Ein Mensch sitzt weiterhin in Untersuchungshaft

Ermittlungen nach Suizid in "Sarco"-Kapsel dauern an

Stand
Autor/in
Karin Wehrheim
SWR-Redakteurin Karin Wehrheim Autorin Bild
Kathrin Hondl
Owusu Künzel

Eine Woche nach dem Freitod einer Frau in einer Suizidkapsel bei Merishausen im Kanton Schaffhausen laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft weiter.

Schweizer Behörden ermitteln weiter in dem Fall einer Frau, die sich vor einer Woche in einem Wald im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet zum Kreis Konstanz in einer Suizidkapsel das Leben genommen hatte.

Es gebe noch viele Fragen zu klären und Beweise zu sichern, sagte der zuständige Schaffhauser Staatsanwalt Peter Sticher auf SWR-Anfrage. Einer der vier Festgenommenen sitze jetzt in Untersuchungshaft, für zunächst drei Monate. Wann es zu einem Prozess kommen könnte, sei völlig offen.

Freigelassene Fotografin äußert sich zum Suizid

Das Obduktionsergebnis der am vergangenen Montag tot aufgefundenen 64-Jährigen liege vor, werde aber zunächst nicht veröffentlicht. Die nach der Festnahme wieder freigelassene niederländische Fotografin hat unterdessen in der Zeitung "Volkskrant" den Suizid als "friedlich und schmerzlos" beschrieben.

Vergangenen Montag waren laut Staatsanwalt Peter Sticher der Co-Präsident der Schweizer Sterbehilfeorganisation "The Last Resort", zwei Anwälte und eine niederländische Journalistin festgenommen worden. Zudem seien Strafverfahren wegen Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord eröffnet worden, die Sterbekapsel sei sichergestellt worden.

Tote in "Sarco"-Suizidkapsel war schwer kranke 64-jährige Frau

Laut Kantonspolizei war am Montagnachmittag vor einer Woche bei der Staatsanwaltschaft ein telefonischer Hinweis einer Anwaltskanzlei eingegangen. Polizeibeamte hätten die Suizidkapsel "Sarco" bei einer Waldhütte in Merishausen an der deutsch-schweizerischen Grenze zum Kreis Konstanz gefunden. Nach Angaben der Organisation "The Last Resort", die in der Schweiz den Einsatz der "Sarco"-Suizidkapsel koordiniert, hat sich in der Kapsel eine 64-jährige US-Bürgerin getötet, die seit vielen Jahren unter einer schweren Immunschwäche litt.

Die Organisation zitiert den Erfinder der Suizidkapsel, den australischen Buchautor und ehemaligen Arzt Philip Nitschke, mit den Worten: "Ich bin erfreut, dass der Sarco genau das getan hat, wofür er entwickelt wurde: nämlich einen freiwilligen, medikamentenfreien und friedlichen Tod herbeizuführen zu dem Zeitpunkt, den die Person wählt."

Suizidkapsel in Deutschland? Medizinethiker ist skeptisch

Unterdessen äußerte sich in der Debatte um die Schweizer Suizidkapsel der Medizinethiker Giovanni Maio skeptisch darüber, ob die Kapsel in dieser Form in Deutschland eine gesellschaftlich akzeptierte Form des Sterbens werden könnte. Das sei nicht zu erwarten, "weil da so viele Probleme daran hängen", sagte der Direktor des Freiburger Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin im SWR.

Man müsse sich fragen, ob das überhaupt eine würdevolle Art zu sterben sei: "Will die Gesellschaft die Menschen so vereinzelt sterben lassen? Gerade dieses Abkapseln halte ich für ein ganz großes Problem - dass kein Kontakt zu den Menschen hergestellt werden kann", sagte Maio. Eine solche Kapsel wäre eine "Technisierung, aber keine Humanisierung des Sterbens", kritisierte er. Er rechne damit, dass sich die Schweiz durch die Debatte über die Kapsel nun für strengere Vorschriften entscheiden dürfte.

Sorge um "Sterbetourismus" nach "Sarco"-Einsatz in Schaffhausen in der Schweiz

In der Schweiz sind nach dem ersten Einsatz einer "Sarco"-Suizidkapsel Forderungen laut geworden nach einem expliziten Verbot der Kapsel. Es gehe auch darum zu verhindern, so die Parlamentarierin Nina Fehr Düsel von der Schweizerischen Volkspartei (SVP), dass der "Sterbetourismus" in der Schweiz überhandnehme. Andere plädieren dafür, erst das Ergebnis des Strafverfahrens in Schaffhausen abzuwarten. "Wenn die gesetzlich nicht erlaubte Verwendung der Kapsel keine Konsequenzen hat", sagte der Mitte-Politiker Matthias Bregy dem "Tagesanzeiger", "dann braucht es eindeutig eine Verschärfung".

Eine "Sarco"-Suizidkapsel steht bei einer Präsentation in Venedig. Menschen können sich per Knopfdruck das Leben nehmen. Nach einem Fall in Schaffhausen wird in der Schweiz über ein Verbot disktuiert.
So war die "Sarco"-Suizidkapsel 2019 in Venedig ausgestellt.

Was ist die "Sarco"-Kapsel? Durch Knopfdruck das Leben nehmen

Nach Angaben des Herstellers, der australischen Organisation Exit International, ist die "Sarco"-Selbstmordkapsel zuvor noch nie verwendet worden. Sie sei so konzipiert, dass sich jemand im Inneren durch Knopfdruck das Leben nehmen könne. Dabei werde Stickstoffgas in die versiegelte Kammer eingeleitet. Der Mensch in der Kapsel soll einschlafen und in wenigen Minuten durch Sauerstoffmangel sterben.

Die sargähnliche Kabine entsteht in den Niederlanden in einem 3D-Drucker, so der Hersteller. 2019 war der "Sarco" auf einer Design-Messe in Venedig vorgestellt worden. Im Juli dieses Jahres wurde die mobile Kapsel in Zürich präsentiert. Das löste eine erneute Diskussion um begleiteten Suizid und Sterbehilfe in der Schweiz aus.

SWR Kultur berichtete im Juli über die Suizidkapsel und die Kritik daran:

Tod in "Sarco"-Suizidkapsel: Rechtliche Bewertung ist unklar

In der Schweiz gelten passive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid als erlaubt, solange keine selbstsüchtigen Beweggründe zugrunde liegen. Allerdings erklärte die Schweizer Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider am Montag in der Fragestunde des Nationalrates, die Suizidkapsel "Sarco" sei nicht rechtskonform. Sie erfülle die Anforderungen des Produktesicherheitsrechts nicht. Außerdem sei die Verwendung von Stickstoff in der Kapsel nicht mit dem Chemikaliengesetz vereinbar.

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