Die FDP im baden-württembergischen Landtag hat eine Bildungsallianz mit den demokratischen Fraktionen angeregt, um das Bildungssystem langfristig in einem breiten Konsens zu erneuern. Laut der FDP hat auch die Grünen-Fraktion nach einigen Tagen Bedenkzeit solchen Gesprächen zugesagt.
Verbände: Handlungsbedarf in der Schulpolitik ist groß
Die Bildungspolitik drohe zu Beginn des Jahres 2024 in eine absolute Schieflage zu geraten, warnt der Berufsschullehrerverband. Dessen Vorsitzender Thomas Speck sagte dem SWR: Knapp 380.000 junge Menschen unter 35 Jahren seien aktuell in Baden-Württemberg ungelernt.
Deswegen müssten die beruflichen Schulen nicht zusammengestrichen, sondern ausgebaut werden. Wenn dieser Bedarf weiterhin ignoriert werde, werde dies der Gesellschaft früher oder später "so richtig um die Ohren fliegen", so Speck weiter. Er fordere von der Politik ein klares Bekenntnis zum Erhalt der beruflichen Gymnasien und eine Angleichung der personellen Ressourcen auf das Niveau der allgemeinbildenden Gymnasien.
Außerdem brauche es Förderprogramme, damit Schüler mit Lernschwierigkeiten, Ungelernte und Geflüchtete den Übergang in Ausbildung und Arbeit schaffen können.
Philologenverband: "Kindern vermitteln, dass Anstrengung sich lohnt"
Aus Sicht des Philologenverbands bräuchten alle Schulen erneuerte und klare Ziel- und Leistungsorientierungen. Diese dürften laut des Vorsitzenden des Philologenverbandes Baden-Württemberg, Ralf Scholl, nicht zu tief gesteckt sein. "Eine der Erziehungsaufgaben von Schule ist es schließlich, den Kindern zu vermitteln, dass ihre Anstrengung sich lohnt: Dass sie Erfolge erzielen, wenn sie sich anstrengen", so Scholl. Handlungsbedarf gebe es bereits vor der Grundschule, denn die Beherrschung der deutschen Sprache auf dem Stand eines 5- oder 6-jährigen Kindes sei zwingende Voraussetzung für einen erfolgreichen Schulbesuch in der ersten Klasse.
"Damit ergibt sich ganz klar die Notwendigkeit mindestens eines, besser sogar zweier verpflichtender Vorschuljahre, wenn im Alter von vier Jahren ein Sprachtest für alle gemacht und der nicht adäquat bestanden wird", so Scholz.
Eine Allianz beim Thema Schulbildung könne Ruhe und Verlässlichkeit schaffen, so die Reaktion des Verbands Bildung und Erziehung. Gleichzeitig seien die Erwartungen an eine solche fraktionsübergreifende Vereinbarung überschaubar. Der Handlungsbedarf in der Schulpolitik ist aus Sicht aller Verbände groß.
"Wissensdurst" fördern Kretschmann fordert mehr Eltern-Engagement bei der Bildung
Eltern müssten sich um den Wissensdurst der Kinder bemühen, findet der Ministerpräsident. Doch ob ein Kind in der Schule Erfolg hat, hängt in BW ohnehin stark vom Elternhaus ab.
Bildungspolitik ist Schwerpunkt bei den Klausurtagungen
Die Fraktionen des baden-württembergischen Landtags starten am Dienstag mit Klausurtagungen ins neue Jahr. Die Grünen-Landtagsfraktion befasst sich in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) mit der Frage, wie die Grundschulen gestärkt werden können. Dies habe Priorität für einen guten Start ins Schulleben, so Fraktionschef Andreas Schwarz gegenüber dem SWR.
Die CDU diskutiert in Kehl (Ortenaukreis) über eine Neuaufstellung des Bildungswesens und fordert bis März Klarheit über ein neues Modell für G8 und G9. Bei der SPD-Fraktion soll es in Heidelberg darum gehen, wie der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung umgesetzt werden kann. Die FDP-Fraktion plant neben der Bildungsallianz einen Vorschlag für das neunjährige Gymnasium. Auswege aus der Bildungsmisere sind auch Thema der AfD-Fraktion auf ihrer zweitägigen Klausur in Stuttgart.