Wie mehrere Schweizer Medien am Donnerstagmorgen berichteten, hat die Staatsanwaltschaft Schaffhausen nach dem Freitod einer Frau in einem Wald im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet Untersuchungshaft für einen der vier Festgenommenen beantragt. Die anderen seien freigelassen worden.
Nach Angaben des zuständigen Schaffhauser Staatsanwalts Peter Sticher handelt es sich bei den am Montag Festgenommenen um den Co-Präsidenten der Schweizer Sterbehilfeorganisation "The Last Resort", zwei Anwälte und einen niederländischen Journalisten. Strafverfahren wegen Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord seien eröffnet worden, die Sterbekapsel sei sichergestellt worden.
Tote in "Sarco"-Suizidkapsel war schwer kranke 64-jährige Frau
Laut Kantonspolizei war am Montagnachmittag bei der Staatsanwaltschaft ein telefonischer Hinweis einer Anwaltskanzlei eingegangen. Polizeibeamte hätten die Suizidkapsel "Sarco" bei einer Waldhütte in Merishausen an der deutsch-schweizerischen Grenze zum Kreis Konstanz gefunden. Nach Angaben der Organisation "The Last Resort", die in der Schweiz den Einsatz der "Sarco"-Suizidkapsel koordiniert, hat sich in der Kapsel eine 64-jährige US-Bürgerin getötet, die seit vielen Jahren unter einer schweren Immunschwäche litt.
Die Organisation zitiert den Erfinder der Suizidkapsel, den australischen Buchautor und ehemaligen Arzt Philip Nitschke, mit den Worten: "Ich bin erfreut, dass der Sarco genau das getan hat, wofür er entwickelt wurde: nämlich einen freiwilligen, medikamentenfreien und friedlichen Tod herbeizuführen zu dem Zeitpunkt, den die Person wählt."
Suizidkapsel in Deutschland? Medizinethiker ist skeptisch
Unterdessen äußerte sich in der Debatte um die Schweizer Suizidkapsel der Medizinethiker Giovanni Maio skeptisch darüber, ob die Kapsel in dieser Form in Deutschland eine gesellschaftlich akzeptierte Form des Sterbens werden könnte. Das sei nicht zu erwarten, "weil da so viele Probleme daran hängen", sagte der Direktor des Freiburger Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin im SWR.
Man müsse sich fragen, ob das überhaupt eine würdevolle Art zu sterben sei: "Will die Gesellschaft die Menschen so vereinzelt sterben lassen? Gerade dieses Abkapseln halte ich für ein ganz großes Problem - dass kein Kontakt zu den Menschen hergestellt werden kann", sagte Maio. Eine solche Kapsel wäre eine "Technisierung, aber keine Humanisierung des Sterbens", kritisierte er. Er rechne damit, dass sich die Schweiz durch die Debatte über die Kapsel nun für strengere Vorschriften entscheiden dürfte.
Sorge um "Sterbetourismus" nach "Sarco"-Einsatz in Schaffhausen in der Schweiz
In der Schweiz sind nach dem ersten Einsatz einer "Sarco"-Suizidkapsel Forderungen laut geworden nach einem expliziten Verbot der Kapsel. Es gehe auch darum zu verhindern, so die Parlamentarierin Nina Fehr Düsel von der Schweizerischen Volkspartei (SVP), dass der "Sterbetourismus" in der Schweiz überhandnehme. Andere plädieren dafür, erst das Ergebnis des Strafverfahrens in Schaffhausen abzuwarten. "Wenn die gesetzlich nicht erlaubte Verwendung der Kapsel keine Konsequenzen hat", sagte der Mitte-Politiker Matthias Bregy dem "Tagesanzeiger", "dann braucht es eindeutig eine Verschärfung".
Was ist die "Sarco"-Kapsel? Durch Knopfdruck das Leben nehmen
Nach Angaben des Herstellers, der australischen Organisation Exit International, ist die "Sarco"-Selbstmordkapsel zuvor noch nie verwendet worden. Sie sei so konzipiert, dass sich jemand im Inneren durch Knopfdruck das Leben nehmen könne. Dabei werde Stickstoffgas in die versiegelte Kammer eingeleitet. Der Mensch in der Kapsel soll einschlafen und in wenigen Minuten durch Sauerstoffmangel sterben.
Die sargähnliche Kabine entsteht in den Niederlanden in einem 3D-Drucker, so der Hersteller. 2019 war der "Sarco" auf einer Design-Messe in Venedig vorgestellt worden. Im Juli dieses Jahres wurde die mobile Kapsel in Zürich präsentiert. Das löste eine erneute Diskussion um begleiteten Suizid und Sterbehilfe in der Schweiz aus.
SWR Kultur berichtete im Juli über die Suizidkapsel und die Kritik daran:
Tod in "Sarco"-Suizidkapsel: Rechtliche Bewertung ist unklar
In der Schweiz gelten passive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid als erlaubt, solange keine selbstsüchtigen Beweggründe zugrunde liegen. Allerdings erklärte die Schweizer Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider am Montag in der Fragestunde des Nationalrates, die Suizidkapsel "Sarco" sei nicht rechtskonform. Sie erfülle die Anforderungen des Produktesicherheitsrechts nicht. Außerdem sei die Verwendung von Stickstoff in der Kapsel nicht mit dem Chemikaliengesetz vereinbar.