Label "Ohne Gentechnik" auf einem Produkt

Übergabe von 92.000 Unterschriften an EU-Parlamentarier

Allgäuer Biobäuerin will neues EU-Gentechnikgesetz stoppen

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Dirk Polzin
SWR-Redakteur Dirk Polzin Autor Bild

Eine Biobäuerin aus Wangen im Allgäu hat am Dienstag Europaparlamentariern eine Petition gegen eine neues EU-Gentechnikgesetz übergeben. Sie sammelte dafür 92.000 Unterschriften.

Um ein neues Gentechnikgesetz der EU zu stoppen, hat eine Biobäuerin aus Wangen im Allgäu im Rahmen einer Petition 92.000 Unterschriften gesammelt. Als Sprecherin des "Aktionsbündnisses gentechnikfreie Landwirtschaft" übergab sie die Liste am Dienstagnachmittag in Straßburg deutschen Europaparlamentariern. Alle übrigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments schickte das Bündnis ein Statement per Mail. Die Parlamentarier sollen am Mittwoch entscheiden, ob das neue Gesetz in Kraft treten kann. Es sieht vor, Pflanzen, die mit "neuen genomischen Techniken" gezüchtet werden, konventionell gezüchteten Pflanzen praktisch gleichzustellen.

Wegfall einer Kennzeichnungspflicht sorgt für Ärger

Doch die EU-Gesetzesvorlage stößt auf Widerstand. Tritt das Gesetz in Kraft, müssen Lebensmittel nicht mehr gekennzeichnet werden, wenn sie derart gentechnisch veränderte Organismen enthalten, aus solchen bestehen oder aus solchen hergestellt wurden. Und das sei regelrecht fahrlässig, so die Biobäuerin und Geflügelhalterin Bärbel Endraß aus Wangen im Allgäu. Der Verbraucher müsse wissen, was er isst. Wissenschaftler behaupteten zwar, dass die neuen Technologien ungefährlich sind. Doch nicht alle Forscher seien dieser Meinung.

Für Bärbel Endraß, Bäuerin aus Wangen im Allgäu (Kreis Ravensburg), gehen die Forderungen beim Protes des Bauernverbands nicht weit genug. Sie findet, dass vieles fehle und es zu stark um den Agrardiesel gehe.
Bäuerin Bärbel Endraß füttert ihre Hühner auf ihrem Biohof in Wangen im Allgäu.

Bäuerin startet Petition, um Gesetz zu stoppen

Die Bäuerin hatte deshalb eine Petition gegen das Gesetz gestartet, die sie nun in Straßburg deutschen EU-Parlamentariern übergab - nach einer Kundgebung mit weiteren Bauern aus Deutschland und Frankreich. Endraß zufolge nahmen die Parlamentarier die Übergabe unterschiedlich auf: Während einige der Kritik an dem Gesetz zustimmten und mit den Gegnern ins Gespräch kamen, hätten vor allem konservative Abgeordnete ablehnend und teils schroff darauf reagiert, so die Landwirtin gegenüber dem SWR.

Und der Wegfall einer Kennzeichnungspflicht sei nicht das einzige Problem mit dem EU-Gesetz, so Endraß. Der Brüsseler Entwurf wolle den Mitgliedstaaten künftig verbieten, Abstandsregeln für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen vorzugeben. Dasselbe gelte für Saatgut-Kontrollen. Beide Vorgaben verhinderten aber bislang, dass sich gentechnisch verändertes Saatgut mit herkömmlichem Saatgut vermische. Viele Biobauern befürchten, dass der Ökolandbau deshalb teurer und riskanter werden könnte.

Gentechnologien sollen Pflanzen resistent gegen Klimawandel machen

Kein Problem sehen in der Anwendung "neuer genomischer Techniken" viele Wissenschaftler. Dabei geht es in erster Linie um den Einsatz der sogenannten "Gen-Schere CRISPR/Cas". Mit ihr können Gene gezielter und präziser verändert werden als zuvor. Forscher sehen darin vor allem eine Chance, neue Pflanzensorten zu züchten, die mit dem Klimawandel zurechtkommen und weniger Pestizide brauchen. Die Pflanzen hätten dieselben Eigenschaften, wie wenn man sie herkömmlich züchten würde, sagen die Forschenden. Es gehe nur schneller. Entsprechend waren es fast 1.500 Wissenschaftler, die in einem offenen Brief das Europäische Parlament aufforderten, die Regeln zum Einsatz solcher Methoden zu lockern.

vielfache Vergrößerung eines Eingriffs mit CRISPRCas9
Die DNA einer Zelle wird mit Hilfe des Gen-Schere-Verfahrens CRISPR/Cas9 manipuliert

Biobauern und Naturschutzverbände bleiben skeptisch

Mehrere Verbände für ökologische Landwirtschaft, Naturkostwaren und Naturschutz halten die neue Technologie dennoch für riskant und kritisieren die Haltung der Wissenschaftler. Die Verbände sind Mitglied im "Aktionsbündnis gentechnikfreie Landwirtschaft" und unterstützen die Petition von Hühnerhalterin Bärbel Endraß, das Gesetz zu stoppen. Endraß sagt, sie wolle auch in Zukunft gentechnikfreie Lebensmittel erzeugen. Mit der geplanten Veränderung des Gentechnikgesetzes werde ihr aber die Freiheit genommen, gentechnikfrei anzubauen und zu füttern, wenn auf Saatgut etwa nicht mehr draufstehe, dass Gentechnik drinstecke.

Ich möchte auch in Zukunft gentechnikfreie Lebensmittel erzeugen. Mit der geplanten Veränderung des Gentechnikgesetzes wird mir die Freiheit genommen, gentechnikfrei anzubauen und zu füttern.

Man dürfe vor allem nicht vergessen, dass hinter den Befürwortern der neuen Technik und des neuen EU-Gesetzes nicht zuletzt Konzerne stünden, die sich davon viel Geld versprächen. Den Biobauern hingegen drohten hohe Kosten, wenn sie nach wie vor eine gentechnikfreie Produktion bieten wollten.

Man werde deshalb im Rahmen des Aktionsbündnisses weiterhin öffentlich Kritik an dem Gesetz äußern. Denn es müsse nach der Entscheidung des EU-Parlaments noch durch weitere EU-Instanzen, bevor es in Kraft treten kann, so Bärbel Endraß.

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