Teilen der Bevölkerung auf Widerstand, besonders wegen möglicher Umweltschäden. Ohne die Ergebnisse der Probebohrungen zu veröffentlichen und Gründe zu nennen, entschloss sich Wintershall zwei Jahre später gegen eine Wiederaufnahme der Förderung.
Deutsche Umwelthilfe kritisiert Pläne zur Wiederaufnahme der Gasförderung
Auch im Zuge der jüngsten Energiekrise, ausgelöst durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, scheinen die Gas- und Ölvorkommen in Oberschwaben wieder von Interesse zu sein. So stellte die australische Firma Afton Energy kürzlich beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) in Freiburg einen Antrag für eine sogenannte Aufsuchungserlaubnis im Raum Pfullendorf. Das Unternehmen vermutet dort Erdöl- und Erdgasreste und will das Förderpotential untersuchen. Das heißt, Afton Energy will erst einmal nur Daten sammeln. Um dann auszurechnen, ob sich eine Förderung lohnt.
Betroffene Kommunen wie Pfullendorf und Wald lehnen die Pläne ab. Auch die Deutsche Umwelthilfe kritisiert das Vorhaben und will es rechtlich prüfen lassen. Der Beginn einer neuen Gasförderung stehe nicht nur im Widerspruch zu den Klimazielen, sondern sei auch mit einer großen Belastung für Natur und Menschen vor Ort verbunden, so die Umweltstiftung.
Alte Bohrlöcher für Geothermie nutzen?
Im Raum Fronhofen-Illmensee (Kreis Ravensburg), wo die Bohrlöcher derzeit zugeschüttet werden, ist eine Wiederaufnahme der Gas- und Erdölförderung hingegen kein Thema. Dennoch haben einige Gemeinden eine Weiternutzung der stillgelegten Bohrlöcher vorgeschlagen. So regten die Bürgermeister von Fleischwangen und Ebenweiler an, die Bohrlöcher für Erdwärme zu nutzen, anstatt sie für teures Geld zu verfüllen. Schließlich sei die Energiewende derzeit in aller Munde, erklärt Fleischwangens Bürgermeister Timo Egger gegenüber dem SWR.
Besonders in Fleischwangen biete sich die Prüfung einer Umnutzung an, da ein Wohngebiet mit Erdwärmeanschluss in direkter Nähe des stillgelegten Bohrloches liege. Doch obwohl man mehrfach "nachgebohrt" habe, so Egger, habe Neptune Energy die Umnutzung pauschal abgelehnt.
Die Idee der Umnutzung sei ein kluger Ansatz, den man selbstverständlich geprüft habe, räumt Silke Bender von Neptune Energy ein. Gerne hätte man das Vorhaben unterstützt, doch eine interne Prüfung habe ergeben, dass die Bohrungen sich nicht für Geothermie eigneten. Anders als die Bohrlöcher zur Gewinnung von Erdwärme würden Erdöl- und Gasförderrohre mit zunehmender Tiefe immer schmaler und seien für Geothermie deshalb nur bedingt geeignet. Außerdem sei an Fundorten von Erdöl und Gas oft nicht genug Wasser vorhanden, vom Alter der Rohre ganz abgesehen.
Für Timo Egger eine Enttäuschung, seines Wissens nach seien 20 Prozent aller Gas- und Ölbohrungen für eine Umnutzung zur Geothermie geeignet.
Bohrfeld wird zum Skateboardplatz für die Dorfjugend
Ein kleines Trostpflaster gibt es dennoch: Die Betonplatte des bald versiegelten Bohrloches am Ortsrand von Fleischwangen kann künftig womöglich als Skateboard-Platz für die Dorfjugend genutzt werden.
Bei Zußdorf (Kreis Ravensburg) hingegen, wo gerade das Bohrloch versiegelt wird, könnten bald wieder Kühe grasen oder Maispflanzen zur Biogasgewinnung angebaut werden. Spätestens dann dürfte "Klein-Texas" in Oberschwaben endgültig der Vergangenheit angehören.