Erinnern am Gedenkstein

44 Luftballons für die Drogentoten von Leutkirch

Stand
Autor/in
Wolfgang Wanner
SWR-Redakteur und Redaktionsleiter Wolfgang Wanner Autorin Bild

In Leutkirch im Allgäu wird am Freitagabend im Rahmen einer Gedenkstunde an die Drogentoten der Stadt erinnert. Anlass ist der internationale Gedenktag der Drogenopfer.

Vielerorts erinnern Menschen am 21. Juli - dem sogenannten Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende - an die Opfer von Drogensucht und Drogenmissbrauch. In Leutkirch treffen sich Hinterbliebene am Freitag um 19 Uhr am Gedenkstein für Drogenopfer neben der Evangelischen Kirche in der Innenstadt. Organisiert wird das Gedenken vom Elternkreis Leutkirch. Die Leiterin der Selbsthilfegruppe ist Beate Stör. Ihr Sohn starb vor drei Jahren an einer Überdosis Fentanyl, einem starken Schmerzmittel.

Der Gedenkstein für Drogentote - ein Ort der Erinnerung

Den Gedenkstein für die Drogenopfer sucht Beate Stör immer wieder auf und hält dort inne. Sie hat sich für diese Erinnerungsstätte eingesetzt, vor zwei Jahren wurde der Gedenkstein enthüllt. Das war ein Jahr nach dem Drogentod ihres Sohnes Bertram. Für sie sei es wichtig, dass man diese Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit gestorben seien, nicht vergesse. "Sie haben mitten unter uns gelebt, sie sind mitten unter uns gestorben. Und sie gehören zu unserem Leben einfach mit dazu", sagt die 73-Jährige.

"Das ist für mich unheimlich wichtig: zu zeigen, dass man diese Menschen, die einfach aufgrund ihrer Krankheit gestorben sind, nicht vergisst."

Der eigene Sohn starb den Drogentod

Der Sohn von Beate Stör starb im Alter von 43 Jahren, nachdem er mehr als 20 Jahre lang Drogen genommen hatte. Mit 15 oder 16 Jahren habe es wohl angefangen, meint die Mutter. Davon erfahren habe sie Jahre später durch Zufall. Sie wollte ihren Sohn am Arbeitsplatz anrufen, aber dort hieß es, er sei schon lange nicht mehr da. Er sei entlassen worden. Sie erfuhr, dass er Cannabis nimmt. "Das war der Anfang", sagt Stör.

Eine Frau mit Stock steht vor einem Gedenkstein.
Beate Stör kommt immer wieder zum Gedenkstein für die Drogentoten.

Es folgte eine Drogenkarriere, wie sie wohl viele Drogenabhängige erleben - ohne festen Job, ohne feste Wohnung. Bertram kam immer wieder zur Mutter, um bei ihr zu schlafen und zu essen. Und verschwand dann wieder. Ein schlimmer Tag war der Fastnachtssonntag, erinnert sich Beate Stör. Damals sagte ihr der Sohn, dass er Heroin spritzt: "Da geht der Boden unter den Füßen weg."

Mutter steht zu ihrem Sohn

Für Hilfsangebote und Ratschläge war der Sohn nicht zugänglich. Erst viel später sei ihr klar geworden, dass all die Unterstützung nichts nutze, wenn der Betroffene sich nicht helfen lassen wolle.

"Dass alles nichts nützt, wenn der Entsprechende nicht will - die Erkenntnis kommt erst viel später."

Selbst als der Sohn begann, mit Drogen zu dealen, die Mutter bestahl und dreimal ins Gefängnis kam, brach Beate Stör die Verbindung zu ihm nicht ab. Auch wenn ihr Ehemann gemeint habe, sie müsse härter gegenüber Bertram sein. Die Mutter bezahlte auch die Telefonrechnung des Sohnes, um mit ihm in Kontakt bleiben zu können.  

Neue Hoffnung, dann der Rückfall

Kurze Zeit hatte sie Hoffnung, dass der Sohn es doch noch schafft, von den Drogen wegzukommen. Denn mit Anfang 40 ließ er sich substituieren, nahm unter ärztlicher Aufsicht Ersatzmedikamente. Doch er wurde rückfällig: "Wieder dieser kalte Eimer über den Kopf, wo alles von vorne losgeht. Und irgendwann die Erkenntnis, das ist eine Krankheit!"

Eine Krankheit, die den Sohn getötet hat

Die Drogensucht war eine Krankheit, bei der es für Bertram keine Heilung geben sollte. Ein, zwei Jahre vor seinem Tod habe sie gespürt, dass er es nicht mehr schaffen werde, erzählt Beate Stör. Er habe sich zu dieser Zeit Kokain in die Halsschlagader gespritzt. Am 15. Februar 2020 bekam sie telefonisch die Nachricht, dass Bertram tot sei. Damals sei ihr Herz gebrochen.

"Das tut so unermesslich weh, wenn dieser Tag tatsächlich kommt. Das kann man nicht beschreiben."

Auf einem Gedenkstein stehen die Namen verstorbener Drogenabhängiger.
Die Namen auf dem Gedenkstein stehen stellvertretend für Drogenopfer. Auch der Name von Bertram Stör steht drauf.

Offener Umgang mit dem Drogentod

Der Drogentod seines Kindes sei besonders schlimm, weil viele Eltern damit nicht offen umgehen, erklärt die 73-Jährige. Das sei ein Tabuthema. Beate Stör ist mit den Drogenproblemen ihres Sohnes immer offen umgegangen. Schon im Jahr 2001 hat sie mit Betroffenen einen Elternkreis in Leutkirch gegründet. Seitdem gibt es das Treffen der "Selbsthilfegruppe für Eltern für suchtgefährdete und suchtkranke junge Menschen" regelmäßig im Pfarrhaus der evangelischen Kirchengemeinde.

"Wer gibt schon gerne nach außen hin zu, mein Sohn, meine Tochter, hat mit Drogen zu tun. Das ist nach wie vor ein Tabuthema."

Luftballons erinnern an die Toten

Beate Stör appelliert an Eltern drogenabhängiger Kinder, Hilfe und Ratschläge anzunehmen, sich dem Thema zu stellen. So wie die Eltern, die am Freitagabend in Leutkirch im Rahmen der Gedenkfeier Luftballons mit den Namen ihrer Kinder in die Luft aufsteigen lassen. 44 Luftballons in grünen Farben sollen Richtung Himmel fliegen, während der Gedenkfeier werden Texte und Musik zu hören sein. Darunter auch Texte von Beate Stör, die mit Gedichten versucht, den Tod ihres Sohnes zu verarbeiten.

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